Ángeles Mastretta: "Ehemänner!"

Erzählungen


Zweiundzwanzig fesselnde Kurzerzählungen der mexikanischen Erfolgsautorin

Worum, vielmehr um wen, es in den zweiundzwanzig Kurzerzählungen in Ángeles Mastrettas Buch geht, verrät bereits der Titel. Es sind aber nicht die Ehemänner allein, die im Buch porträtiert werden; unter Umständen fehlen sie sogar, etwa in der Geschichte, in der Dolores, eine gestandene, erfolgreiche Frau, plötzlich merkt, dass sie sich für ihr eigenes Geschlecht interessiert und nicht etwa für gar keines, wie sie ursprünglich dachte. Oder als die Mutter eines Achtzehnjährigen feststellt, dass es zwar modern sein mag, sich aus dem Liebesleben des Nachwuchses herauszuhalten, doch nicht immer zu dessen Besten.

Ehemänner, meistens nicht allzu gute, und Ehefrauen oder Geliebte, meistens stark genug für sie, finden in diesen Erzählungen zueinander oder, was häufiger vorkommt, trennen sich. Gelegentlich scheidet sie auch der Tod, wie bei Dominga Fez, die ihre Fähigkeiten erst entfalten kann, als der trunksüchtige Gatte unerwartet stirbt. Und als der Ehemann von Luz stirbt, sieht diese sich mit seinem letzten Wunsch konfrontiert, demzufolge auch seine Geliebte im Nachbardorf an der Beerdigung teilnehmen soll. Luz lässt dies gelassen zu und wundert sich über die echten Tränen der anderen Frau - sie selbst hat schon lange keine mehr.

Seitensprünge der Frau als Rache für Seitensprünge des Mannes, eine lange Affäre zwischen einer verheirateten Frau und einem Mann, der sich für sie scheiden lässt und dann feststellen muss, dass sie sich bei aller Liebe zu ihm nie von ihrer Familie trennen wird, einmal aber auch eine behutsame Wiederannäherung nach einer Scheidung, verursacht durch die schon wieder verflossene Geliebte des Exmannes.

Eine Liebe, die sich aufgrund einer unglücklichen Obsession der jungen Frau nicht erfüllen konnte, wird in reiferen Jahren wiederbelebt; eine andere Frau, von ihrem Mann betrogen, zieht mit ihrem schwulen Freund zusammen, den sein Geliebter für jemand Anderen verlassen hat.

Viele Geschichten also, und sie reihen sich wie Perlen an einer Kette schimmernd aneinander, jede kostbar, jede ein Unikat. Mastrettas Protagonisten stammen aus allen sozialen Milieus Mexikos, aus der Metropole oder vom Land, sind arm und einfach oder reich und gebildet, und auch alle Altersklassen vom jungen Erwachsenen bis zur Greisin sind präsent. Es überwiegen jedoch Charaktere in der Mitte des Lebens, zwischen vierzig und fünfzig, nicht mehr ganz jung, doch nicht vom alten Eisen.

Und fast immer geht es um die erotische Spannung zwischen Menschen, einmal zwischen den beiden, die in der Erzählung aktiv handeln, einmal zwischen dem Mann einer Protagonistin und einer ihr fremden Frau. Nie auch nur annähernd pornografisch und doch voller Eros, voller meist unerfüllter Sehnsüchte, ganz einfach "sexy" sind die Geschichten, und es ist vor allem die Sexualität reiferer Frauen, auf die Mastretta offen, doch behutsam, respektvoll eingeht. Um diese erotische Spannung, aktuelle und vergangene, baut sich das Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten, in dem Genuss und Schmerz dicht zusammenliegen und der Schmerz zu überwiegen droht - aber mancher der porträtierten Frauen gelingt die Befreiung und Selbstfindung außerhalb der Ehe, die sie für ihren Lebensinhalt hielt. Stark sind Mastrettas Frauen, während die Ehemänner doch eher als eitle Gockel in der Mittlebenskrise daherkommen, die zwanghaft nichtssagenden jüngeren Frauen nachjagen, oder, träge und selbstgefällig, nicht bemerken, wie sie zum Hahnrei werden; mancher ist doch immerhin ein schmückendes Accessoire seiner Frau. Selten kommt auch einmal die große Liebe vor, noch seltener jedoch in der Ehe.

Männerfeindlich wirkt das Buch dennoch nicht, sondern es zeigt vor allem Respekt vor der Frau, die selbstbewusst ihren Weg geht, akuter wie chronischer Seelenpein zum Trotz, die es zu überwinden gilt. Das gilt für die Maisköchin aus einem Elendsviertel von Mexiko-Stadt ebenso wie für die Akademikerin und Geschäftsfrau, die sich eine schöne Wohnung und ein schickes Auto leisten kann.

Mastretta erzählt fesselnd: romantisch und stimmungsvoll ohne jeglichen Kitsch, erotisch ohne Exhibitionismus, einfühlsam ohne lästige Längen, spannend, doch nicht atemlos. Man sollte die Geschichten einzeln genießen wie besonders köstliche Pralinen, um sie nachwirken zu lassen. Doch das fällt schwer; allzu gut sind sie geschrieben!

(Regina Károlyi; 08/2009)


Ángeles Mastretta: "Ehemänner! Erzählungen"
(Originaltitel "Maridos")
Aus dem Spanischen von Petra Strien.
Suhrkamp, 2009. ca. 220 Seiten.
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Ángeles Mastretta wurde 1949 in Puebla, Mexiko, geboren. Sie studierte Kommunikationswissenschaften an der Fakultät für Politik- und Sozialwissenschaften der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM), u.a. bei Juan Rulfo. Nach ihrer Promotion war sie bis 1985 als Redakteurin und Mitarbeiterin im Rundfunk, Fernsehen und bei verschiedenen mexikanischen Zeitschriften tätig.
Ángeles Mastretta widmete sich immer auch der schriftstellerischen Tätigkeit, deren Früchte sie nur zum Teil veröffentlichte, so 1975 ihren Gedichtband "La pájara pinta". Den Titel für ihren ersten Roman, der 1985 in Mexiko erschien, fand sie in dem zeitgenössischen Tango "Arráncame la vida" (dt. "Mexikanischer Tango", 1988) des mexikanischen Komponisten und Musikers Agustín Lara. Für diesen Roman erhielt sie im selben Jahr den hochangesehenen Literaturpreis "Premio Mazatlán", der vor ihr u.a. an Octavio Paz, Juan Rulfo, Elena Poniatowska und Isabel Allende verliehen wurde. 1990 folgte die Veröffentlichung ihres dritten Buches "Mujeres de ojos grandes" (dt. "Frauen mit großen Augen", 1992).
Für ihren zweiten Roman, "Mal de Amores" (1996, dt. "Emilia", 1998), für den sie 1997 als erste Frau mit dem bedeutendsten Literaturpreis Lateinamerikas, dem "Rómulo-Gallegos-Preis", ausgezeichnet wurde. Angeles Mastretta lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Journalisten Héctor Aguilar Camín, in Mexiko-Stadt.

Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):

"Emilia"

Wie Márquez in "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" erzählt Angeles Mastretta eine Liebesgeschichte, die ihren Ursprung in der lateinamerikanischen Kultur hat. (Suhrkamp)
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"Frauen mit großen Augen"
"Alle träumten von Cuba, vor allem diejenigen, die nicht das Glück gehabt hatten, hinüberzureisen." Der junge Manuel, aus einem galicischen Dorf stammend, hat dieses Glück: Als er 1916 in Havanna eintrifft, muss er jedoch feststellen, dass Cuba nicht das tropische Schlaraffenland seiner Träume ist. Wechselndes Glück begleitet seine Versuche, sich als Kohleverkäufer oder Trambahnfahrer eine Existenz aufzubauen, ebenso wie seine Beziehungen zum anderen Geschlecht. Von Heimweh geplagt, kehrt er in sein Dorf zurück, kämpft auf der Seite der Republikaner gegen Francos Truppen - und entscheidet sich schließlich doch wieder für Cuba, denn: "Havanna ist fröhlich, trotz allem." (Suhrkamp)
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Weitere Lektüretipps zum Bereich Mexiko:

Octavio Paz: "Das Labyrinth der Einsamkeit"

Octavio Paz' berühmter Essay "Das Labyrinth der Einsamkeit", bereits 1950 erschienen, "ist das immer noch wichtigste Werk zum Verständnis Mexikos, dieses kastilischen Volkes mit aztekischen Streifen". Für Paz sind die Mexikaner sowohl Spanier wie auch Indianer, wenn sie auch weder von den Einen noch von den Anderen abstammen wollen. Mit der Ablehnung ihrer Vergangenheit verneinen die Mexikaner sich selbst: "Sie werden zu Söhnen des Nichts und beginnen in sich selbst."
Octavio Paz wurde am 31. März 1914 in Mexiko-Stadt geboren. Die Familie Paz ist indianischer und spanischer Abstammung. Der Großvater galt als herausragende Figur des mexikanischen Liberalismus, und der Vater war Mitarbeiter des Sozialrevolutionärs Zapata. Im Alter von 17 Jahren war er Mitbegründer einer literarischen Zeitschrift und begann gleichzeitig zu publizieren. Im Laufe der Zeit erschienen zahlreiche Zeitschriften unter seiner Leitung. Nach seinem Jura- und Philosophiestudium arbeitete als Lehrer und engagierte sich politisch. 1944/45 hielt er sich als Guggenheim-Stipendiat in San Francisco und New York auf. 1946 trat er in den Auswärtigen Dienst Mexikos ein und wurde nach Paris entsandt. Dort begegnete er André Breton und arbeitete an surrealistischen Publikationen mit. 1962 wurde er zum Botschafter in Neu-Delhi ernannt. Dieses Amt legte er 1968 aus Protest gegen das Massaker an demonstrierenden Studenten in Mexiko-Stadt nieder. Ab dieser Zeit lehrte als Gastprofessor in den USA. Im Jahr 1971 kehrte er nach Mexiko zurück, wo er, unterbrochen von Lehrtätigkeiten an nordamerikanischen Universitäten, bis zu seinem Tod am 20. April 1998 lebte.
In seinem berühmtesten Essay "Das Labyrinth der Einsamkeit" analysiert er den Komplex verschiedener Kulturen in Lateinamerika. Sein Gesamtwerk wurde 1990 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. (Suhrkamp)
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Carlos Fuentes: "Alle glücklichen Familien"

Carlos Fuentes hat mit "Alle glücklichen Familien" ein Porträt seines Landes im 21. Jahrhundert entworfen, ironisch, schonungslos und von makelloser sprachlicher Schönheit.
"Familien, ich verachte euch!", soll André Gide gesagt haben. Die Familie als Keimzelle des Unglücks, davon erzählt Carlos Fuentes in "Alle glücklichen Familien".
Sechzehn Erzählungen, die um die Abgründe wissen, die hinter der Fassade respektabler Wohlanständigkeit lauern. Da demütigt ein ehrgeiziger Sohn seinen bereits gedemütigten Vater, nur um die eigene Karriere nicht zu gefährden. Eine Frau wird von ihrem Mann gequält und zu Hause gefangengehalten. Ein anderer hat die schöne Tochter einer gutsituierten Familie geheiratet und betrügt sie mit einer unattraktiven Cousine. Ein Vater, General der Armee, muss den eigenen Sohn gefangen nehmen.
Vielstimmig erzählt Carlos Fuentes vom privaten Unglück, das sich ausweitet zu einem universellen, dort, wo die Verwerfungen der mexikanischen Gesellschaft jene ausgrenzen, die keine Fürsprecher haben. Ihnen verleiht Carlos Fuentes in einem sprachmächtigen Fresko einzelner "Chöre" eine Stimme, die ein polyphones Bild des gegenwärtigen Mexiko entwirft.
Carlos Fuentes, am 11. November 1928 in Panama geboren, studierte Jura und schlug zunächst die diplomatische Laufbahn ein, um sich dann vor allem dem Schreiben und der Literatur zuzuwenden. In den 1970er-Jahren war er mexikanischer Botschafter in Paris, lehrte in Harvard und lebte in den USA. 1987 erhielt Carlos Fuentes die höchste Auszeichnung der spanischsprachigen Welt: den "Cervantes-Preis". 2008 wurde ihm der "Premio Internacional Don Quijote de la Mancha" verliehen. (S. Fischer)
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Gabriel Trujillo Muñoz: "Tijuana Blues"
Miguel Ángel Morgado treibt sich im Vorhof der Hölle herum: im Norden Mexikos, in Baja California, wo die Erste auf die Dritte Welt prallt. Wo auf beiden Seiten der Grenze die Korruption blüht, wo die Geheimdienste ihre schmutzigen Spiele spielen, wo nackte Gewalt herrscht. Und wo die Beatniks einst glaubten, ihr gelobtes Land gefunden zu haben. Morgado, der eigentlich Anwalt für Menschenrechte ist, kann das Chaos nicht aufräumen, aber hin und wieder für ein bisschen Gerechtigkeit sorgen, die mit Legalität nicht unbedingt zu tun haben muss.
Gabriel Trujillo Muñoz definiert die mexikanische Kriminalliteratur inmitten von Hitze, Staub und grandioser Landschaft neu: farbenfroh, kräftig und mit neuem Blick auf eine heiße Region, die mehr ist als nur eine Grenze zwischen zwei Staaten.
Gabriel Trujillo Muñoz, geboren 1958 in Mexicali im Norden Mexikos, war ursprünglich Chirurg und hat heute eine Professur in Kommunikationswissenschaften an der Universidad Autónoma de Baja California inne. Als Schriftsteller gilt er als Vertreter der "frontera", als "die Stimme der Baja". (Unionsverlag)
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Ignacio Padilla: "Schatten ohne Namen"
"Schatten ohne Namen" ist ein atemberaubender Roman, der die Frage nach der Bedeutung von Identität und Integrität in Zeiten totalitärer Herrschaft stellt. Vor dem Hintergrund der beiden Weltkriege entsteht aus unterschiedlichen Perspektiven eine kollektive Erzählstimme, die die Geschwindigkeit einer Detektivgeschichte hat und zugleich der Banalität des Grauens ein neues Gesicht verleiht.
Mitten im Ersten Weltkrieg spielen Viktor Kretzschmar und Thadeus Dreyer bei einer Zugfahrt an die Grenze des Habsburgerreiches eine Partie Schach. Der Gewinner wird Kretzschmars Identität als Weichensteller in der Provinz annehmen, der Verlierer sieht seinem vermeintlich sicheren Tod an der Ostfront entgegen. Als ein Mann namens Thadeus Dreyer Jahre später auf Franz Kretzschmar trifft, den Sohn seines einstigen Gegners, ist er ein hochdekorierter Kriegsheld und verantwortlich für ein Doppelgängerprogramm, das dazu dient, ranghohe Nazis bei riskanten öffentlichen Auftritten zu vertreten. "Schatten ohne Namen" verfolgt die ineinander verwobenen Schicksale der Protagonisten über mehrere Jahrzehnte und über die halbe Welt hinweg. Am Ende ist niemand mehr der, der er gewesen zu sein schien.
Ignacio Padilla, geboren 1968 in Mexiko-Stadt, war bis 2003 Kulturattaché an der mexikanischen Botschaft in London und leitet heute die Nationalbibliothek in Mexiko-Stadt. Seit 1990 veröffentlicht er Romane und Essays. Sein Werk wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet und in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzt. Für den internationalen Erfolgstitel "Schatten ohne Namen" wurde er mit dem prestigeträchtigen "Premio Primavera de Novela" ausgezeichnet. Die französische Zeitschrift "LIRE" zählt ihn zu den fünfzig wichtigsten Autoren für das 21. Jahrhundert. (Tropen / Klett-Cotta)
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Klaus-Jörg Ruhl, Laura Ibarra García: "Kleine Geschichte Mexikos. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart"
Für alle, die sich für die Geschichte Mexikos interessieren, für seine sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen, bietet der vorliegende Band auf knappem Raum einen fundierten Überblick. Die Autoren, die in Mexiko leben, schildern die indianischen Hochkulturen - die Menschen, ihre Religion und ihre Rituale, ihre Städte, ihre Kunstwerke bis zur Zerstörung durch die Konquistadoren, allen voran Hernán Cortés. In einem weiteren großen Kapitel gehen sie ausführlich auf die Kolonialzeit ein und setzen sich ebenso intensiv mit den Umbrüchen im 19. Jahrhundert und der Geburt des modernen Mexiko im 20. Jahrhundert auseinander. (C.H. Beck)
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Markus Degen: "Nationale Identitäten im Diskurs: Mexiko. Von der Unabhängigkeit bis zur Gegenwart"
Der Autor begibt sich auf die Suche nach einer positiven Antwort auf die Frage nach den mexikanischen nationalen Identitäten, ihren Inhalten und ihren Geschichten. Jede Nation, sei sie jetzt in ein staatliches Gebilde eingefasst oder nicht, tendiert dazu, Diskurse über die eigene Identität zu produzieren. Die prinzipielle Frage ist, ob manche Nationen "natürlicher" sind als andere, da sie etwa in ihrem Diskurs über scheinbar objektive Charakteristika (wie etwa eigene Sprache, lang bewohntes Territorium; hier kommt die Raum-Zeit Komponente zum Tragen) verfügen und andere nicht, oder ob gar diese essenziellen Charakteristika primordial als Basis für eine kollektive Identität vorhanden sein müssen. Eine andere These besagt, dass alle Nationen oder kollektive Identitäten das Produkt von Konstruktionsprozessen sind. Die Unterscheidung liegt dann nicht zwischen mehr oder weniger authentischen kollektiven Identitäten, sondern in der Art und Weise, wie der Konstruktionsprozess abläuft. Die gewählte Methodik ist die der Diskursanalyse. Daher werden zuerst Begrifflichkeiten wie "Identität", "Nation", "Ethnie" und "Volk" einer genauen Analyse ihrer Bedeutungen unterzogen.
Anschließend werden die drei Phasen (Unabhängigkeit, Revolution, Aufstand der Zapatisten 1994), die hinsichtlich des Aufbaus der mexikanischen nationalen Identität(en) entscheidend waren, dem Leser vorgestellt. In allen Phasen gilt es - der Diskurstheorie folgend - zu klären, wer, wo, was, wann, warum gesagt hat, denn hinter Diskursen stehen Menschen mit Interessen, die letztendlich auch die materiellen Möglichkeiten besitzen müssen, um diese umzusetzen. Dort wo es sinnvoll erscheint, wird einen Vergleich zur Identitätskonstruktion in Österreich angestellt. (Praesens Verlag)
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Erika Bestenreiner: "Charlotte von Mexiko. Triumph und Tragödie einer Kaiserin"
Voller Spannung und Dramatik erzählt Erika Bestenreiner die Geschichte der Charlotte von Mexiko, die durch fatale Selbstüberschätzung und Ehrgeiz zum Spielball der politischen Mächte wurde und auf tragische Weise scheiterte.
Charlotte von Belgien (1840-1927) ist gerade 16 Jahre alt, als sie sich Hals über Kopf in Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich (1832-1867) verliebt und ihm ohne zu zögern ihr Jawort gibt. Doch die ebenso schöne wie selbstbewusste Prinzessin will mehr als nur repräsentative Pflichten bei Hofe erfüllen: Als Napoleon III. Maximilian die Kaiserkrone von Mexiko anbietet, überredet sie ihn, den Thron anzunehmen und sich auf die Reise in die fremde Neue Welt zu begeben. Ein modernes, aufgeklärtes und liberales Kaisertum wollen die neuen Herrscher begründen - in einem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land, in dem Armut und Unterdrückung herrschen. Das abenteuerliche Unterfangen sollte für Maximilian und Charlotte grausam enden. (Piper)
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"Reise nach Mexiko. Geschichten fürs Handgepäck"
Schneebedeckte Vulkane, Palmenstrände, tropischer Dschungel - schon die geografische Vielfalt macht deutlich: Mexiko ist ein Land der Kontraste. Die indigene Kultur der Mayas, Aztekenruinen und gelebte Spiritualität treffen auf die urbane Gegenwart der Riesenmetropole Ciudad de México. Diese Destination ist viel mehr als Tequila, Mariachi und Telenovelas: Auch Armut, Migration und der unermüdliche Kampf der Zapatisten sind Teil der Realität, die den Reisenden erwartet.
Über 200 Chilisorten wachsen auf mexikanischem Boden - eine ebenso scharfe und abwechslungsreiche Mixtur aus Geschichten hält dieser Band bereit. (Unionsverlag)
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Leseprobe:

Alles oder nichts

Da konnte einen schon die Wut packen, denn nachdem man sich dermaßen geliebt hatte und immer wieder auf andere Art, war es ein Jammer, jetzt, nach den zweihundert Jahren, die sie sich bereits kannten, auseinanderzugehen, einfach so.
Von zweihundert Jahren sprach sie, da sie mit der Zeit zu der Überzeugung gelangt war, dass es so sein musste. In ihrem eigenwilligen Glauben an das Absolute bediente sie sich aus allen ihr zur Verfügung stehenden Religionen, und die Sache mit den mehreren Leben, den jungen und den alten Seelen, hatte ihr auf Anhieb gefallen, weil es sich anhörte wie eine aus silbernen Fäden gesponnene Wahrheit.
Nichts ließ sie an dem Glauben zweifeln, dass sie sich schon zu lange kannten, um sich noch zu erinnern, seit wann genau. Sicherlich, so vermutete sie, waren sie sich zum ersten Mal im Jahr 1754 begegnet, vielleicht in Valencia, und ein weiteres Mal oder viele weitere Male im Laufe des 19. Jahrhunderts, mitten in einem Krieg oder auf einem Ball, doch ihre Begegnung im Jahr 1967 auf einer Treppe unmittelbar im Zentrum von Puebla hatte den letzten Ausschlag gegeben, und zwar mit glücklichem Ausgang, obwohl es auch diesmal, wie schon so manches Mal, um ein Haar ein schlechtes Ende genommen hätte.
Wer weiß schon, warum das Leben ausgerechnet solchen Menschen ein Bein stellt, die von außen gesehen gar nicht anders können, als für den Rest ihres Lebens ein Paar zu bleiben; aber manchmal geschieht es, wie gesagt, und dann trauern nicht nur die beiden, sondern die ganze Welt wird merklich einen Hauch trauriger.
Im 20. Jahrhundert wurden Ana García und Juan Icaza, große Namen jener kleinen Stadt, in dem Moment zum Paar, als besagte Treppe sie mit ihrem magischen Zauber belegte. Ana befand sich auf dem Weg hinauf, und er kam von oben herunter, als die Luft zwischen ihnen von dem Geruch unter ihren Kleidern gestreift wurde. Sie trug ein weißes Kleid, denn es war heiß. Er hielt in der Hand einen Cordobeser Hut, mit dem er jeden glauben machte, er sei auf dem Weg zum oder vom Stierplatz.
Zu jener Zeit war es dort noch Sitte, dass die Männer den Frauen den Hof machten, und dafür brauchte er gerade mal eine halbe Minute. Er fragte sie, ob sie die Tochter ihres Vaters sei, und erklärte ihr, er stelle den Zwirn her, mit dem der gute Señor seine Stoffe webe. Und dann fügte er noch hinzu, sie erinnere ihn an eine Friedenstaube, woraufhin sie ihm lächelnd entgegnete, die Tauben befänden sich doch ständig im Krieg, immerhin gebe es keinen Platz, keinen Glockenturm, der das Gegenteil beweise, und einer Frau in Weiß sei ohnehin nie über den Weg zu trauen.
Sie hatte die alte Weisheit, nach der Ironie bei Männern nicht ankommt, vergessen und sich zu ebensolcher hinreißen lassen. Fortan sollte ihre Beziehung ihre Hochs und Tiefs erleben, sooft Ana das Unabänderliche mit Spott bedachte. Das galt etwa für Juans Selbstverliebtheit, seine Geschwätzigkeit, seine maßlose Eitelkeit und die Tatsache, dass man ihm den notorischen Trinker ansah.
Eine Zeitlang waren sie ein Paar. Eines von denen, die sich noch vor der Haustür verabschieden, wo ihr Rendezvous eigentlich erst richtig hätte beginnen sollen.
Einmal ging er nach solch einem Abschied mit seinen Freunden noch einen trinken, und aus dem Umtrunk wurde im Nu ein Techtelmechtel mit einer Rothaarigen. Am nächsten Morgen erwachte die halbe Stadt zu dem Getuschel, Icaza habe mit einer Gringa getanzt, die an ihm geklebt habe wie eine Briefmarke.
"Ich war doch betrunken", entschuldigte er sich.
"Umso schlimmer", sagte Ana und löste sich aus der Umarmung, die kaum eine gewesen war.
An jenem Morgen und an den dreißig folgenden stand Juan singend unter Anas Balkon, und während sie sich taub stellte, bedauerte der Rest ihrer Familie, es nicht zu sein. Begleitet wurde er von einem Mariachi, der alle Lieder von vorne bis hinten auswendig kannte, in denen an irgendeiner Stelle eine undankbare Taube besungen wird. Ganz zu schweigen von der schwarzen Taube oder der geliebten Taube, derjenigen, die sich am Fenster niederlässt, oder einer anderen, die niemals kommt, der Taube, in deren Armen man die nie erträumte Liebe erfahren hat, derjenigen, die sehr wohl weiß, dass es ihn zerstören wird, sollte sie je den Glauben an ihn verlieren.
Doch sosehr sie sich auch die Kehle aus dem Leib sangen, weder der Mariachi noch die Tauben und am allerwenigsten Juan fanden Pardon. (...)

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