Eric-Emmanuel Schmitt: "Hotel zu den zwei Welten"
Ein
Drama, das sich mit einem außergewöhnlichen
philosophischen Moment beschäftigt
Der junge Julien Portal findet sich unvermittelt in einer Art Hotel
wieder. Hier trifft er den Magier Radschapur, den
Firmenpräsidenten Delbec, eine junge Putzfrau namens Marie und
zwei Bedienstete, deren Namen sich ständig zu ändern
scheinen. Er kann sich nicht daran erinnern, sich in diesem Hotel
eingemietet zu haben, und seine Gesprächspartner erscheinen
ihm über die Maßen merkwürdig. Unter
anderem warten sie auf einen gewissen Doktor S..., der den
Präsidenten nun wohl schon längere Zeit warten
lässt, was dieser absolut nicht gewohnt ist. Und als Doktor
S... kommt, wird auch noch Marie als Erste bedient.
Nach und nach machen die Gesprächspartner Julien klar, dass er
sich in einer Art Zwischenstation befindet, weil er in der richtigen
Welt nach einem schweren Autounfall im Koma liegt und es noch nicht
klar ist, ob er mit dem Aufzug des Hauses in den
Himmel oder
zurück auf die Erde fahren wird. Ähnliches wissen
auch seine Gesprächspartner zu berichten. Doch Julien will
dies zunächst gar nicht wahrhaben - und dann bezweifelt er,
dass am oberen Ende des Aufzuges irgendetwas ist. Überhaupt
ist ihm das ganze Leben sinnlos vorgekommen. Folglich ist er auch in
seiner neuen Situation ziemlich deprimiert. Als dann auch noch Marie
auffährt, ist er dem
Selbstmord nahe. Doch dann bringt der
Aufzug die junge Laura von der Erde herauf. Die Frau war schon
öfter im "Hotel zu den zwei Welten" und freut sich einfach
darüber, wieder da zu sein - wofür sie ihre ganz
eigenen Gründe hat.
Laura weckt die Lebenslust in dem jungen Julien, und auch die anderen
"Gäste" bleiben von ihrer auffallend lebensbejahenden
Anwesenheit nicht unberührt. Diese Bewegungen greifen sogar
auf das "Personal" über, das beginnt, sich über
einige alte Regeln hinwegzusetzen.
Es handelt sich insgesamt um ein Stück mit relativ simplem
Bühnenbild und überschaubarer Besetzung, das von
einer verspielten Sprache und allerlei philosophischen Gedanken
geprägt ist, ebenso unterhält wie belustigt und im
besten Fall zum Nachdenken anregt. Ein nettes kleines Drama.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2006)
Eric-Emmanuel
Schmitt: "Hotel zu den zwei Welten"
(Originaltitel "Hôtel des deux mondes")
Aus dem Französischen von Annette und Paul Bäcker.
Libelle Verlag, 2001. 102 Seiten.
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