Gefastet wurde im Mittelalter an drei Tagen in der Woche, dann vier Wochen vor Weihnachten sowie von Aschermittwoch bis Ostern (nochmals sieben Wochen). In ganz argen Zeiten sollen sogar bis zu zweihundert Fastentage pro Jahr angesetzt worden sein. Und zeitweise fielen auch noch alle tierischen Erzeugnisse, d.h. auch Milch, Butter, Käse und Schweinefett unters Fastenverbot.
   Da Benedikt (von Nursia; 6. Jh.) allerdings nur vom Fleisch vierfüßiger Tiere sprach, entbrannte sogleich ein Streit darüber, welche Tiere dazugehörten und welche nicht. Der Streit dauerte Jahrhunderte und die diesbezüglichen Traktate waren schon bald weit umfangreicher als die Benediktsregel selbst. Schnell und gerne einigte man sich darauf, dass das Huhn nicht unter dieses Verbot zu stellen sei: Erstens war es zweibeinig und zweitens hatte Gott, wie der damalige Abt des Klosters Fulda bemerkte,
Vögel und Fische am gleichen Tag erschaffen. Daraus wurde geschlossen, dass die Vögel ursprünglich auch aus dem Wasser kämen und wie Fische betrachtet werden könnten. Auch Thomas von Aquin, als Vielesser bekannt und Urheber des Bonmots "Dicke Männer sind klüger", griff in diesen Disput ein und erhob bestimmte Wasservögel in den Stand der Fische, damit er sie essen durfte. So wurde der Fastenspeisezettel elegant um die Vögel erweitert, und ohne große Mühe gelang es fantasievollen Mönchen auch noch den Biber auf die Liste zu nehmen, "da er doch ähnlich den Fischen einen schuppigen Schwanz hätte."
   Im übrigen entwickelten die klösterlichen Meisterköche eine ungeheure Fantasie und Meisterschaft, um z.B. aus einem (erlaubten) Hecht einen (nicht erlaubten) Hirschbraten zu machen. Oder aus einem Weißfisch Speck! Aber auch der umgekehrte Vorgang diente dazu, die Fastenregeln zu umgehen, ohne dass dabei das Gewissen allzu stark belastet werden musste: Da wurde schlicht ein (verbotenes) Spanferkel in Form eines (erlaubten) Karpfens serviert oder ein als Fisch getarnter Schweinskopf. (...)

 

   (...) Was aber sollen wir uns unter einer mittelalterlichen Schlemmerei vorstellen? Die Klosterchronik von Canterbury schildert uns ein Gelage, das 1308 im Kloster des heiligen Augustinus stattfand:
Dafür wurden gebraucht: 36 Ochsen, 100 große Schweine, 200 kleine Schweine, 200 Hammel, 1000 Gänse, 973 Kapaune, 24 Schwäne, 600 Hasen, 16 große, lange Bretter mit geröstetem Wildschwein, 4000 Eier, weiter große Mengen an Gewürzen, Mandeln, Süßigkeiten, dazu 11 000 Liter Wein und 15 000 Liter Bier. Selbst wenn man bedenkt, dass dies alles für 6000 Gäste berechnet war, macht dies pro Kopf immer noch die beeindruckende Menge von rund 5 Kilogramm Fleisch und 5 Litern alkoholischen Getränekn.


Aus "Hildegard von Bingen. Rezepte für Leib und Seele" von Eve Landis. AT Verlag, 1998. 144 Seiten. ISBN 3-85502-629-7. ca. EUR 17,38.
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