Lily Prior: "Nektar - oder Der Duft der Italienerin. Roman der Versuchung"
Ramona
Drottoveo ist neunzehn Jahre alt, ein eher hässlicher Albino und arbeitet in einer
herrschaftlichen Villa irgendwo in dem Land des südlichen Italien, das einst die
Etrusker besiedelt haben. Ramona ist, wie bereits gesagt, keine Frau, die durch
Schönheit in der Erscheinung auffällt, und trotzdem laufen ihr alle Männer hinterher,
denen sie sich ebenso willig hingibt, wie diese sie leidenschaftlich begehren.
Das Geheimnis ihres Erfolgs, der sie unbeliebt bei sämtlichen Frauen macht, liegt
in dem Duft, den sie verströmt und der alle Männer ihre Beherrschung verlieren
lässt. Da Ramona auf Grund fehlender Pigmente in Haar, Haut und Iris das Tageslicht
scheut, hält sie sich tagsüber im Hause auf und verlässt es frühestens bei Eintreten
der Dämmerung, um im Garten umherzuschweifen und die Liebhaber aus der Menge der
Verehrer für diese Nacht auszuwählen.
Nur einer scheint diesem Zauber zu widerstehen, der Imker. In ihrer Eitelkeit gekränkt
macht sich Ramona daran ihn zu verführen. Aber da gibt es nicht viel zu verführen,
denn der Imker ist längst, wie alle anderen Männer, dem Duft erlegen, nur
zwingt er sich zur Zurückhaltung, will er doch mehr als nur Sex mit ihr haben,
da er tiefe Liebe für sie empfindet und diesen Umstand schon in vielen Gedichten
niedergeschrieben hat. Er will Ramona ganz und gar für sich, will sie zur Frau
haben, will mit ihr sein Glück genießen. Und Ramona lässt sich ein auf ihn, geht
mit ihm nächtens spazieren, lauscht seinen Gedichten, wenn auch gelangweilt, und
entschädigt sich für die noch immer aufrecht gehaltene Zurückhaltung mit vierundzwanzig
Bediensteten in einer Nacht, die sie im Uhrzeigersinn alle nimmt und in ihren
Duft und Körper eintauchen lässt. Die Zurückhaltung des Imkers zeigt Erfolg, und
Ramona willigt ein seine Frau zu werden.
Aber
schon in ihrer Hochzeitsnacht betrügt sie ihn mit dem Herrn des Anwesens, da der
Imker mit mangelnder Raffinesse das Liebesspiel gespielt und sich zu rasch in
sie ergossen hat und danach eingeschlafen ist. Eine herbe Enttäuschung ist ihr
dieser Imker, nur sein Hochzeitsgeschenk erfreut sie: eine Brille, die es ihr
durch die Tönung erlaubt auch des Tags das Haus zu verlassen und sich die Welt
im Sonnenlicht anzusehen. Jedoch hat der Imker sich selbst betrogen, indem er
ihr die Brille schenkte, denn mit dieser erblickte sie gleich Rinaldo Buffi, den
Gehilfen des Bienenzüchters, der - von jugendlicher Gestalt und starken Gliedern
- in ihr das Begehren und die Liebe weckt. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Der
Imker bringt sich um aus Gram, die junge Witwe heiratet den Gehilfen, und beide
werden vom Geist des Imkers heimgesucht, dessen Seele keine Ruhe finden kann.
Und diese ruhelose Seele bringt Unglück über das Anwesen, sodass die Menschen
in die Jungvermählten dringen, sie mögen doch das Gut verlassen. So ziehen denn
Ramona und Rinaldo nach
Neapel, um dort ihr Glück zu versuchen. So sicher sich
die Frau ihrer Wirkung auf die Männer ist, so sicher glaubt sie eine geborene
Sängerin zu sein und träumt davon, als Solistin Neapels Bühne von San Carlo zu
erobern. Und alsbald beginnt mit dem Zug in die Stadt eine Reihe von Illusionen
zu zerbrechen, Menschen bringen sich und andere um, und Ramona muss miterleben,
wie sie Mutter wird und ihren Duft, der die Männer immer hörig gemacht hatte,
verliert. Ihre letzte Hoffnung bleibt das Landhaus, von dem sie einst aufgebrochen
war, die Welt zu erobern.
"Nektar"
ist der zweite Roman der
in London geborenen Lily Prior, der auch "Roman der Versuchung"
genannt wird. Und ein Blick auf das Buch führt den potenziellen Leser tatsächlich
in Versuchung, es zu kaufen und zu lesen. Der Ast des Orangenbaumes mit seinen
reifen Früchten, ein Detail eines Gemäldes von Johan Laurentz Jensen auf schwarzem
Hintergrund ist eine geniale Umsetzung für ein Buch, dessen Inhalt sich um einen
besonderen Duft dreht. Doch es ist, als ob sich ein wesentlicher Fehler in der
Umschlaggestaltung - es ist keine einzige Blüte zu sehen, obwohl Blüte und Früchte
gleichzeitig vorkommen und der verführerische Duft durch
erstere entsteht - sich als Omen für das gesamte Buch herausstellt, denn es zeigt
sich, dass der Inhalt von einer bedauerlichen Schwäche ist. Leser erwarten sich
ein Werk voll Poesie und Schönheit, werden aber enttäuscht vom platten und einfachen
Stil, dessen Humor streckenweise an Terry
Pratchett erinnert, doch leider nur erinnert.
Denn während der englische
Meister seine Sprache zu einer Vollendung gebracht hat, wirken Priors lustige
Sätze schwach und deren Humor recht seltsam und deutlich übertrieben. Und maßlose
Übertreibung, vermutlich als Stilmittel eingesetzt, verfehlt die Wirkung und nimmt
die Lust am Lesen durch die Unglaubwürdigkeit, die dahinter steht, egal ob es
sich um grenzenlos übertriebene Äußerungen über das sexuelle Leben Ramonas oder
das im Sinne von Comics verzerrte Verhalten ihrer Mitmenschen handelt.
Lily
Prior wird als Erfolgsautorin bezeichnet, deren Buch "Nektar" vom Buchhandel zum
Bestseller gemacht wurde. Gäbe es ein Recht auf Umtausch bereits gelesener Bücher,
wäre dieses wohl eines, welches ebenso schnell von der Bestsellerliste wieder
verschwunden wäre, wie es dort erschienen war. Vielleicht entspricht die Autorin
aber auch einem Zeitgeist, der maßloser Angeberei Tür und Tor öffnet? Andererseits
zeigen Bücher im Geiste der Poesie geschrieben, dass diese immer noch die echten
Bestseller abgeben. Obwohl im Jahre 2003 erschienen, wurde das Buch noch in der
alten deutschen Rechtschreibung geschrieben, als ob es durch diese Altertümlichkeit
an Wert gewinnen würde. Und so gibt es nichts, als die hervorragend gelungene
Umschlaggestaltung, was man als Empfehlung für den Kauf oder gar das Lesen dieses
Buches aussprechen kann.
(Ivan Kristianof; 05/2003)
Lily Prior: "Nektar oder Der Duft der Italienerin. Ergänzender Buchtipp:
Roman der Versuchung"
Übersetzt von Xenia Osthelder.
Europa Verlag, 2003. 256 Seiten.
ISBN 3-203-81047-6.
ca. EUR 18,90.
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Lily Prior: "Sentimenti italiani oder Träume
eines Sommers"
Der einsame Olivenbauer Arcadio Carnabuci
ahnt nicht, welches Chaos er auslöst, als er voller Sehnsucht und Verlangen
nach Liebe, Leidenschaft und Romantik drei kleine Samen vor seinem Haus
einpflanzt, die ihm ein Fremder verkauft hat. Denn als sie keimen und anfangen
zu wachsen, verliebt sich statt der verführerisch-üppigen Frau seiner Träume
die Mauleselin Gezabel unsterblich in ihn.
Und außerdem liegt über dem ganzen Dorf plötzlich ein unwiderstehlicher Duft
von Leidenschaft, der allen Bewohnern den Kopf verdreht, ihr Verlangen ins
Unermessliche steigert und sogar die Toten aus ihren Gräbern treibt.
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Rezension ...
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