Jeong Yu-jeong: "Der gute Sohn"
Gedächtnisverlust
und ein blutiger Mordfall
Seit etwa seinem neunten Lebensjahr bekommt Yu-jin Medikamente, die ihm
seine Tante gegen seine epileptischen Anfälle verschrieben
hat. Aber weil sie seine Wahrnehmung und sein Gefühl immer
wieder beeinträchtigen und auch einige körperlich
unangenehme Nebenwirkungen haben, setzt er diese in Stressphasen gerne
einmal ab und riskiert lieber eine Episode. Das hat ihn beinahe zu
einem olympischen Schwimmer gemacht, bis die Krankheit ihn
während eines entscheidenden Wettkampfs aus dem Wasser
getrieben hat. So wundert es ihn nicht sonderlich, dass er zur Zeit der
Abschlussprüfungen seines Juraexamens nach vier Tagen ohne
Medikamente nach einem Abendspaziergang auf einmal einen Filmriss hat.
Doch der Fund seiner brutal getöteten Mutter in der
zweigeschoßigen - und über und über mit
Blut verschmierten - Wohnung zerstört seine übliche
damit einhergehende Gelassenheit. Hat er - aus welchen Gründen
auch immer - die überkontrollierende Mutter nach 25 Jahren nun
endlich umgebracht? Wie ist das vonstattengegangen? Und was war der
konkrete Anlass dafür? Er kann sich absolut nicht daran
erinnern, und das ständige Klingeln seines Telefons und jenem
seiner Mutter fördert die Konzentration auch nicht sonderlich.
Langsam entfalten sich für den ich-erzählenden Yu-jin
und damit auch für den Leser die Hintergründe dieser
Geschehnissen und einiger früherer Tragödien in
Yu-jins Leben. Dabei kommt es immer wieder zu absolut
überraschenden Wendungen, denn Yu-jin hat bisher ein sehr
bewegtes Leben geführt; ein Leben, das weitestgehend vor der
Öffentlichkeit - und auch vor ihm - geheimgehalten worden ist.
Während dieser "inneren" Ermittlung wird Yu-jin immer wieder
von seinem Adoptivbruder und der ebenfalls sehr
kontrollsüchtigen Tante unterbrochen, denen er beiden
vorspielt, dass die Mutter auf Exerzitien gefahren wäre,
während er gleichzeitig die Spuren an sich und in der Wohnung
zu beseitigen sucht. Und dann stehen auf einmal auch zwei Polizisten
vor Yu-jins Tür, die ein ganz unerwartetes Anliegen vorbringen
...
Die Frage nach dem grundlegenden "Problem Mensch" - und insbesondere
seiner Brutalität in bestimmten Zusammenhängen - hat
die 1966 geborene koreanische Autorin durch die Psychoanalyse,
Biologie,
Psychologie,
Neurowissenschaften, Soziologie,
Evolutionstheorie und evolutionäre Psychologie sowie zur
Kriminalpsychologie
getrieben, und der vorliegende Krimi versucht
gewissermaßen, ihre Funde einer breiteren Leserschaft zu
vermitteln.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2019)
Jeong
Yu-jeong: "Der gute Sohn"
(Originaltitel "Jong-ui Giwon")
Aus
dem Koreanischen von Kyong-Hae Flügel.
Unionsverlag, 2019. 317 Seiten.
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