Horst Eckert: "Schwarzer Schwan"


Der Begriff "Schwarzer Schwan" hat viele Bedeutungen. So bezeichnet er die Albernheit, Unwirklichkeiten feststellen zu wollen in der Wissenschaft - es kann nur so lange behauptet werden, dass es keine schwarzen Schwäne gibt, bis man welche findet -, es ist der Titel eines vielbeachteten Spielfilms über eine junge und ambitionierte Balletttänzerin, und es ist die Bezeichnung eines mehr oder minder erwarteten Einbruchs der Finanzmärkte durch ständige Übervergabe von nicht abgesicherten Krediten.
Im vorliegenden Fall geht es, wie bei Horst Eckert nicht anders zu erwarten, um Letzteres.


In Düsseldorf wird in einem ausgebrannten Auto die Leiche eines jungen Mannes gefunden. Ein Loch in seinem Schädel lässt über die Todesursache relativ wenige Vermutungen offen.
Lothar Mierscheid, ein politischer Hinterbänkler mit Stützpunkt Neuss, möchte sich in Düsseldorf mit einer alten Flamme treffen, die ihn in einer wichtigen Sache um Rat fragen will. Bei einem kurzen Aufeinandertreffen einige Tage zuvor hatte sie sich ihm gegenüber in einem Theater in Berlin beziehungsmäßig ziemlich offen gezeigt. Doch dann hört man Schüsse auf den Düsseldorfer Straßen, und Lothar findet seine alte Freundin Paula Busch in ihrem eigenen Blut liegend. Was immer sie Lothar hatte mitteilen wollen, scheint nun verschollen zu sein.

Dominik Roth, seines Zeichens Kripomann, der nach einer unglücklich verlaufenen Schießerei nur noch intern an Betrugssachen arbeitet, versucht sich in die "KK11" einzubringen. Als er in den Fall des verbrannten Mannes einbezogen wird, prescht er darum schnell voran und erzielt so bei der ehemaligen Lebensgefährtin des Ermordeten Ergebnisse. Offensichtlich hatten die beiden Dauerpraktikanten versucht, durch Diebstahl von Mobilrechnern an erpressungsrelevante Dateien zu kommen, um so ihr mageres Einkommen aufzubessern.  Und direkt der erste "Otto", wie die Zwei ihre Opfer nannten, hat das Problem sehr endgültig gelöst. Allerdings hatte der Verstorbene zwar den Mobilrechner dabei, vorher aber eine Menge Material ausgedruckt. Darunter befand sich auch Observationsmaterial zu Paula Busch sowie zu einer anderen jungen Frau, die Dominik bei der wochenendlichen Schwarzarbeit in einer Detektei selbst observiert hatte. Nun wird dieser Fall - und die Vertuschung bestimmter Zusammenhänge - für ihn geradezu lebenswichtig.

Die observierte junge Dame ist Hanna Kaul, die in der Kreditnehmer-Akquise der "Rheinbank AG" arbeitet, wo sie gerade einige Unregelmäßigkeiten gefunden hat.  Der Versuch, einen Reporter einzuschalten, schlägt fehl, und als auch noch ihre während ihres Urlaubs bei ihr lebende Nichte Leonie verschwindet und nur ein verbeultes Fahrrad und ein teures  Mobiltelefon auf der Straße zurücklässt, gerät sie in Panik, die ein hilfreicher Dominik Roth nur begrenzt eindämmen kann. Beide wissen nicht, dass hinter diesen Geschehnissen mit dem Finanz- und Energiemarkt verbundene Verschwörungen stecken, die ihre metaphorischen Finger bis in die Sphäre der Kanzlerin strecken.

Wie gewohnt, gibt es auch in diesem "Roth"-Roman keine strahlenden Heldinnen oder Helden - außer vielleicht die entführte Nichte -, weil alle Akteure auch immer kompromisslos ihre eigenen Interessen verfolgen und dabei immer wieder gern die Moral in den Hintergrund schieben. Dadurch fühlt sich die Lektüre dieses ziemlich beladenen Romans unangenehm realistisch an, und aufgrund seiner sehr tagesaktuellen Bezüge zur Finanzkrise und zur Energiediskussion bekommt der Leser nicht umsonst das Gefühl, einige Verwicklungen in der bundesdeutschen Realität zu verfolgen.

Fazit:
Sehr spannend, interessant und auch etwas verstörend.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2011)


Horst Eckert: "Schwarzer Schwan"
Grafit, 2011. 383 Seiten.
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