"LET THEM ENTERTAIN YOU = LET THEM ENTER YOUR BRAIN"

Deutsch auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Sprachen?


"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." (Ludwig Wittgenstein)

Wirft man in Österreich einen Blick (mehr lohnt sich kaum jemals) auf einige Titel jener Filme, mit denen das (un?)werte Kinopublikum paralysiert, aber nein, unterhalten, wird, stößt man beispielsweise auf programmierte "Blockbuster" wie diese: "Coffee and Cigarettes", "Butterfly Effect", "American Splendor", "Thunderbirds", "Anything else", "Cinderella Story" ... usw. 

Was mag die Ursache für diese fremdsprachige Überflutung sein? Ein akuter Übersetzungsnotstand in den Filmverleihfirmen aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen? Ein geheimnisvoller Wörterbücherschwund? Tumbheit gar?
Man liest "Action", doch bedeutet es einem etwas? Fühlt sich die Zielgruppe, also fühlen sich österreichische Kinogeher angesprochen?
(In diesem Zusammenhang sei auf einen Artikel der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" hingewiesen.)
Eintrittskarten? "Tickets" gibt es. "Cool" ist, wer vergisst, was früher Deutsch gewesen ist ...
Mit der Verringerung der Sprachvielfalt gehen unstrittig eine allgemeine Verflachung der Geisteswelt, Beziehungsschwund und Identitätsverlust einher.

Verlage brüsten sich mit "Top- " und "Bestsellern", folglich werden auch von gar nicht so wenigen deutschsprachigen Autoren vorsichtshalber keine Geschichten mehr erzählt, sondern "Storys" - das klingt doch gleich ganz anders, nicht wahr, und anders kann einem auch angesichts dessen werden. Shakespeare - war das nicht der mit dem "ghostwriter"?
"VIPS" stolzieren von einem "event" zum nächsten (überhaupt ist alles und jedes mittlerweile ein "event", und sei es die Eröffnung einer Bedürfnisanstalt), "games" lassen die Herzen der "kids" höherschlagen, "singles" treffen einander bei "blind dates", "wellness", "anti-aging" und "fitness" schwängern die Gehirne der Empfängnisbereiten. Schnell eine Runde "jogging" oder "inlineskating", oder - ganz modern - "nordic walking". Sie fühlen sich matt? Her mit einem "energy-drink"!
Einkaufszentren, nicht nur im touristischen Niemandsland, plakatieren längst Kauderwelsch: "OPEN 8-18 UHR", "SALE MINUS 50 PROZENT". Nicht wenige Werktätige fahren gezwungenermaßen einen halsbrecherischen Sprachenslalom, irgendwo zwischen "hearings", "workshops" und "meetings", irren herum im finsteren Dickicht von "deals", "controlling", "branding" und "benchmarking". Und eine wachsende Anzahl unfreiwillig Nichtwerktätiger sucht "jobs". Wissen alle noch, wovon sie sprechen, wenn sie diese Worte in den Mund nehmen (und denken Sie jetzt nicht an einen "blow job"!)? Egal, man kann ja im "worst case" bei einer "hotline" anfragen, oder in einem "customer care center" vorstellig werden, sofern dort jemand sitzt, der tatsächlich Deutsch spricht und rasch einmal im Katalog der "FAQ" blättert ...
Die Fernsehnachrichten kaut uns ein "anchorman" vor, bzw. politisch korrekt mitunter auch eine "anchorwoman". "Hip", finden Sie nicht?

Seit Jahren schreitet der alarmierende Prozess der Verenglischung, ein Armutszeugnis für Mitteleuropa obendrein, voran. Der Markt scheint noch längst nicht gesättigt - "I'm lovin' it"! (Was denn?)
Die Handlanger der Umkulturierung haben sich nicht nur ungeschlechtlich durch Ableger vermehrt, ihre Begattungsfortsätze zwängen sich in Augen, Ohren und Münder all jener, die in keinem Bezug zu ihrer unmittelbaren Umgebung stehen, die stolz darauf sind, wurzellos über dem Abgrund zu baumeln.

Wozu noch alibihalber über die Rechtschreibreform der deutschen Sprache diskutieren, wenn diese - zumindest im öffentlichen Bereich - ein anscheinend ungern gesehener Gast ist?

"Englisch, wem Englisch gebührt" - dies nicht als Schlachtruf, sondern als Denkanstoß!

Ich möchte Ihnen, Ihnen und ganz besonders Ihnen ein Buch ans Herz legen:
"Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod", geschrieben vom aufmerksamen Sprachpfleger des "SPIEGEL", Bastian Sick. In seinen hochkarätigen "Zwiebelfisch"-Kolumnen klärt der Autor durchaus humorvoll über sprachliche Unsitten auf und nimmt sich der Behebung weitverbreiteter Irrtümer an.

Und jene, die der Deutschen Sprache (wieder) näher kommen möchten, finden allerlei Interessantes auf der Seite des Vereins Deutsche Sprache e.V.: http://www.vds-ev.de/.

(Felix Grabuschnig; 21.08.2004)


Buchempfehlung:

Bastian Sick: "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Ein Wegweiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache"
Die Zwiebelfisch-Kolumnen
"Die oder das Nutella - diese Frage hat schon viele Gemüter am Frühstückstisch bewegt. Der, die, das - wieso, weshalb, warum? Ob Nutella nun weiblich oder sächlich ist, ist sicherlich keine Frage auf Leben und Tod, aber eine Antwort hätten wir schon gern. Wir? Ja, wir hilflos Verlorenen im Labyrinth der deutschen Sprache. Wir, die wir unsere liebe Not mit der deutschen Sprache haben. Und leichter, verständlicher oder zumindest nachvollziehbarer ist es nach der Rechtschreibreform auch nicht geworden.
In seinen hinreißend komischen und immer klugen Kolumnen bringt Bastian Sick Licht ins Dunkel der deutschen Sprachregelungen und sortiert den Sprachmüll. Ist der inflationären Verwendung von Bindestrichen noch Einhalt zu gebieten, angesichts von Spar-Plänen und Quoten-Druck?
Versinken wir sprachlich gesehen nicht längst im Hagel der Apostrophe, wenn Känguru's plötzlich in den Weiten Australien's leben? Derlei Unsinn scheint nicht mehr aufhaltbar, wenn es nicht dieses Buch gäbe. Darauf zwei Espressis!" (Kiepenheuer & Witsch) zur Rezension von Teil 2 ...
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I'm not lovin' it: Werbeslogans in Muttersprache kommen besser an
Emotionale Reaktion bei deutschen Werbesprüchen höher als bei englischsprachigen

Englische Werbeslogans werden von deutschen Verbrauchern nicht nur nicht verstanden, sie kommen auch emotional nicht bei ihnen an. Diese Schlussfolgerung zieht zumindest eine Studie der Dortmunder Statistikerin Isabel Kick. Die Ergebnisse ihrer Diplomarbeit legen Marketingprofis nahe, bei Werbeslogans auch auf die Muttersprache zurückzugreifen, wenn eine emotionale Bindung an das Produkt erzielt werden soll.

"Ganz schön clever"

Die emotionale Reaktion auf Werbeslogans testete Kick durch das Messen der Veränderung des Hautwiderstandes beim Abspielen der Slogans. Das Prinzip ist dasselbe wie beim Lügendetektor. An 24 Probanden wurden zehn Slogans - fünf in englischer, fünf in deutscher Sprache - getestet. Auf der englischen Seite wurden die Slogans "Fly high, pay low", "Nothing between us", "Have a break, have a Kitkat", "Designed to make a difference" und "Come in and find out" getestet. Die deutschen Sprüche waren "Wir sind da", "Ganz schön clever", Wenn's um Geld geht", "Wohnst du noch oder lebst du schon" und "Geiz ist geil". In allen Fällen reagierten die Versuchspersonen unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Bildung stärker auf die deutschen als auf die englischen Slogans. Besonders deutlich war der Unterschied jedoch bei den Personen ohne Abitur: Bei ihnen fiel die Reaktion auf deutsche Werbesprüche doppelt so stark aus als auf englische Slogans.

Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine Studie des Beratungsunternehmens Endmark, wonach englischsprachige Slogans von deutschen Verbrauchern kaum richtig verstanden werden. (pte)
(derstandard.at; 09. August 2004)

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