Thomas Seifert, Klaus Werner: "Schwarzbuch Öl"

Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld


Das schmutzige Geschäft mit dem schwarzen Gold

Dass es beim Irak-Krieg allenfalls nebenbei um die Terrorismusbekämpfung ging, haben in Westeuropa die meisten politisch interessierten Menschen vermutet. Und der Irak ist nur ein Beispiel von vielen: Geht es um die wertvolle Ressource Erdöl, so zählen Menschenleben wenig.

Thomas Seifert und Klaus Werner entwirren in ihrem Schwarzbuch die Fäden, aus denen das überaus lukrative und auf den ersten Blick schwer durchschaubare Geschäft mit dem Öl gewoben ist. Sie stützen sich auf eine Vielzahl zumeist gut zugänglicher und aktueller Quellen (Internet!), stellen also nicht etwa Behauptungen auf. Dennoch fühlt man sich immer wieder an Handlungsfäden von John Grisham erinnert, und so spannend wie ein Wirtschaftsthriller liest sich das "Schwarzbuch Öl" auch.

Zunächst führen die Autoren Größen rund ums Erdöl auf, etwa den globalen Verbrauch, die Ladungskapazität von modernen Tankern, die Transportkosten.
Ein weiteres Kapitel widmet sich der Entstehung des Kartells namens OPEC und zeigt auf, wie diese Organisation funktioniert (Preispolitik über Förderquoten) - oder auch nicht. Sehr interessant ist auch das Kapitel, in dem es darum geht, wie mit Öl und Ölprodukten an der Börse spekuliert wird.
Der Machtpoker und die Kriege in den Ölfördergebieten beanspruchen naturgemäß einen längeren Abschnitt des Buchs: Dazu gehören die geschichtlichen Hintergründe der "Ölfördergeschichte" rund um den persischen Golf, wozu indirekt auch der 11. September 2001 und der Krieg in Afghanistan zählen; Libyens Diktator Gaddafi ist eine schillernde Figur im Öl-Business, und nicht nur neuerdings schwelt es im Kaukasus und am Kaspischen Meer, weil Russland um seinen Einfluss und seine Petro-Dollars fürchtet.
Die Autoren erzählen die Geschichte um den russischen Yukos-Konzern nach und erklären "Zar Putins" Ölpolitik, wobei sie nicht vergessen, auf Deutschlands gefährliche Abhängigkeit von Russlands Gas und Öl hinzuweisen.
Da in den Förderländern ein erheblicher Teil der Erlöse aus dem Ölgeschäft in militärische Investitionen fließt, sind Öl- und Waffengeschäft eng verflochten. Öl ist zudem ein häufiger Anreiz für von außen angezettelte Putschversuche, wenn ein Diktator außer Kontrolle seiner Ölkundschaft gerät.
Schlüssig und anhand von Fallbeispielen vollziehen Seifert und Werner nach, wie es in fast allen Öl exportierenden Ländern zu einem erschreckenden Komplex aus Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Diktatur, Unterentwicklung, Überschuldung und Bürgerkrieg gekommen ist, und warum die USA und Norwegen, selbst Ölexporteure, diesem Dilemma entgehen konnten.
Ausführlich gehen die Autoren zudem auf den Raubbau an der Natur in Südamerika (Ecuador!) ein, der zusammen mit maßloser Umweltverschmutzung und völliger Missachtung jeglicher Menschenrechte zur weiteren Verarmung der indigenen Bevölkerung führt.
Ein wichtiges Kapitel widmet sich der Entwicklung in China, dessen Energiebedarf doppelt so schnell wächst wie seine massiv expandierende Wirtschaft, was zu einer bedrohlichen Konkurrenz ums Öl mit den USA führt.
Längerfristig müssen wir uns vom Öl lösen, denn derzeit dürfte die Hälfte der globalen abbauwürdigen Ressourcen erschöpft sein. Für Autos bieten sich als realistische Brennstoffalternativen ein Treibstoff aus umgewandelter Biomasse an (daran arbeitet VW) oder aber Wasserstoff; diese Technik bedarf jedoch noch einer umfassenden Optimierung.
Im Epilog legen Seifert und Werner dar, wie der Konsument durch sein Kaufverhalten zu einem geringeren Ölverbrauch beitragen kann, etwa durch Bevorzugung von Lebensmitteln aus der Region, nicht aus Übersee. (Die Autoren fordern den Kauf von Öko-Waren aus der Region - wie auf diese Weise der Lebensmittelbedarf in Ländern mit hoher Bevölkerungsdichte wie Deutschland gedeckt werden soll, bleibt etwas unklar.)
Im Anschluss werden die wichtigsten Ölkonzerne mitsamt ihren wirtschaftlichen und politischen Aktionen vorgestellt. Auch hier besticht die Vielzahl an ganz aktuellen Quellen und Internetlinks. Eine abschließende Lektüreliste bietet reichlich Anregungen zur Vertiefung.

Das "Schwarzbuch Öl" ist trotz seines Anspruchs als wertvolles Sachbuch spannend verfasst; der Leser kennt viele der erwähnten Ereignisse, wird aber von deren Vorgeschichte oftmals überrascht sein. Hinter diesem Buch steckt eine enorme Rechercheleistung, die man ausdrücklich würdigen muss. Erfreulich ist auch die generell auf Fakten basierende Einschätzung künftiger Entwicklungen - fast ohne utopistische Elemente, wie man sie in vielen themenverwandten Büchern findet.
Das Buch verweist auf Entwicklungen in Österreich und Deutschland und wird somit Lesern aus beiden Ländern gerecht.
Etwas unangenehm berührten mich beim Lesen lediglich eine gewisse Konjunktivfeindlichkeit und andere gelegentliche Ungenauigkeiten beim Korrektorat.

Fazit: Wer sich für globale Wirtschaftspolitik und jüngere Geschichte interessiert, wird in diesem Buch eine Fülle packend dargebotener, aktueller Informationen finden.

(Regina Károlyi; 10/2005)


Thomas Seifert, Klaus Werner: "Schwarzbuch Öl"
Deuticke im Zsolnay Verlag, 2005. 319 Seiten.
ISBN 3-552-06023-5.
Buch bei Libri.de bestellen
Buch bei amazon.de bestellen

Ergänzender Literaturtipp:

F. W. Engdahl: "Mit der Ölwaffe zur Weltmacht. Der Weg zur neuen Weltordnung"
430 Seiten; Kopp Verlag 2005
Dieses Buch verfolgt einen manchmal fast unsichtbaren Faden, eine rote Linie der Ölgeopolitik und der Militär- und Finanzmacht, die mehr als ein Jahrhundert lang ein Hauptfaktor für die Entscheidungen von Regierungen, Terroristen und ganzen Ländergruppen gewesen ist. Nichts hat die Geschichte der letzten hundert Jahre so geprägt wie der Kampf um die Kontrolle der Weltölreserven. William Engdahls Betrachtungen bieten dem Leser einen beeindruckenden Blick hinter die Kulissen der Weltpolitik. Er beleuchtet die wahren Hintergründe von Kriegen und Wirtschaftskrisen, von Attentaten und Mordanschlägen. Ausführ-lich geht er auf Schlüsselindividuen und -institutionen wie etwa David Rockefeller, Henry Kissinger, Zbigniew Brzezinski, Winston Churchill, den Council on Foreign Relations, die Bilderberger, die Trilaterale Kommission und deren tatsächlichen Machteinfluß ein - mehr als jedes andere gegenwärtig erhältliche Werk zu diesem Thema. (Kopp)
Buch bei amazon.de bestellen

Leseprobe:

Öl – Treibstoff des Krieges, Ursache von Korruption, Menschenrechtsverletzung, Bürgerkrieg, Umweltverschmutzung und drohendem Klimakollaps.

Eine Blutspur führt von den Zapfsäulen an den Persischen Golf: Zuerst – 1953 – stürzte die CIA den demokratisch gewählten Premier des Iran – der die Ölindustrie verstaatlicht hatte –, um den korrupten, aber dafür weitaus kooperativeren Schah wieder auf den Thron zu hieven. Das Ergebnis ist bekannt: 1979 revoltierten die Massen, das theokratische Regime von Ayatollah Khomeini kam an die Macht. Um den Iran zu bedrängen, bediente man sich des irakischen Diktators Saddam Hussein – bis dieser Kuwait überfiel. Die USA stationierten Truppen in Saudi-Arabien und vertrieben Saddam aus Kuwait. Die US-Truppen blieben am Golf und unterhielten weiter Basen in Saudi-Arabien. Ein gewisser Osama Bin Laden rief dazu auf, die „Ungläubigen“ von der arabischen Halbinsel zu vertreiben, sein Hass auf die USA gipfelte im Terror des 11. September 2001. Die USA vertrieben die Taliban, Bin Ladens Helfershelfer, aus Afghanistan, die zahlreichen Militärbasen im ölstrategisch wichtigen Zentralasien sind ein „Kollateral-Nutzen“ für die USA, die sich für die nächste große Konfrontation rüsten – diesmal mit China. Doch der 11. September hatte den Weg freigemacht für die Schlacht aller Schlachten. Saddam wurde gestürzt, die USA haben rund 130 000 Mann im Irak stationiert. Täglich geben irakische Bürger und GIs ihr Leben und ihr Blut dafür, dass das Schmiermittel der Weltwirtschaft weiter fließt.

Geht es den USA wirklich um die Demokratisierung des Nahen Ostens, wie die Neocons in Washington erklären? Oder geht es um etwas noch Größeres, Gewaltigeres, um einen globalen „Kampf der Kulturen“? Oder stehen schnöde wirtschaftliche und geopolitische Interessen im Vordergrund, wie etwa das Absichern der eigenen Position in der wichtigsten Rohstoffregion der Erde?

Im Nahen Osten sehen sich nun die USA, das einzig verbliebene Imperium, mit Terroristen und islamischen Extremisten konfrontiert, die nicht zuletzt auch das Produkt westlicher Interventionen und Unterstützung despotischer Herrscher zugunsten der Ölinteressen sind. Sie verstehen ihren Terror auch als Angriff auf den neuen Hegemon in der Region, den sie als Kolonialmacht sehen. Der „Kampf der Kulturen“ hat daher eher materielle als ideologische Ursachen, es geht nicht nur um Gott, es geht auch um Geld.

Es wird Zeit umzukehren: Allein die USA gaben im Jahr 2000 (also noch vor der Irak-Invasion) rund siebzig Milliarden Dollar jährlich für die militärische Sicherung der Golfregion aus. Das sind immerhin zehn Dollar pro aus der Region stammendem Fass Öl. Siebzig Milliarden Dollar, das sind rund die Hälfte des EU-Budgets oder rund 54 Prozent der Kosten des gesamten Apollo-Programms der NASA in den 60er-Jahren. Die weltweite Entwicklungshilfe beträgt demgegenüber jährlich nur rund 55 Milliarden Dollar. Die Hälfte der Stromversorgung Deutschlands könnte mit dieser Summe auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden, ein Zehntel würde für die Umstellung der Stromversorgung in Österreich – das durch Wasserkraft begünstigt ist – auf Windenergie genügen. Wohlgemerkt, in diesen Zahlen sind die Kriegs- und Okkupationskosten im Irak nicht enthalten. Diese betragen bis heute rund 208 Milliarden Dollar.

Wie kommen wir von der Öl-Droge los? Das Entwöhnprogramm findet auf mehreren Ebenen statt. Jeder Einzelne kann sich aktiv mit seinen Konsumentscheidungen, mit der Wahl seiner Verkehrsmittel und Stromanbieter, mit seinem Sparverhalten, im Besonderen aber durch politisches Engagement beteiligen, denn die Verantwortung liegt vor allem bei den politischen Entscheidungsträgern und ökonomischen Eliten.

Die konkreten Vorschläge sind zum großen Teil altbekannt, allein es fehlt der Wille der Regierungen, Anreize zu ihrer Umsetzung zu schaffen: Statt den Verzicht auf Auto und Flugzeug durch die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs zu ermöglichen, werden Bahn und Bus privatisiert und gleichzeitig Autobahnen, Industrie und Fluggesellschaften mit Steuergeldern hoch subventioniert. Wenig Anreize gibt es auch für die Bildung von Fahrgemeinschaften oder Carsharing.

Das Problem ist, dass sich die Regierungen der Industrieländer offenbar als Erfüllungsgehilfen der Kfz- und Ölindustrie sowie der mächtigen Autofahrerclubs sehen. Es braucht eine solare Revolution: Doch diese ist etwas anderes, als der „Sturm auf das Winterpalais“ zur Ergreifung der politischen Macht, wie der links-utopistische Politikwissenschafter Elmar Altvater schreibt: „Sie ist eine solare Kulturrevolution und die solare Wirtschaft wird nur entstehen, wenn ihr eine solare Kultur zuwächst.“

Wesentlicher Knackpunkt wäre etwa die Herstellung von Kostenwahrheit und die Einführung des Verursacherprinzips durch eine Ökologisierung des Steuersystems und durch Instrumente wie Roadpricing, Maut und Rohstoffsteuern. Damit wären Benzinfresser wie etwa Geländefahrzeuge für all jene, die nicht am Morgen auf steinigen Felswegen und durch tosende Bergbäche in die Arbeit fahren müssen, schnell aus dem Verkehr. Stromspar-Maßnahmen und die Wahl weniger energieintensiver Konsumprodukte, also etwa ökologische Lebensmittel aus der Region statt Tiefkühlkost aus der Intensivlandwirtschaft mit langen Transportwegen, tragen unter dem Strich zu einer Steigerung der Lebensqualität bei. Tipps dazu sind bei Umweltschutz-Organisationen und Konsumentenschutz-Verbänden erhältlich. Solange aber aufgrund der derzeitigen Subventionspolitik ein hochgezüchteter Apfel aus Chile bei uns billiger ist als ein Öko-Apfel aus der Region, darf man die Verantwortung nicht auf die Konsumenten und Konsumentinnen abschieben. Auch die in internationalen Handelsverträgen etwa auf Ebene der Welthandelsorganisation (WTO) festgeschriebenen Gesetze verhindern eine Reduzierung des Energieverbrauchs und den Aufbau von Alternativen. Auf politischer Ebene wurde zwar vieles bereits diskutiert, aber wenig umgesetzt: Die Ergebnisse sind im Grünbuch und im Weißbuch der EU-Kommission zu finden. Das ehrgeizige Ziel der Union: Der Beitrag von erneuerbaren Energiequellen soll bis 2020 zwölf Prozent des Gesamt-Energieverbrauchs betragen, zwanzig Prozent der Treibstoffe sollen bis dahin aus Ethanol, Biodiesel oder Wasserstoff stammen. (...)

zurück nach oben