Leseprobe:
(...)
Die beiden Männer traten auf das Bett zu, sie wurde
festgehalten, aber ohne Gewalt, und trotz ihrer Schreie, die sie
sicherlich für pure Lust hielten, gingen sie auf eine Art und
Weise mit ihr um, gegen die kein Widerstand möglich war. Es
dauerte fast drei Stunden. Einmal hatte sie den Kopf unten, dann wieder
lag sie seitlich, einmal hatte sie die Beine ausgestreckt, dann wieder
in der Luft.
Delias Verstimmung rührte von der Tatsache her, dass sie diese
Körperübungen insgesamt in ihrem Innersten nicht
widerwärtig fand. Außer gewissen
Körperteilen war vor allem ihre Selbstachtung verletzt worden.
Sicher, man hatte sie schmachvoll als Stück Fleisch behandelt,
das der Ausschweifung diente, ohne zärtliche Worte oder
charmantes Vorspiel, doch es gab Augenblicke, in denen diese
ständige doppelte Aufmerksamkeit, die man ihr erwies, der eine
vorn, der andere hinten, der eine oben, der andere unten, sie in einen
bisher unbekannten Sinnesrausch versetzte. Diese unaufhörliche
männliche Doppelachse raubte ihr zunächst vor
Überraschung und dann vor Lust den Atem. Delia war auf das
Niveau der erbärmlichen, schändlichen Huren von der
Via Caesaris gesunken, deren sexuelle Leistungen die verstorbene Isis ihr in
sorgfältig gewählten Worten beschrieben hatte. Der
Mund dieser Geschöpfe brauchte kein künstliches Rot
mehr, weil sich schon so viele Lippen darauf gepresst hatten. Sie
dagegen war Delia, der Stern Alexandrias, verehrt von den
verwöhntesten Männern des ehemaligen Naukratis, der
Stadt des prächtigsten aller Helden, Alexanders selbst!
Ihre Erinnerung verweilte bei dem jungen Ramose, der wie eine
seelenlose Maschine funktionierte und, ohne eine Schwäche zu
zeigen, nacheinander alle drei bekannten Tore des Körpers
ausgeforscht hatte - und wäre es möglich gewesen,
hätte er auch noch ein viertes aufgestoßen. Entsetzt
war sie aber vor allem, weil sie sich schließlich diesen
Misshandlungen hingab. Gierig und unersättlich praktizierte
der junge Ramose Liebestechniken, die selbst Alexianus sich nur selten
erlaubte, und alles mit einer erfindungsreichen Perversität.
Mit der Zunge eine Öffnung bedienen, während ein
anderer zugleich in sie eindrang ... Die Hölle! Voller
Verdruss erinnerte sie sich, dass sie geschrien hatte. Sie
schüttelte sich. Ja, sie war es gewesen, die
unerhörte Lust empfunden hatte, und es war doch nicht sie
gewesen. Nein, das war nicht Delia.
Und es bestand die Gefahr, dass heute abend alles von vorn begann! Wenn
das so weiterging, würde sie noch schwanger werden und nicht
nur eine ganze Kinderschar, sondern die halbe Bevölkerung
Ägyptens gebären. Kein diskreter Schwamm
würde mehr nützen, und sie würde die gesamte
Rautenblätterernte des Somalilandes brauchen, um das
Unvermeidliche zu verhüten. Empört seufzte sie auf.
(...)
(Aus dem Roman "Alexandria" von Gerald
Messadié.
Droemer Knaur. 1997. ISBN
3-426-19395-7.)
Eine legendäre Stadt und eine eindrucksvolle Frauengestalt
stehen im Mittelpunkt von Messadiés Roman: Delia, die
schöne, kluge Hetäre und Alexandria, im ersten
nachchristlichen Jahrhundert die glanzvollste Metropole des
Mittelmeerraums. Ein faszinierendes Frauenschicksal an einem Ort des
Luxus und der Sinnesfreude und das farbenprächtige
Gemälde einer Epoche des religiösen und
weltanchaulichen Umbruchs.
Gerald Messadié wurde 1931 in Kairo geboren. Mit zwanzig
Jahren veröffentlichte er seinen ersten Roman. In der
Folgezeit war er 25 Jahre lang Chefredakteur eines
Wissenschaftsmagazins und schrieb zahlreiche Sachbücher und
weitere Romane. Sein Roman Ein Mensch names Jesus wurde unmittelbar
nach Erscheinen zu einem internationalen Bestseller. Für
seinen Roman Alexandria erhielt er von der großen
französischen Buchhandelskette Relais H den Preis für
den besten Unterhaltungsroman des Jahres 1996.
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