Bertolt Brecht: "An die Nachgeborenen"

(Hörbuchrezension)


Brecht'sche Schmankerl

Zu hören gibt es hier Originalaufnahmen aus den Jahren 1929-1956: Pretiosen vom Meister Brecht selbst - 'An die Nachgeborenen', 'Moritat von Macki Messer' - sowie Dokumentarmaterial mit Brecht - u.a. seine Vernehmung 1947 vor dem amerikanischen Kongressausschuss zur Untersuchung "unamerikanischer Aktivitäten", wo Brecht eindeutig aussagt: "I am not and I was never a member of the Communist Party" (dt. "Ich bin es nicht und war niemals Mitglied der Kommunistischen Partei") - und die Stimmen u.a. von Therese Giehse, Lotte Lenya, Fritz Kortner, Carola Neher und Helene Weigel.

Dazu gibt es die Hörspiele 'Heilige Johanna der Schlachthöfe' und 'Der Ozeanflug' - wobei man noch einmal registriert, wie genial-engagiert ersteres und wie eigentlich aufgemotzt-banal zweiteres ist. Auch Brecht hatte nicht nur Höhepunkte in seinem Schaffensprozess - aber man hat hier Gelegenheit in Tondokumente hineinzuhören, in denen er sich zu Politik, Philosophie, Dramen und Inszenierungsweisen äußert. Seiner Meinung nach muss ein Regisseur ein Stück so auf die Bühne bringen, wie es das Volk nötig hat. Dabei denkt Brecht natürlich an die gesellschaftliche und die politische Praxis im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit. Denn in der Realität muss eben die Moral vor dem Fressen kommen (vgl. 'Dreigroschenoper') - was auch in oben zitiertem 'Johanna'-Hörspiel deutlich zum Ausdruck kommt. Es sind immer wieder die materiellen Benachteiligungen, die Brecht umtreiben und ihn überlegen lassen, wie er dazu eine adäquate Inszenierungsmethode entwickeln kann.

Die vorliegende Edition zum 50. Todestag Brechts ehrt den Begründer des Epischen Theaters und einflussreichen Lyriker und Theoretiker. Auch schwer zugängliche Rede- und Gesprächsbeiträge Brechts sind hier dokumentiert, u.a. seine Rede anlässlich der Entgegennahme des Stalin-Friedenspreises (Moskau 1955), die ihn noch naiv-gläubig der Sowjetunion verfallen zeigt - oder seine Rede beim IV Schriftstellerkongress der DDR, wo er schon kritischere Töne anschlägt.

An sich ist es müßig, über Brechts herausragende Position in der modernen Literatur zu referieren - das Animierende am vorliegenden Projekt ist wohl, dass man hier Tondokumente von historischer Authentizität beisammen hat - echte Brecht'sche Schmankerl - die man sich sonst mühsam zusammensuchen müsste. Und dass Brecht neben Goethe unser zweiter Olympier ist, sollte außer Frage sein. Jedenfalls sind diese CDs ein Muss für Brechtianer und solche, die es werden sollten.

(KS; 10/2006)


Bertolt Brecht: "An die Nachgeborenen"
Der Hörverlag, 2006. 2 CDs mit Begleitheft, Spieldauer ca. 146 Minuten.
Sprecher: Bertolt Brecht, Helene Weigel, Hanns Eisler, Fritz Kortner, Carola Neher, u.a.
Regie: Ernst Hardt, u.a.
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