Patrick Dunne: "Die Pestglocke"


Über weite Strecken öde und langweilig

Geradezu epidemisch verbreitet wie ehedem die Pesterreger - allerdings aus verständlichen Gründen deutlich beliebter als diese - sind heutzutage Autoren, die in die Welt des vermeintlich gruftdunklen Mittelalters abtauchen, um von dort Mystisches, Abscheuliches, Garstiges oder auch Gruseliges ans Licht unserer Tage zu fördern. Den Stoff also, aus dem die zur Zeit erfolgreichsten Thriller gestrickt werden. Eines der jüngsten Elaborate dieses Genres - "Die Pestglocke" - das neueste Werk des irischen Bestseller-Autors Patrick Dunne, präsentiert uns der Limes Verlag nun in deutscher Übersetzung. Als "Kelten-Thriller" definiert der Verlagsprospekt dieses dürftige literarische Machwerk, was auch immer unter einer solchen Etikettierung zu verstehen sein mag.

Die Geschichte beginnt bombastisch plakativ in altbewährter Groschenheft-Manier mit den entsprechenden Zutaten wie einem alten Pestfriedhof, verschlossenen Bleisärgen, geheimnisvollen Skulpturen, einem verstümmelten und kopflosen Mordopfer, einem Mitarbeiter eines Ausgrabungsteams, der von "Leichensuppe" übergossen wird et cetera. Dieser grell schillernde, beinahe klotzige Beginn mündet aber schon bald in eine Grisaille ereignisloser, bleierner Weitschweifigkeit. Raucher sollten vorsorglich - gesetzt den Fall, sie wählen sich "Die Pestglocke" als Bettlektüre - die Glut ihrer Zigarette löschen, denn man liest hier unter ständiger Gefahr des augenblicklichen Einschlafens. Wie gesagt, zu Beginn werden schon gewisse Erwartungen beim Leser geweckt, und geheimnisvolle Andeutungen eines Sterbenden, dass dies erst der Anfang sei, die beschwörende Mahnung: "Es ist nicht das, was Sie glauben. Es ist schlimmer, viel schlimmer ..." lassen gar Außerordentliches erwarten. Doch nichts dergleichen geschieht, und selbst die Leichensuppe aus dem ersten Kapitel ist wohl substanzvoller als die Buchstabensuppe, die der Autor hier angerührt hat. Trotz seines vergleichsweise geringen Umfanges ist das Buch sehr langatmig, zäh und träge ziehen sich die Handlungsfäden in die Länge. Eine fade Geschichte, deren Substanzlosigkeit versucht wurde, mit dem Schleier des Mysteriösen zu bemänteln, was aber kläglich fehlgeschlagen ist. Dazu wirken die Dialoge schablonenhaft konstruiert, Ausdrucksstereotypen beherrschen das Bild, es gibt kaum ein Klischee-Näpfchen, in das der Autor nicht hineingetreten wäre. Konventionell bis banal ist das Ganze, ich jedenfalls bin arg enttäuscht von dem Buch.

Doch vermutlich wird das Gros der Leserinnen und Leser anders entscheiden als der Rezensent und auch dieses Werk Patrick Dunnes in die Verkaufsbestenlisten katapultieren. Oder handelt es sich vielmehr um Folgeerscheinungen der Omnipotenz einer globalen, länderübergreifenden Werbetrommel?

Für mich jedenfalls ist "Die Pestglocke" nichts weiter als ein allzu seichter Wellenschlag innerhalb dieser monströsen mittelalterlichen Modewoge, die vor Jahren über den Büchermarkt geschwappt und deren Ende nicht abzusehen ist. Man kann das Gebimmel dieser Pestglocke getrost ignorieren.

(Werner Fletcher; 01/2008)


Patrick Dunne: "Die Pestglocke"
(Originaltitel "The Lazarus Bell")
Aus dem Englischen von Fred Kinzel.
Limes Verlag, 2008. 384 Seiten.
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Patrick Dunne, geboren in Dublin, studierte zwar Literatur, wollte jedoch ursprünglich Musiker werden. Heute blickt er auf über zwanzig Jahre als renommierter Regisseur und Produzent beim irischen Rundfunk und Fernsehen zurück. Außerdem gehört er zu den erfolgreichsten Autoren Irlands, und auch in Deutschland war bislang jeder seiner Romane - "Die Keltennadel", "Das Maya-Ritual" und "Keltengrab" - monatelang auf den Verkaufsbestenlisten vertreten.

Literaturtipp:

Shona MacLean: "Der irische Fluch"

Ein mysteriöser Fluch liegt auf dem Clan der O'Neills ...
1628. Der junge Schotte Alexander Seaton bekommt eines Tages unerwarteten Besuch: Es ist sein irischer Vetter Sean, der ihn um Hilfe bittet. Der Clan der O'Neills ist von einem der alten irischen Poeten mit einem Fluch belegt worden, der den Mitgliedern der Familie einen baldigen Tod prophezeit. Schon scheint sich der Fluch zu erfüllen: auf eine Hochzeitsfeier folgen mehrere Begräbnisse ...
In Irland wird Alexander hineingezogen in die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den kolonisierenden Engländern und den aufrührerischen Iren. Der Riss geht mitten durch seine Familie - und seine eigene Seele. Doch noch etwas lässt ihm keine Ruhe: Er findet heraus, dass jemand den Poeten für seinen Fluch bezahlt hat. Wer? Und vor allem: warum?
Shona MacLean promovierte in Geschichte an der University of Aberdeen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Banff (Schottland). (dtv)
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Weitere Bücher des Autors / Buchtipps:
"Keltengrab"

Nahe der sagenumwobenen prähistorischen Stätte Newgrange wird eine Moorleiche gefunden - und bei ihr ein toter Säugling ...
Irland, kurz vor Weihnachten. Bei Erdarbeiten unweit der neolithischen Grabstätte Newgrange stößt man auf die mumifizierte Leiche einer grausam zu Tode gekommenen Frau. An ihrer Seite findet die Archäologin Illaun Bowe einen toten Säugling. Bowe hofft zunächst auf einen bedeutenden Fund aus der Jungsteinzeit. Doch kurz darauf wird der geschäftstüchtige Eigentümer des Moorgebiets, Frank Traynor, ermordet - und in der gleichen Weise verstümmelt wie die Torfleiche. In seinem Mund finden die Ermittler einen Stechpalmenzweig mit roten Beeren.
Detective Matt Gallagher steht ebenso vor einem Rätsel wie Illaun Bowe. Erst als ein Freund eine vage Verbindung zwischen dem Fundort der Leichen und Grange Abbey, einem mysteriösen alten Nonnenkloster, herstellt, scheint ein Anhaltspunkt gefunden. Und als zu Weihnachten Detective Gallagher kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, macht sich Illaun noch in der Nacht auf den Weg zum Kloster ... (Blanvalet)
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 "Die Keltennadel"
"Denn gekommen ist der große Tag seines Zornes; und wer kann da bestehen?" Die Apokalypse des Johannes, 6, 17
Das keltische Erbe Irlands wird meist in melancholischen Liedern besungen oder in geheimnisvollen Geschichten heraufbeschworen. Doch es gibt auch dunkle Prophezeiungen aus dieser Zeit. Als in einer Kirche außerhalb von Dublin ein grausiger Mord begangen wird, führen die Spuren zu einer Sekte, die keltische und christliche Traditionen vereinnahmt und die Apokalypse sehr wörtlich nimmt. (Lübbe)
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"Das Maya-Ritual"
Während einer spektakulären Sonnenkonstellation über der alten Mayastadt Yukatan wird ein us-amerikanischer Fernsehproduzent geköpft. Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den USA und Mexiko werden die Meeresbiologin Jessica Madison und ihr Kollege Ken Arnold von der mexikanischen Polizei engagiert, um im Zenote, dem heiligen Opferbrunnen, nach dem verschwundenen Kopf des Ermordeten zu suchen. Ihr Tauchgang hat schreckliche Folgen, und schon bald werden die beiden mit weiteren unerklärlichen Todesfällen konfrontiert ... (Lübbe)
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