Peter Braun: "Der Fluch des Goldes"
Deutsche Eroberer und der Schatz des El Dorado
Segen
statt Fluch, Kartoffeln
statt Gold!
Um etwaigen Missverständnissen gleich vorzubeugen: Beim "Fluch
des Goldes"
handelt es sich keineswegs um einen Abenteuerroman. Es ist
überhaupt kein
Roman, denn es fehlen dem Buch die Lebendigkeit der wörtlichen
Rede sowie noch
andere wichtige Kriterien für einen Roman. "Der Fluch des
Goldes" ist
der in lockerem Stil gehaltene Bericht über eine Handvoll
deutscher und
spanischer Eroberer auf der Suche nach dem legendären El
Dorado. Doch Peter
Brauns Bericht ist eher nüchtern als mitreißend,
beinahe trocken wie ein
Schulbuch.
Der Autor holt weit aus, geht weit zurück in die Geschichte,
bevor er zu seinem
eigentlichen Thema kommt. Von Marco Polo über Heinrich dem
Seefahrer bis zu
Kolumbus, von der Jagd nach wertvollen Spezereien und Sklaven bis hin
zur Jagd
nach dem Gold schildert er die Entwicklung und die
Hintergründe des
Goldrausches, der in Mittel- und Südamerika eskalierte und zu
einem wahren
Blutrausch wurde. Fünfunddreißig Seiten sind allein
den Reisen des Christoph
Kolumbus gewidmet und der Rivalität zwischen den beiden
Seefahrernationen
Spanien und Portugal, einer Rivalität, die Kolumbus geschickt
für seine Pläne
auszunutzen verstand. Dann folgt die Schilderung der Eroberung Mexikos
durch
Cortez sowie die Unterwerfung des Inkareiches durch Pizarro, wobei es
bis heute
rätselhaft geblieben ist, warum der Aztekenherrscher Montezuma
und Atahualpa,
sein Pendant bei den Inkas, ihre gewaltige Übermacht nicht
konsequent
eingesetzt haben, um das verlorene Häuflein der Spanier
sogleich nach dem
Eindringen in ihr Herrschaftsgebiet zu vernichten. War es nur die
Legende von
den Weißen Göttern, die sie letztendlich davon
abhielt?
Der zweite Teil des Buches befasst sich dann mit der Geschichte der
deutschen
Conquistadoren und deren Suche nach dem sagenhaften Goldland El Dorado.
Im
Auftrag der Welserschen Handelsgesellschaft, die dem in Geldnot
befindlichen
spanischen Königshaus gewisse Rechte an deren
überseeischen Besitzungen
abgekauft hatte, segelten deutsche Siedler und Abenteurer unter der
Führung
Ambrosius Alfingers nach Venezuela, um dort Glück und Reichtum
zu finden.
Alfingers Erlebnisse sowie die seiner Mitstreiter und Nachfolger wie
beispielsweise Nikolaus Federmann sind also Gegenstand der zweiten
Hälfte des
Buches. Diese bis heute weitgehend unbekannt gebliebenen Expeditionen
hatten natürlich
mit derselben Unbill zu kämpfen wie alle anderen, die damals
dort unterwegs
waren: Hunger, Malaria, einer unwirtlichen Natur, feindlich gesinnten
Eingeborenen. Federmann schrieb sogar ein Buch über seine
Eroberungs- und
Entdeckungsreise, "Indianische Historia", in welchem er recht
überzeugende
Darstellungen des Landes, seiner Natur und seiner Bewohner lieferte.
Die Goldgier dieser Eroberer machte anscheinend vor nichts halt, wobei
die
deutschen Abenteurer den spanischen Conquistadoren, was unmenschliche
Härte
oder gar Bestialität anging, in nichts nachstanden. Aus etwas
anderem Holz
geschnitzt war lediglich Philipp von Hutten, ebenfalls ein wagemutiger
Haudegen,
doch wohl ohne die menschenverachtende Brutalität Alfingers
und Federmanns.
Hutten war chronologisch gesehen der letzte dieser deutschen Eroberer.
Aber wie
schon seine Vorgänger scheiterte auch er, und mit seinem Tod
mussten die Welser
all ihre Hoffnungen, in der Neuen Welt zu Ruhm und Gold zu gelangen,
endgültig
begraben.
Es gab noch eine Reihe anderer deutscher Eroberer, auch sie werden von
Peter
Braun beiläufig erwähnt, ihre Namen sind heute der
Vergessenheit anheim
gefallen. Sie alle jagten dem letztendlich für sie
verderblichen Gold nach,
zollten dabei den unwahrscheinlichsten Geschichten der Eingeborenen
Glauben, die
sich oft einen Spaß daraus machten, ihre Drangsalierer
bewusst in die Irre zu führen.
Und stets eilten die Gerüchte dem schneckenhaften
Voranschreiten der Spanier
und Welser voraus. Der alles beherrschende Stern, unter dem ihre
Mission stand,
war das Gold. Für die Eingeborenen aber war es ein
Unstern, denn er
brachte Tod und Terror über sie. Die weißen
Usurpatoren hatten kein Verständnis
für die Vorstellungswelt der indianischen Ureinwohner,
versuchten nicht einmal,
in diese fremde Gedankenwelt einzudringen.
Krieg, Mord und Totschlag sowie Folter, und das alles wegen des Goldes;
die Kartoffel
aber achtlos liegen gelassen. Und doch war es letztlich die Kartoffel,
die Segen
brachte, das Gold hingegen brachte Fluch, den bis in unsere Tage
nachwirkenden
"Fluch des Goldes". Nur scheint heute das Öl an die Stelle des
Goldes
getreten zu sein. Und bald wird es vermutlich das Brot sein oder die
Handvoll
Reis für das tägliche Überleben oder ... die
Kartoffel.
Peter Braun richtet zum Schluss noch einmal den Blick in die Gegenwart
und in
die nähere Vergangenheit. Viele derer, die auf den Spuren der
ersten Eroberer
wandelten, so schreibt er, kamen bei ihrer Suche nach den verschollenen
Goldschätzen
auf mysteriöse Art und Weise ums Leben. Das erinnert irgendwie
an den "Fluch
des Pharao". Dann kramt der Autor noch in einem vermeintlichen
Geheimnis,
dem Geheimnis der sagenhaften "Weißen Stadt" inmitten des
Amazonas-Dschungels. Noch niemand hat sie gefunden. Aber wie will sich
diese
angeblich sogar heute noch bewohnte "Weiße Stadt" im
Zeitalter von
Waldrodung, Satellitenaufklärung und "Google Earth"
eigentlich
verbergen? Das ist mehr als schleierhaft.
Die Geschichten, die Peter Braun in seinem Buch zum Besten gibt, sind
schon oft
erzählt worden. Nur die Namen von Hutten, Federmann und
Alfinger sind neu oder
nicht so geläufig. Damit lockt man aber keinen Jugendlichen
hinter seinem
Computer weg. Trotzdem ist das Buch nicht uninteressant und durchaus
lesenswert.
(Werner Fletcher; 03/2008)
Peter
Braun: "Der Fluch des Goldes.
Deutsche Eroberer und der Schatz des El Dorado"
Bloomsbury, 2008. 214 Seiten. (Ab 12 J.)
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Peter
Braun, geboren1960, ist
Buchautor und freier Journalist.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Von Taugenichts bis Steppenwolf. Eine etwas andere Literaturgeschichte"
Warum täuschte Lessing bei der Premiere von "Emilia
Galotti" Zahnweh vor? Weshalb musste Karl May immer wieder ins
Gefängnis?
Und wie wurde aus dem Schulversager Hermann Hesse der geachtete
Nobelpreisträger?
Literatur ist Leben und ihre Geschichte voll von
Überraschungen und Kuriositäten,
vom Lebensglück und Lebensleid der Schriftsteller, von
überschwänglichen
Leidenschaften
und seltsamen Marotten. Höchste Zeit also, unsere Dichter vom
Sockel zu holen
und vom Staub der Geschichte zu befreien. Peter Braun erzählt
von ebenso
tragischen wie komischen, von skurrilen wie spannenden Episoden aus
deutschem
Dichteralltag und eröffnet damit auf unterhaltsame Weise den
Zugang zu den
bedeutendsten Werken der deutschsprachigen Literatur. Das Buch ist
nicht nur
eine fesselnde Reise durch die literarischen Epochen der letzten zwei
Jahrhunderte, sondern auch Anregung, die besprochenen Texte neu und
wieder zu
entdecken. (Bloomsbury Berlin) Zur
Hörbuchrezension ...
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"Dichterhäuser"
Goethe wohnte erst bescheiden in seinem Gartenhaus an der Ilm, dann
großzügig
am Weimarer Frauenplan, Thomas Mann galt als "hartnäckiger
Villenbesitzer",
Hermann Hesse liebte seine Gärten im schweizerischen
Montagnola. Heute sind
diese Dichterhäuser, in denen die Vergangenheit noch
spürbar ist,
Anziehungspunkt für Tausende von Besuchern.
In diesem liebevoll bebilderten Band spürt Peter Braun den
Lebensgeschichten
bedeutender Dichter an den Orten nach, die sie inspirierten und die sie
prägten.
Kurz, pointiert und spannend erzählt er etwa von Jean Paul,
der in Bayreuth
sein langjähriges Domizil hatte und seinen Verehrerinnen
Locken seines Pudels
schickte, um sein eigenes Haupthaar zu schonen, oder von dem Boxfan Bertolt
Brecht, der in Berlin inmitten von Biedermöbeln
lebte.
Auch geht er so geheimnisvollen Fragen nach wie: Lagen in Schillers
Schreibtisch
zur Beflügelung der Fantasie wirklich faulende Äpfel?
Trug Justinus Kerner
eine Hornbrille zum Schutz gegen Gewitter?
Dichterhäusern von Husum bis Salzburg wird so Leben
eingehaucht, Biografie und
Genius Loci verbinden sich aufs Trefflichste.
Folgende Dichter und ihre Häuser werden beschrieben: Johann
Wolfgang Goethe in
Weimar, Friedrich
Schiller
in Weimar, Bert Brecht in Berlin, Theodor Storm in Husum, Thomas Mann
in Lübeck,
Annette von Droste-Hülshoff in Münster, Christian
Dietrich Grabbe in Detmold, E.T.A.
Hoffmann in Bamberg, Jean Paul in Bayreuth, Marieluise
Fleißer in
Ingolstadt, Justinus Kerner in Weinsberg, Friedrich Hölderlin
in Tübingen,
Hermann Hesse in Montagnola, Georg
Trakl in Salzburg. (dtv)
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"Schiller,
Tod und Teufel. Rede des
Herrn von G. vor einem Totenschädel"
War Goethe schuld an Schillers Tod? Eine ungewöhnliche
Perspektive und ein
erstklassiges Lesevergnügen. Schillers Leben und Sterben als
spannender Monolog
Goethes.
"Nacht. Ein weiß gestrichenes Zimmer. Ein Vorhang
vor einem Fenster.
Eine geschlossene Tür, darin eine Klappe. Auf seinen Knien
wiegt er ein blaues
Samtkissen. Darauf ein Schädel mit einer alten
Perücke. Er singt vor sich hin:
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod."
Ein alter Mann vor Schillers Schädel, der einem
unsichtbaren Schreiber
seine Erinnerungen an Friedrich Schiller diktiert. Freundschaft und
Feindschaft
dringen herauf und liefern den Stoff für ein
persönliches Drama durch alle Höhen
und Tiefen menschlicher Empfindungen: Nähe und Hochachtung,
Neid und Verschmähung,
Liebe und Hass. Während der Alte - ist es Goethe? - einmal
schwärmerisch, einmal
schmerzbewegt Schillers Leben Revue passieren lässt,
reflektiert er zugleich
seine eigene Rolle in diesem Drama, das erst mit Schillers Tod endet.
Die Tapeten
nämlich, die er bezahlt hatte, die grünen
arsenhaltigen Tapeten in Schillers
Arbeitszimmer - waren sie Grund für Schillers qualvolles
Ableben? Eine alte
Legende wird lebendig. (Artemis & Winkler)
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