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"Du hast ja keine Ahnung", klagte An Jia unter Tränen, "wie`s bei uns aussieht. Gerade, daß das Kind seine drei Mahlzeiten pro Tag kriegt. Wir Eltern müssen uns bei einer Mahlzeit um eine Portion streiten. Wer nicht schnell genug ist, geht leer aus. Ich hab nichts dagegen, daß er den Leuten in den Arsch kriecht, aber kann er sich dafür nicht jemand anders aussuchen? Der bißchen mehr Geld hat als ausgerechnet Partei und Regierung? Bei denen bringt das doch nichts ein."
Ich sprang auf. "Was willst du damit sagen?" schrie ich. "Hast du überhaupt keine Prinzipien mehr? Würdest du dich vielleicht bei den Guomindang-Leuten anwanzen, bloß weil sie dir Geld geben? Moral und Integrität von uns Intellektuellen bedeutet dir das gar nichts mehr?"
"Ihr habt ja beide recht", schaltete sich Fettmops Wu eilig wieder ein. "Alles meine Schuld, alles mein Fehler! Zufrieden? Ich bin ein Idiot, ich bin ein Unmensch! Und ihr seid alles unbescholtene, aufrechte Menschen, verdammt noch mal, lauter zu Unrecht Verfolgte!"
"Ich finde, wir sollten Fang Yan aus der Bredouille helfen", sagte Liu Huiyuan. "Losen wir doch! Jeder zieht ein Los und macht, was draufsteht. Da gibt`s keinen Streit, und da kann sich keiner drücken."
"Einverstanden! Richtig!" schlossen Yu Duang und Ding Xiaolu sich an.
Fünf Lose wurden gefaltet, eins für jede Stilrichtung. Liu Huiyuan nahm sie zwischen die hohlen Hände, schüttelte sie und ließ sie dann auf den Tisch fallen. Jeder griff sich ein Los und faltete es auf.
So und nicht anders begann die Große Umstrukturierung der Literaturszene.
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( aus "Oberchaoten" von Wang Shuo; aus dem Chinesischen von Ulrich Kautz)