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Wolkenschatten fliehen über Felder,
Blau umdunstet stehen ferne Wälder.
Kraniche,
die hoch die Luft durchpflügen,
Kommen schreiend an in Wanderzügen.
Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen,
Überall ein erstes Frühlingslärmen.
Lustig flattern, Mädchen, deine Bänder,
Kurzes Glück träumt durch die weiten Länder.
Kurzes Glück
schwamm
mit den Wolkenmassen,
Wollt' es halten, mußt' es schwimmen lassen.
(von Detlev von Liliencron)
Ein Frühlingsabend
Ein Strauch voll Larven; Abendföhn im März;
Ein toller Hund läuft durch ein ödes Feld
Durchs braune Dorf des Priesters Glocke schellt;
Ein kahler Baum krümmt sich in schwarzem Schmerz.
Im Schatten alter Dächer blutet Mais;
O Süße, die
der Spatzen Hunger stillt.
Durch das vergilbte Rohr bricht scheu ein Wild.
O Einsamstehn vor Wassern still und weiß.
Unsäglich ragt des Nußbaums Traumgestalt.
Den Freund erfreut der Knaben bäurisch Spiel.
Verfallene Hütten, abgelebt' Gefühl;
Die
Wolken wandern tief und schwarz geballt.
(von Georg Trakl)
Blumen
In märzentagen streuten wir die
samen
Wann unser herz noch einmal heftig litt
An wehen die vom toten jahre kamen
Am letzten kampf den eis und sonne stritt.
An schlanken stäbchen wollten wir
sie ziehen
Wir suchten ihnen reinen wasserquell ·
Wir wussten dass sie unterm licht gediehen
Und unter blicken liebevoll und hell.
Mit frohem fleisse wurden sie
begossen ·
Wir schauten zu den wolken forschend bang
Zusammen auf und harrten unverdrossen
Ob sich ein blatt entrollt ein trieb entsprang.
Wir haben in dem garten sie gepflückt
Und an den nachbarlichen weingeländen ·
Wir wandelten vom glanz der nacht entzückt
Und trugen sie in unsren kinderhänden.
(von Stefan George)
Volkslied
Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt,
er setzt seine Felder und Wiesen instand.
Er pflüget den Boden, er egget und sät,
und regt seine Hände von morgens bis spät.
Die Bäurin, der Bauer, die dürfen nicht ruh'n,
sie haben im Feld und im Garten zu tun.
Sie graben und rechen und singen ein Lied,
und freu'n sich wenn alles schön grünet und blüht.
So geht unter Arbeit das Frühjahr vorbei.
Dann erntet der Bauer das duftende Heu.
Er mäht das Getreide, dann drischt er es aus.
Im Winter da gibt es manch' fröhlichen Schmaus.
Horch, ein trautgeschwätz'ger Ton
dringt zu mir vom Wald hernieder.
Nisten in den Zweigen schon
die geliebten Amseln wieder?
Dort am Weg der weiße Streif -
Zweifelnd frag' ich mein Gemüte:
Ist's ein später Winterreif
oder erste Schlehenblüte?
(von Paul Heyse)
Freitag, den 1. März. - Um elf Uhr zehn Minuten morgens das
erste
Krokodil bemerkt, es lag auf dem Sand am Ufer. Bald sehen wir noch einige
andere unter den Sträuchern auf der Böschung zur Linken. Dem Reis liegt wenig
daran, uns landen zu lassen, weil "diese Gegenden" in schlechtem Rufe
stehen; es gibt ja viele Diebe. Ein und eine halbe Stunde jagen wir ohne
Ergebnis; die Krokodile schlüpfen und gleiten ins Gras.
Sonnabend, den 2. - In der Mitte des Tages sehen wir mehrere Krokodile auf der
Spitze eines Inselchens. Als die Canja näher kommt, gleiten sie ins Wasser, wie
große Schnecken. Wir gehen auf diesem Sandeiland eine Stunde umher, ohne etwas
zu finden. Am Ende des Eilands erlege ich einen kleinen Geier.
(Aus "Reisetagebuch aus Ägypten" von Gustave Flaubert)
11. März 1939
Zu Hause
Briefmarkenpsychose. Serjoshka sammelt jetzt Briefmarken in einem Album.
Ständig Jungs, Tauschgeschäfte, Käufe. Shenja mit Marken. Marken werden aus
Kuverts ausgeschnitten usw.
Anruf - ein Fräulein aus dem Schriftstellerklub, bittet Mischa "im
Auftrage des Präsidiums", zum großen Klubtag am 23. März etwas zu lesen.
In diesem Punkt waren Mischa und ich unterschiedlicher Meinung. Ich habe mich
gefreut und gedacht, der Auftritt würde Mischa nutzen.
Mischa hingegen meinte, das bringe nichts außer Ärger, er sträubte sich und
sagte, er wolle nicht lesen. Ihm fielen alle beleidigenden Worte ein, die man
ihm nach Lesungen vor Schriftstellern an den Kopf geworfen hatte.
Mischa hat heute Weressajew einen Brief geschickt, darin war der Text des
Vertrages zwischen ihnen beiden für das "Puschkin"-Stück.
Jawohl, Wikenti Wikentjewitsch [Weressajew] ist mit schuld daran, dass das
Stück gestorben ist - wegen seiner ausgiebigen Gespräche mit den
Puschkinforschern über die Fehler (die historischen), über den falschen
d'Anthès usw., wegen seiner Zänkereien mit Mischa. Und M. A. muss sich nun den
Kopf über die Vertragsbedingungen zerbrechen.
(Aus "Margarita und der Meister. Tagebücher, Erinnerungen" von Jelena Bulgakowa. Aus dem Russischen von Antje Leetz und Ottokar Nürnberg.)
Ein unverzichtbares Buch über den
Menschen und Dichter
Michail
Bulgakow. Die Frau, die das Vorbild der "Margarita" war, heiratete
den Schriftsteller 1932 und begleitete ihn bis zu seinem Tod 1940. Ihr
gemeinsames Leben hielt sie in ihren Tagebüchern fest, schilderte die
dramatischen Umstände, denen der verfemte Autor in Stalins Moskau ausgesetzt
war. Jelena Bulgakowas Aufzeichnungen sind ein sehr persönliches Dokument,
erhellend, erschütternd und voller Authentizität. (btb)
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und der Meister" bei amazon.de bestellen
Lieber Emerich!
Du bist vielleicht der Einzige, der meine Geschichte ganz verstehen, ganz glauben wird, denn es war ja das kleine Haus mit den düsteren Bäumen, in dem wir uns das erstemal trafen und die Hand drückten. Du kennst die schöne bleiche Frau mit dem offenen dunklen Haar und dem kranken Herzen, die in der Mondnacht mit geschlossenen Augen ein anderes wunderbares Leben lebt, Du weißt, daß nur die Decoration und die Staffage hie und da etwas verändert, daß jeder Zug in meiner Geschichte erlebt ist; Du erinnerst dich gewiß noch auf alles ebenso genau wie ich, auf die pelzbesetzte Sammetjacke, die abgegriffene Ausgabe des Faust und die kleinen braunen Fauteuils, und Du weißt auch, daß sie mit geschlossenen Lidern schärfer sah als wir mit unseren offenen Augen, daß sie Jedem gleichsam das Herz aus der Brust nahm und es lächelnd vorwies wie ein anatomisches Präparat! Du hast gewiß noch den lieben kindlichen Ton im Ohre, mit dem sie zu mir sprach, mit dem sie mir im tiefen somnambulen Schlafe ihre Schicksale erzählte, so klar, so fließend, so schalkhaft oft, so bis in das kleinste Detail lebendig und gegenwärtig, wie wenn sie dieselbe aus einem höchst trefflichen Buche herauslesen würde. Du allein wirst alles verstehen, alles, deßhalb schreibe ich Deinen Namen über diese Geschichte, die Dir ein herzlicher Gruß sein soll und eine wehmüthige Erinnerung.
Dein
Leopold
Graz, 12. März 1868.
Brief von Leopold von Sacher-Masow (27.1.1836-9.3.1895) an Emerich Grafen Stadion in Venedig
So verließ ich denn schon am 23. Februar 1865 Bremen, um über Paris, Marseille und Malta nach Tripolis zurückzukehren. Ich hatte das Glück, in Malta, wo man sonst oft wochenlang vergebens auf eine Gelegenheit nach Tripolis warten kann, guten Anschluß zu finden, und am 19. März betrat ich wieder afrikanischen Boden.
Es ist ein eigen Ding um das Unternehmen einer Reise ins Innere von Afrika. Große und luxuriös angelegte Reisen sind in diesem Land eher hemmend als nutzbringend. Zwar hat die elegant und aufs reichste ausgestattete Barthsche Expedition, die im Verein mit denen Vogels, Richardsons und Overwegs mindestens hunderttausend Taler kostete - ich erinnere nur an die Kutsche, an das Schiff, welches mitgeführt wurde, und an die kostbaren Geschenke - im ganzen sehr gute Resultate ergeben; aber diese Expedition zerlegte sich in verschiedene Reisen, die unabhängig voneinander ausgeführt wurden.
Mir bangte deshalb auch keinen Augenblick davor, im Besitz einer verhältnismäßig so geringen Geldsumme die weite Reise anzutreten. Hatte ich doch meine erste Reise ganz ohne Mittel unternommen und auf der zweiten, durch ein Gebiet, dessen Längenausdehnung ungefähr der Distanz zwischen Lissabon und Memel gleichkommt, nicht mehr als tausend Taler gebraucht. Was mir diesmal an Geld zur Verfügung stand, belief sich auf etwa zweieinhalbtausend Taler. Dreihundert Taler hatte mir der Bremer Senat bewilligt, 275 Taler betrug das Karl Ritter-Stipendium von Berlin; das übrige bekam ich teils aus Gotha aus dem zur Aufsuchung Vogels in Deutschland aufgebrachten Kapital, teils aus meiner Vaterstadt Bremen, wo man eine freiwillige Sammlung zu meinem Besten veranstaltet hatte. An den mit Vogels Namen verknüpften Geldern hafteten übrigens keinerlei beschränkende Bedingungen für mich, und auch sonst waren mir von keinem der Geber irgendwelche Verpflichtungen in bezug auf die Verwendung der Beträge auferlegt worden. Hinzufügen muß ich noch, daß die Londoner Geographische Gesellschaft, die mich schon einmal großmütig durch die Verleihung eines Stipendiums ausgezeichnet hatte, mir auch zu dieser Reise ein solches bewilligte.
(Aus "Quer durch Afrika. Die Erstdurchquerung der Sahara vom Mittelmeer zum Golf von Guinea 1865-1867" von Gerhard Rohlfs)
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