Karin Rick: "Sex ist die Antwort"

"Ihr möchtet, dass alles nur eine einzige Seite hat, während es doch immer zwei Seiten gibt."

(Aus "Alexandria" von Gerald Messadié)


Am Beginn des Romans steht das Wiedersehen der Ich-Erzählfigur mit der exzentrischen Künstlerin Kaye Norton, einer ehemaligen Puffmutter. 
Die Beiden verbindet intensiv ausgelebte Sexualität, und ihre erotischen Abenteuer werden ohne Umschweife und (auch sprachlich) gekonnt in Szene gesetzt ("Die Vertrautheit, die sich schon bei dem ersten harmlosen Gespräch zwischen uns ergab, beruhte auf dem gleichen Pegel sexueller Geilheit, auf dem gleichen Drang nach Schmutz, nach dem Bösen und Schäbigen.").

Die erzählende Person kämpft mit der Bewältigung der Trennung von der vorherigen Geliebten, Felicitas. Diese lebt seit Jahren in einer Art Symbiose mit dem homosexuellen Sebastian. Die Wohngemeinschaft bringt für jeden von beiden Vorteile mit sich, wie beispielsweise gesellschaftliche Anerkennung bei Verwandten, kann doch auf diese Weise das Trugbild eines jungen, dynamischen Paares vermittelt werden.
Das seltsame Dreiergespann, bestehend aus Felicitas, Sebastian und der Erzählfigur, durchlebt nahezu alle Höhen und Tiefen menschlichen Empfindens; teils wegen-, teils durch- und teils miteinander.

Selbstverliebt pendelt die Hauptfigur, lange Zeit mit beiden Extremen liebäugelnd, zwischen der kultivierten, gutbürgerlichen Felicitas und der, großteils außerhalb unauffälliger Normen agierenden, schillernden Persönlichkeit - Kaye. Dass Sex bisweilen zwar als Antwort (vorzugsweise auf "unbequeme" Fragen), aber auf Dauer nicht als tragfähige Grundlage einer in jeder Hinsicht befriedigenden Beziehung taugt, muss die Hauptfigur in der Tat "am eigenen Leib" erfahren. Dass allerdings ein Verhältnis abseits jeglicher Fleischeslust auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, erkennt Felicitas im Verlauf ihrer neuen Affäre.

Vom lustvollen Schwanken zwischen einer gefühlsmäßig nicht wirklich beendeten und einer, unter eingeschränkten Voraussetzungen begonnenen neuen Liebschaft, dem selbstverständlichen Umgang mit Spielwaren aus dem Angebot der Erotikläden, von Eitelkeiten, Eifersucht, Besitzergreifen, einigen Varianten zwischenmenschlicher Beziehungen, von den Abgründen individueller Wunschvorstellungen und davon, dass die Erfüllung nicht immer in deren tatsächlicher Verwirklichung zu finden ist, handelt "Sex ist die Antwort", von Trennung, Suche, Wiederfinden, den Ver(w)irrungen der Liebe, beziehungsweise dessen, was gemeinhin dafür gehalten wird.

Mit beharrlicher Genauigkeit widmet sich Karin Rick aber ebenso der detaillierten Beschreibung von Äußerlichkeiten, so wie auch im Alltagsdasein oberflächliche Effekthascherei - (grelle Kleidung, auffällige Haartracht u. dgl.) - und weniger die ungeschminkte Wahrheit Aufmerksamkeit anzieht.
Die eigentlichen Schlüsselszenen aber bilden berauschende Schilderungen sexueller Begegnungen, durchdrungen von anhaltender Einsamkeit, trotz intensiv ausgelebter Liebe und Triebe im Neben- und Nacheinander von Sehnsucht und Erfüllung.
Die menschlichen Paarungsrituale, u. a. sowohl mit der bewusst eingesetzten eigenen Anziehungskraft das Objekt der augenblicklichen Begierde an sich zu fesseln, wehrlos und gefügig zu machen, als auch selbst erobert werden zu wollen, werden in naturgetreuem Maßstab festgehalten.
Ein wunderbar unschwülstiger Roman, der dem Leser das vielfach vorgekaute Mysterium "Liebe" in verträglichen Dosen verabreicht, und in dem der (im weitesten Sinn) "nonverbalen Kommunikation" auf beachtliche Weise die ihr zustehende Bedeutung zukommt.
Die Silvesternacht bringt schlussendlich ein märchenartig-versöhnliches Ende, zumindest für das (wieder) vereinte Liebespaar ...

(Übrigens: Die Ich-Erzählfigur ist eine Frau.)

(Felix; 1999)


Karin Rick: "Sex ist die Antwort.
Konkursbuch Verlag, 1999. 144 Seiten.
ISBN 3-88769-139-3.
ca. EUR 12,-. Buch bestellen

Ergänzender Buchtipp:

Karin Rick: "Hingabe"
Erotische Erzählungen, die sich auch in Folge wie ein Roman lesen lassen. Eine Frau nimmt sich, was sie will, sie begehrt Männer und Frauen, verliebt sich und lässt sich zugleich auf sexuelle Abenteuer mit anderen ein. Geschrieben mit Wiener Charme und Deftigkeit. Die aufregendsten Liebesspiele entspinnen sich an der Grenze von Wollen und Nicht-Wollen, von Hingabe und Distanz ...
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