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Es braut sich über dem Markt zusammen, nichts ist deutlich, nichts ist ausgeschlossen, alles möglich, tagelang schon tuschelt man über die Ankunft der Fremden. Schon stöhnen die armen Seelen im Dunkel aus den Scheiterhaufen, ihre Klage tönt wie von Saiten zwischen den Fasern der Holzscheite, und manch einen soll noch der Schlag treffen. Schon haben einige Frauen die Nachtfalter gehört, die Keffer-Ebene umschwärmten und es besonders toll trieben, und sie sahen die Luperkalien, wie deren Fingernägel im Mondschein glänzten. Warum hatte wohl Andrä Keffer gerade jetzt die Ebene testamentarisch der Kirche vermacht? Wann schon hatte sie Franziskus, Patriarch von Aquilea, geweiht, wann hatten die Türken sie zerstört, die durch die Kokra und über St. Leonhart eingedrungen waren, wie lange schon strahlt sie wieder über den Markt in noch schönerer Ausstattung, doch erst jetzt ist das Grundstück in ihren Besitz übergegangen! Die Scheiterhaufen sind es! Jetzt braucht man die Scheiterhaufen nicht mehr auf fremdem Boden zu errichten, Grundstücke dafür in Pacht zu nehmen, der Scheiterhaufen steht jetzt auf eigenem Grund und Boden, und auf der Ebene ist Platz für jede Menge Leute ...
Die Türen des Wirtshauses Mazar waren noch nicht einmal ganz offen, und schon schrieen und schreckten die Weiber auf. Der Inquisitor! Alles verstummte und erstarrte, alle überlief ein Frösteln. Niemand sagte ein Wort, aber jeder wußte, jeder sah. Jeder hörte aus dem Winkel, wie schrecklich es aus dem bitteren Kruzifix knirschte. Hatte die Crnokruhova unter dem Kittel das Buch der Prophezeiungen umgeblättert? Auf der Zunge schmeckten sie die gallige Gewißheit, daß sie gefangen und ertappt waren, ihre Schuld war erwiesen
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(aus "Verdächtiger Umgang mit dem Chaos" von Florjan Lipuš
Aus dem Slowenischen von Johann Strutz; Wieser Verlag)
Im Jahre 1670 kommt ein Erzbischof in die Pfarre Kappel, ins enge Karawankental, um nach dem Rechten zu sehen; abends entdeckt er im Bett eine aufs Kreuz genagelte schwarze Katze: Kein Kirchlein, wo nicht auch der Teufel seine Kapelle hat. Wir erlesen, von Wort & Witz gepackt, das aufgeregte Treiben vor der Visitation, Glaubenskitzel, Zunftgelage, Handel & Händel, Gesetzesbruch ... dem Seher Zaboden schwant, was über zwei Häutediebe hereinbricht, die das Weite suchen und, statt aus den Engnissen, erbarmungslos den geistlichen und weltlichen Foltertod finden. Den Vorfall untersuchen soll der Abgesandte des slowenischen Aufklärers und Beschreibers der Herzogtümer Krain, Valvasor. Keiner entkommt dem Andern: Den jungen Gelehrten erwarten Beengtheiten von Kappel, sowie Bedrängnisse seines Herzens. Vitezovic Traktat über Rechtssprechung in Kärnten, dessen detaillierte Darstellung, von der Beschreibung der Gerüche alten Schweißes bis zur Feststellung, die Leute sprechen hier auf zwei Arten, brachten ihm große Anerkennung. Lesen wir am Ende dieser brisant-aktuellen Geschichte(n) aufgehoben in einem archaischen-poetischen Wortschatz, der alle Sinne ergreift. Der in Unterkärnten lebende Florjan 
Lipuš gehört, vor allem seiner einzigartigen, bildsam wie wortscharfen Sprachkunst wegen, zu den bedeutendsten Autoren der slowenischen Literatur, in seinen truglosen Prosaverzeichnissen unheimlich heimischer Tal- und Landschaften findet er kaum seinesgleichen in der Literatur.
Florjan 
Lipuš, geboren 1937 in Lobnig/Kärnten; Studium der Theologie in Klagenfurt/Celovec. 1960-1980 Herausgeber der kärntner-slowenischen Literaturzeitschrift Mladje; veröffentlichte Erzählungen, sieben Romane und Essays in slowenischer Sprache. Erhielt zahlreiche österreichische und slowenische Auszeichnungen, 1995 Literaturpreis des Landes Kärnten. Lebt als Schriftsteller in Sele/Sielach/Unterkärnten. ... Bücher von Florjan Lipus bestellen ...