(...)
Ferner sagte der Scheich: "O Emir, nimm mit dir
tausend
Kamele, die Wasser tragen, und tausend Kamele, die mit Wegzehrung
beladen sind, dazu auch Krüge!" "Was sollen wir damit tun?" fragte der Emir
Mûsa; und jener erwiderte: "Auf unserem Wege liegt die Wüste von Kairawân, das
ist eine weite Wüste, in der es wenig Wasser gibt, und sie ist vierzig Tagesreisen
lang. Dort hört man kein Geräusch, keinen Laut; dort wird kein menschliches
Wesen geschaut. Auch wehen dort der Samum und andere Winde, el-Dschudschâb geheißen,
von denen die Wasserschläuche ausgedörrt werden. Wenn aber das Wasser in den
Krügen ist, so kann ihm nichts geschehen." "Du hast recht", sagte Mûsa, schickte
alsbald nach Alexandrien und ließ eine große Menge
von Krügen holen. Dann nahm er seinen Wesir und zweitausend Reiter, alle gepanzert
und gerüstet, und ritt davon, begleitet von der riesigen Schar, den Kamelen
und dem Scheich, der auf seinem Klepper an der Spitze ritt, um ihnen den Weg
zu weisen. Schnell zogen sie dahin, bald durch bewohnte Gefilde, bald durch
Ödland, bald durch Wüsten voller Schrecken, bald durch einsame, durstige Strecken,
bald über
Berge, die sich
gen Himmel recken. Ein ganzes Jahr reisten sie immer
weiter, bis sie eines Morgens, nachdem sie die lange Nacht hindurch geritten
waren, gewahrten, dass sie den Weg verloren hatten und sich in einer Gegend
befanden, die sie nicht kannten. Da rief ihr Führer aus: "Es gibt keine Macht,
und es gibt keine Majestät außer bei Allah, dem Erhabenen und Allmächtigen!
Beim Herrn der Kaaba, wir sind vom Wege abgeirrt!" Der Emir Mûsa rief: "Was
ist denn geschehen, o Scheich?" Jener antwortete: "Wir sind vom Wege abgeirrt."
"Wie ist das möglich?" fragte der Emir; und der Alte erwiderte: "Ich konnte
nicht auf die
Sterne
achten, da sie überwölkt und unsichtbar waren." Weiter fragte Mûsa: "Wo
in aller Welt sind wir denn?" "Ich weiß nicht", gab der Scheich zur Antwort,
"ich habe dies Land bis zum heutigen Tage noch nie gesehen." Da befahl der Emir:
"So führe uns denn an die Stelle zurück, von der aus wir von dem Wege abgeirrt
sind!" Doch der Alte beteuerte: "Ich kenne sie nicht mehr." "So lass uns weiterziehen",
sagte Mûsa, "vielleicht wird Allah uns dorthin führen und uns in seiner Allmacht
auf dem rechten Wege leiten." Nun ritten sie bis zur Zeit des Mittagsgebetes
weiter; da kamen sie in ein ebenes und schön gleichmäßiges Land, das so flach
war wie das Meer, wenn es still und ruhig ist. Und wie sie dort ihres Weges
dahinzogen, erblickten sie plötzlich auf der einen Seite in der Ferne ein schwarzes
Etwas, groß und hoch, und aus seiner Mitte schien Rauch zu
den Wolken
des Himmels aufzusteigen. Sie ritten schnurstracks darauf zu, bis sie in seiner
Nähe waren; und da zeigte es sich, dass es ein hoher Bau war, mit festgefügten
Säulen, mächtig und schauerlich, der einem sich türmenden Berge glich. Er war
aus schwarzen Quadern erbaut und hatte dräuende Zinnen und ein Tor aus chinesischem
Eisen, das da glänzte und die Augen blendete und aller Blicke auf sich wendete,
und bei dem der Verstand endete.
(...)
(Aus
"Die Geschichte von der Messingstadt"; aus dem Bagdad des 11. oder 12. Jahrhunderts)