Karl May: "Der Schatz im Silbersee"

(Hörspielrezension)


Karl May lebt! Und das ist gut so!

Die Frage ist nur, wie er lebt. Es gibt zahlreiche Neuauflagen in Druck- oder Audioform - abgesehen von einigen eigenartigen deutsch-jugoslawischen Verfilmungen - bei denen das Herz des junggebliebenen Abenteuerfans teils heftig schlug, teils stecken blieb. Der wahre Karl-May-Liebhaber hat die Gesammelten Werke in der "Ungekürzten Volksausgabe" von Ueberreuter gelesen. Freilich gibt es von diversen Verlagen mehr oder weniger geglückte Audio-Versionen (vgl. etwa Echo). Bisher unwidersprochen gilt die "Silbersee"-Lesung von Gerd Westphal, die in 4 CDs vorliegt.

Das hier zu würdigende Produkt ist eine Neuauflage von 1955, als der WDR erstmals diese kurios-spannende Geschichte sendete. Für Karl-May-Romane braucht es eigentlich und grundsätzlich keine Reklame - wobei neuere Verlagsprodukte eventuell Aufmerksamkeitsschübe verdienen. Hier nun jagen Jürgen "Winnetou" Goslar und Heinz "Firehand" Schimmelpfennig und Kurt "Shatterhand" Lieck den Schurken Colonel Brinkley. Wir alle wissen mittlerweilen, dass der Schatz sich sozusagen selbst schützt. Aber wie schützt sich ein Roman aus dem 19. Jahrhundert vor späteren Neufassungen?!

Der eigenartige Bruch ist, dass als Rahmenhandlung sozusagen der Sohn von Tante Droll irgendwelchen Rotzlöffeln die Geschichte erzählt. Das ist die Kardinalfrage: Muss denn ein eigentlich spannender Stoff noch "spannender" gemacht werden, indem irgendwelche "aktuelle" Kinderkramelemente integriert werden? Oh lasset den Stoff doch für sich selbst wirken!

Der Roman spielt ca. 1870 im sogenannten Wilden Westen. Mit Old Firehand, Old Shatterhand, Winnetou und Tante Droll werden eine Menge guter Helden aufgeboten, um den Umtrieben des bösen Helden Colonel Brinkley Einhalt zu gebieten. Viele Karl-May-Fans mögen noch die Verfilmung von 1962 kennen, zu der man ein ähnlich zwiespältiges Verhältnis haben muss wie zu dieser Hörspielfassung. Kann man hören, kann man sehen - muss man aber nicht. Das Original lesen ist (wie in den allermeisten Fällen) allemal besser und empfehlenswert!
Dass es von dem Schweizer Komponisten Othmar Schoeck auch eine Opernfassung (1898) gibt, sei als Kuriosität hier noch vermerkt. Ach ja , Vorsicht beim Anhören im Auto: Die Aufnahmequalität ist offensichtlich auf dem Stand von 1955 belassen worden, Lautstärkeschwankungen lassen einen hin und wieder zusammenzucken.

(KS; 03/2006)


Karl May: "Der Schatz im Silbersee"
Random House Audio, 2006. 4 CDs, Laufzeit ca. 280 Minuten.
Sprecher: Heinz Schimmelpfennig, Jürgen Goslar, Kurt Meister, Kurt Lieck u.v.A.
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Weitere Hör- und Lesetipps:

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Rüdiger Schaper: "Karl May. Untertan, Hochstapler, Übermensch"
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In seinen visionären Werken hat er die Bild- und Erzähltechnik des Kinos vorweggenommen, er war der literarische Popstar des Wilhelminischen Zeitalters. Bis heute liegt die geschätzte Weltauflage seiner Bücher bei 200 Millionen.
Rüdiger Schaper beschreibt die dornenreiche Karriere eines Unterprivilegierten aus einer bettelarmen Familie, der im Gefängnis zu schreiben begann und in späten Jahren zum pazifistischen Visionär mutierte. In seiner Biografie stellt er Karl Mays Person und Werk gleichermaßen in ein neues Licht und gibt ihm damit einen Platz in der Weltliteratur. Ein wunderschönes Buch über Triumph und Tragik des Mannes mit der Silberbüchse, dem es um eine heile Welt ging, in der das Gute siegt. (Siedler Verlag)
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Christian Heermann: "Winnetous Blutsbruder. Karl-May-Biografie"
Die Biografie behandelt sachkundig, ausführlich und detailreich das Leben des großen Abenteuerschriftstellers, das so spannend und ungewöhnlich war wie seine besten Romane. Die Forschung hat in jüngerer Zeit eine Riesenfülle neuer Erkenntnisse über Mays Leben und Werk erbracht und konnte so manchen weißen Fleck in der Vita des Schriftstellers tilgen. Viele wissenswerte Neuigkeiten rund um Karl May werden dem Leser hier erstmals vorgetragen - etwa die tatsächlichen Vorfälle, die ihn seine erste Stellung als Lehrer kosteten, oder die Frage, was er seinerzeit über die Lage der Indianer konkret wissen konnte. (Karl-May-Verlag)
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Helmut Schmiedt: "Karl May oder Die Macht der Phantasie"
Am 30. März 1912 stirbt in Radebeul Karl Friedrich May - Lehrer, Kleinkrimineller und Schöpfer unsterblicher Gestalten wie Winnetou, Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi. Zum 100. Todestag des großen deutschen Romanciers hat der Germanist Helmut Schmiedt, stellvertretender Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft e.V., eine spannende Biografie geschrieben.
Helmut Schmiedt gelingt es, in seiner Lebensbeschreibung Karl Mays zu zeigen, wie dem Jungen, der in elende Verhältnisse einer Weberfamilie am Rande des Erzgebirges hineingeboren wurde, allein die Fantasie einen Weg aus der ihn umgebenden, materiell wie geistig beengten Umwelt weist - freilich nicht, ohne erheblich mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. May resozialisiert sich selbst als Schriftsteller, dessen Fantasie nicht nur ihm selbst, sondern auch seinen immer zahlreicheren Lesern neue, bessere - und in der Eindeutigkeit ihrer Werte auch beherrschbarere - Welten erstehen lässt als jene, die sie in der Realität umgibt.
Stets sind es die Werke, an denen entlang Schmiedt den Lebensweg Karl Mays abschreitet und seine geistige, literarische und gesellschaftliche Entwicklung darstellt. So dient diese reich bebilderte Biografie dem Karl-May-Einsteiger als Wegweiser zu wunderbaren Neuentdeckungen, dem Karl-May-Liebhaber als Treffpunkt mit "alten Freunden", die er noch besser kennenlernen wird. (C.H. Beck)
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Lien: Karl-May-Gesellschaft