"Maya. Gottkönige im Regenwald"


Zeugnisse einer untergegangenen Hochkultur, die einst mitten im Dschungel von Yucatan blühte, liefert der Bildband in großer Fülle. Zahlreiche Abbildungen, von einfacher Gebrauchskeramik bis zu den gewaltigen Stufenpyramiden, die wie Symbole der Ewigkeit über die Wipfel des Urwalds emporragen, schmücken das Buch, erfreuen das Auge des Betrachters, fordern seine Vorstellungskraft und führen ihn zurück in eine Welt, die längst nicht mehr war, als die spanischen Eroberer nach Amerika kamen.

Der Text dazu bietet eine umfangreiche Einführung in viele Bereiche wie Geschichte, Gesellschaft, Kunst, Astronomie und Religion der alten Maya, und widmet auch ihren Nachfahren, die sich unter weniger als dürftigen Lebensbedingungen in einem Jahrhunderte langen Kampf um mehr Rechte mit der Regierung des jeweiligen mittelamerikanischen Landes, Mexiko, Guatemala, Belize, befinden, ein paar Seiten. Besteht schon allgemein erhebliche Schwierigkeit sich nichtwestlichen nichtmehrexistenten Kulturen zu nähern, so ist eine Annäherung bei den Maya noch viel schwieriger, denn, auch darauf weist das Buch hin, dank spanischer Feuerexorzismen ist kaum etwas Schriftliches auf uns gekommen (das Popol Vuh, welches heute als das Maya-Buch gilt, stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts), und diese Schrift ist teilweise noch nicht entschlüsselt, von der Bedeutung ganz zu schweigen. Hat also die Archäologie im Zuge der Maya-Forschung schon einige gröbere Irrtümer begangen, fügt das Buch keine weiteren hinzu, sondern beschränkt sich dankenswerterweise unter häufiger Quellenangabe darauf verschiedene Theorien und Mutmaßungen (zum Beispiel über das Rätsel ohne ersichtlichen Grund völlig aufgegebener Städte) wiederzugeben, über diese mag der Leser sich seine eigene Meinung bilden oder sie für bare Münze nehmen.

Bare Münze sind jedenfalls die Bilder. Sei es die wahrlich als klassisch zu bezeichnende Architektur, die kunstvolle Mischschrift, ein Wandgemälde, das Gefangene darstellt, denen gerade die Fingernägel gezogen worden sind (?), aus alledem spricht eine große wie seltsame (manchmal wohl auch ins Morbide gehende) Schönheit. Sich von dieser berühren zu lassen, sich in die alten Symbole und Formen zu vertiefen und Bedeutung in ihnen zu entdecken, dazu dient dieses Buch in hohem Maße.

(fritz; 03/2001)


"Maya. Gottkönige im Regenwald"
Hrsg. Nikolai Grube.
Ullmann/Tandem. 480 Seiten.
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hier die Faksimile-Seiten aus dem Codex Dresdensis, einer der vier überlieferten Maya-Handschriften, wahrscheinlich aus dem frühen 13. Jahrhundert
hier der Codex Grolier
der Codex Paris
ein paar Seiten aus dem Codex Madrid

Weitere Buchtipps:

Nikolai Grube, Marie Gaida: "Die Maya. Schrift und Kunst"

Herausgegeben von Claus Pelling, Marie Luise Zarnitz, Staatliche Museen zu Berlin.
Auf den Spuren eines Mythos.
Die Maya-Forschung hat seit Entschlüsselung der phonetischen Hieroglyphenschrift eine rasante Entwicklung vollzogen. Zahlreiche Texte wurden übersetzt und ermöglichen heute den Wissenschaftlern, die Kultur der Maya in ungeahnter Weise bis ins Detail zu verstehen: Ein Großteil der Geschichte dieses Volkes, das in unzähligen Kleinstaaten lebte, wird rekonstruiert. Feindschaften und Allianzen der einzelnen Staaten, religiöse Vorstellungen und das Alltagsleben der Menschen können nachvollzogen und analysiert werden.
Die Maya-Sammlung des Ethnologischen Museums in Berlin ist durch Neuerwerbungen und Schenkungen so beträchtlich gewachsen, dass nun mit diesem Band eine umfassende Neudarstellung vorgelegt wird. In spannenden Texten zu den verschiedenen Ausstellungsstücken enträtseln die Autoren, Marie Gaida und Nikolai Grube, die Geschichte und Lebensweise des sagenumwobenen Volkes, geben Einblicke in die Herstellung von Keramik und analysieren die Bildwelten auf den Artefakten. Hervorragende Aufnahmen der einzelnen Exponate geben dem Betrachter einen Eindruck von der Kunstfertigkeit der Maya und der Komplexität ihrer hoch entwickelten Kultur. Ein Buch für alle, die das Geheimnis einer fremden und untergegangenen Kultur entdecken wollen. (DuMont Buchverlag)
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Maria Longhena: "Sprechende Steine. 200 Schriftzeichen der Maya - die Entschlüsselung ihrer Geheimnisse"
Um die Mayakultur zu verstehen, muss man durch ein Labyrinth aus faszinierenden und mysteriösen Zeichen finden. Zeichen, die noch vor nicht allzu ferner Zeit als undeutbar galten, werden in diesem Buch einfach und verständlich erklärt und entschlüsselt, bereichert durch viele Informationen zu Astronomie, Kalender, Religion und Ritualen. (Marixverlag)
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Berthold Riese: "Die Maya. Geschichte, Kultur, Religion"
Wissenschaftler haben erst in den vergangenen Jahrzehnten die politische Geschichte der Maya und ihre Religion mit den oft blutigen Ritualen entschlüsselt. Nichts mehr von der angeblich friedlichen und beschaulichen Geschichte dieser Indianer, wie sie die frühere Forschung hat glauben machen wollen, hat Bestand. Die Einzelschicksale der Herrscher mit Kriegsberichten, Totenfeiern und schmerzhafter Selbstkasteiung sprechen eine ganz andere Sprache; diese Biografien sind heute bis in kleine Einzelheiten durchleuchtet und erforscht. Im Mittelpunkt des Buches steht die politische und kulturelle Entwicklung der Maya und die Darstellung der Dynastien der bedeutenden Stadtstaaten von Tikal, Yaxchilán, Copán und Palenque anhand der bildlichen und hieroglyphenschriftlichen Quellen. (C.H. Beck)
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Diego de Landa: "Bericht aus Yucatán"
Der Franziskanermönch Diego de Landa, der etwa 30 Jahre auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán lebte, verfasste 1566 diese Chronik, in der er Lebensweise, Sitten und Bräuche der Maya schildert und ihre Schrift, ihre Zeitrechnung und ihre Bauwerke beschreibt. Diego de Landa war maßgeblich an der Zerstörung der Maya-Kultur beteiligt. Auch wenn er wenig für die fremde Kultur übrig hatte, ist sein Bericht aus Yucatán noch heute ein zentrales Werk zum Verständnis der Maya.

Leseprobe:
Die Indios haben sehr vergnügliche Unterhaltungen und vor allem Komödianten, die mit großer Anmut spielen, was so weit geht, dass diese sich Spanier mieten, damit sie die Späße über diejenigen Spanier sehen, die mit ihren Mädchen vorbeikommen, über die Ehemänner oder über sie selbst, über gute oder schlechte Diener, und hierauf stellen sie dies so kunstfertig wie genau dar. Sie haben kleine Trommeln, die sie mit der Hand schlagen, und eine weitere, aus einem hohlen Baumstamm hergestellte Trommel, die dumpf und traurig klingt und die sie mit einem länglichen Stab schlagen, dessen Spitze sie mit dem Milchsaft eines Baums bedeckt haben; und sie haben große und dünne Trompeten aus hohlen Baumstämmen, an deren Ende lange und gekrümmte Kalebassen angebracht sind; sie haben ein weiteres Musikinstrument aus der Schale einer ganzen Schildkröte, nachdem man das Fleisch herausgelöst hat, schlägt man mit der Handfläche auf die Schale, was einen düsteren und traurigen Klang ergibt. Sie haben Pfeifen aus den Röhrenknochen von Hirschen, große Schneckentrompeten und Rohrflöten, und mit diesen Instrumenten spielen sie den Tanzenden auf.
Vor allem haben sie zwei Tänze, die ganz allein für Männer und sehr sehenswert sind. Der eine ist ein Spiel wie das Ringelstechen, und deshalb nennen sie es Colomché, was ebendies bedeutet. Hierfür findet sich ein großer Kreis von Tänzern zusammen, wozu Musik erklingt, und in deren Takt treten zwei aus dem Kreis heraus: Der eine trägt ein Bündel Wurfpfeile und tanzt mit ihnen in aufrechter Haltung; der andere tanzt hockend, wobei beide dem Takt des Kreises folgen; und der eine schießt die Wurfpfeile mit ganzer Kraft auf den anderen ab, während dieser sie sehr geschickt mit einem kleinen Holzstab abfängt. Nachdem alle Pfeile verschossen sind, tanzen sie dem Takt folgend in den Kreis zurück, und andere treten heraus, um das gleiche zu tun. An einem anderen Tanz sind ungefähr achthundert Indios beteiligt, die Fähnchen tragen und den Klängen einer kriegerischen Musik mit langen Schritten folgen, wobei es unter ihnen nicht einen gibt, der aus dem Takt kommt; und in ihren Tänzen sind sie schwerfällig, weil sie den ganzen Tag unablässig tanzen, und selbst mit Essen und Trinken versorgt man sie während des Tanzes. Es war nicht üblich, dass die Männer mit den Frauen tanzten.
Die Handwerker unter den Indios waren Töpfer und Zimmerleute, die viel verdienten, da sie die Götzenbilder aus Ton und Holz herstellten, wobei sie zahlreiche Fastenzeiten und andere Zeremonien einhielten. Es gab auch Wundärzte oder, besser gesagt, Zauberer, die mit Kräutern und vielen abergläubischen Handlungen heilten; und so war es auch bei allen übrigen Handwerken. Das Gewerbe, für das sie die größte Vorliebe zeigten, war der Handel; die Kaufleute brachten Salz, Kleidung und Sklaven in das Gebiet von Ulúa und Tabasco und tauschten alles gegen Kakao und Steinkügelchen ein, die ihr Geld waren, und damit kauften sie gewöhnlich Sklaven oder andere Steinkügelchen, weil diese von ausgesucht guter Qualität waren, und die Häuptlinge trugen sie als Juwelen bei den Festen; als Geld und Juwelen für ihren persönlichen Gebrauch hatten sie auch weitere, die aus gewissen roten Muschelschalen hergestellt waren, diese trugen sie in ihren geknüpften Beuteln bei sich; und auf den Märkten handelten sie mit allem, was es in diesem Land gab. Sie borgten, verliehen und bezahlten höflich und ohne Wucherzinsen. Mehr als alle übrigen waren die Bauern und jene, die den Mais und die anderen Feldfrüchte ernten; diese bewahren sie in sehr schönen Kornspeichern und Scheuern auf, um sie zu einer günstigen Zeit verkaufen zu können. Ihre Maultiere und Ochsen sind die Menschen. Gewöhnlich säen sie für jeden Ehemann und seine Frau ein Feldmaß von vierhundert Fuß, das sie hum uinic nennen und das mit der Elle zu zwanzig Fuß in der Breite und in der Länge ausgemessen wird.
Die Indios haben die gute Sitte, sich bei all ihren Arbeiten gegenseitig zu unterstützen. Während der Aussaat schließen sich diejenigen, die hierzu keine eigenen Leute haben, in Gruppen von ungefähr zwanzig Mann zusammen, und sie leisten gemeinsam, ihrem Maß und Anteil entsprechend, die Feldarbeit für alle; sie hören nicht eher auf, bis sie ihre Pflicht allen gegenüber erfüllt haben. Die Ländereien sind zunächst gemeinschaftliches Eigentum, und darum wird derjenige, der sich ihrer als erster bemächtigt, ihr Besitzer. Sie säen auf vielen auseinanderliegenden Feldern, damit, wenn eines keinen Ertrag bringt, das andere dies ersetzen kann. Wenn sie den Boden bestellen, säubern sie ihn lediglich von Unrat, den sie verbrennen, und hierauf säen sie; von Mitte Januar bis zum April bereiten sie das Land vor, und wenn der Regen beginnt, bringen sie die Saat in den Boden; hierfür tragen sie einen kleinen Sack auf dem Rücken, und mit einem spitzen Stock graben sie ein Loch in die Erde, sie legen fünf oder sechs Körner hinein, die sie mit demselben Stock zuschütten. Ein erstaunlicher Anblick ist, wie die Pflanzen sprießen, sobald es regnet. Auch für die Jagd schließen sie sich in Gruppen von ungefähr fünfzig Mann zusammen, und das Hirschfleisch braten sie auf einem Rost, damit es ihnen nicht verdirbt; wenn sie in den Ort zurückgekehrt sind, geben sie dem Häuptling einen Teil als Geschenk, und (den Rest) teilen sie freundschaftlich unter sich auf. Das gleiche machen sie beim Fischfang. (Reclam)
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