Heribert Prantl: "Der Terrorist als Gesetzgeber"

Wie man mit Angst Politik macht


Ein eindringliches Plädoyer für eine Politik der mutigen Gelassenheit

Bei "Der Terrorist als Gesetzgeber" handelt es sich nicht in erster Linie um ein Sachbuch, sondern um ein Plädoyer dafür, im "Kampf gegen den Terror" nicht die Freiheits- und Menschenrechte aus den Augen zu verlieren.

Nach einer sehr metaphern- und vergleichsreichen Darstellung der momentanen Situation in den USA und in Europa werden in einzelnen Kapiteln die Themen Folter, Präventionswege, Feindbilder, Flüchtlingspolitik und das Menschenbild im Strafrecht durch die Geschichte näher betrachtet. Dabei zeigt der Autor, dass er über ein breites Spektrum an Informationen verfügt, und die Zusammenhänge - auch die historischen - die er aufzeigt, sind durchaus erhellend.

"Jahrhundertelang genügte das bloße Gerücht, jemand (weit überwiegend waren es Frauen) sei mit dem Teufel im Bunde, um sie gefangenzusetzen, zum Geständnis zu zwingen und dann zu verbrennen. Heute genügt das Gerücht, es sei jemand mit Bin Laden im Bunde, um Streubomben über ganzen Landstrichen abzuwerfen. Was dem Weißen Haus sein Bin Laden, das war dem Vatikan über Jahrhunderte der Teufel. Wer gegen den Teufel kämpft, hat den lieben Gott logischerweise auf seiner Seite. So glaubte es George W. Bush. Der US-Präsident hatte gelernt, was vor ihm schon andere Herrscher wussten und was Machiavelli gelehrt hat: Wer seinem Volk Angst macht, der braucht es - für eine gewisse Zeit jedenfalls - nicht zu fürchten. Angst ist gut für Machterhalt und Machterweiterung." (Aus dem Kapitel "Angst und Folter")

Weil das Buch aber eben nicht als Sachbuch gedacht ist, sind nicht alle Ableitungen ohne Weiteres nachvollziehbar, und auch Historiker werden nicht jedem Gedankengang so schnell folgen wollen, wie er da vor ihnen ausgebreitet wird, denn wie in jedem guten Plädoyer wird hier oft generalisiert, polemisiert, und viele der Vergleiche und Metaphern weisen sehr hohen Manipulationscharakter auf. Was Heribert Prantl dabei zu sagen hat, ist nicht unbedingt falsch, aber der Stil ist gelegentlich durchaus irritierend.

Wer eine gute Polemik zur heutigen Sicherheitslage und der Lage der Menschen- und Bürgerrechte in der "westlichen Welt" sucht, wird mit "Der Terrorist als Gesetzgeber" ziemlich gut bedient sein, und die abschließende Literaturliste gibt gute Hinweise zur weiteren Lektüre. Auf jeden Fall werden die Gedanken des Lesers angeregt, viele allgemeingültige "Weisheiten" zu den Themen Verbrechen und Strafe hinterfragt, wodurch hoffentlich eine noch breitere Diskussion angeregt wird.

Die Buchkapitel in der Übersicht:
Einleitung - Ketzer, Hexen, Terroristen
1. Kapitel - Starker Staat, schwacher Staat
2. Kapitel - Angst und Folter
3. Kapitel - Der Präventions- und Überwachungsstaat: Verbeugung vor der Vorbeugung
4. Kapitel - Mein Feind, der Terrorist
5. Kapitel - Der Flüchtling als Verbrecher
6. Kapitel - Unmensch, Untat, Unrechtstat: eine kleine Geschichte des Strafens

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2008)


Heribert Prantl: "Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht"
Droemer, 2008. 220 Seiten.
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Heribert Prantl, geboren 1953, studierte Rechtswissenschaft und Geschichte und war zunächst Richter und Staatsanwalt, bevor er als Redakteur zur "Süddeutschen Zeitung" ging, wo er heute Leiter des Ressorts Innenpolitik ist. Für seine Veröffentlichungen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem "Geschwister-Scholl-Preis", dem "Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik" und mit dem "Erich-Fromm-Preis".

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