Einführung in die Kunst des Kaffeesudlesens


Der Ursprung des Kaffeesudlesens wird oft in Zusammenhang mit der Punktierkunst (abgeleitet von der Geomantie) gesehen, obwohl es sehr zweifelhaft ist, ob wirklich Verbindungen bestehen. Beim Wahrsagen aus dem Kaffee und beim Bleigießen spricht man daher manchmal auch von einer Abart der Punktierkunst. Eine mögliche Erklärung dafür ist das Vorkommen und Deuten von Mustern im Sand und im Kaffeesatz. Man hat auch angenommen, dass die Kaffeedomantie eine Form der Kaptomantie sei, also der Kunst, die Zukunft unter Zuhilfenahme eines Spiegels zu interpretieren, allerdings werden dabei, im Gegensatz zum Kaffeesatzlesen, Geisterbeschwörungen miteinbezogen. Man verwendete dazu eine mit Wasser gefüllte Schüssel, unter der ein Spiegel positioniert wurde. Ein Knabe oder eine schwangere Frau, so die Tradition, schaute in den Spiegel und versank mit der Zeit in einem hypnotischen Zustand, der Visionen hervorrief. Diese Visionen wurden von den Wahrsagern gedeutet. Außer dieser Parallele (Starren in den Spiegel bzw. den Kaffeesud) gibt es zwischen beiden Methoden allerdings kaum Gemeinsamkeiten.


Praktiken

Einige Leserinnen bestehen darauf, die eigene Tasse nie zu lesen, höchstens einen flüchtigen Blick auf sie zu werfen. Sie unterlassen sogar das Lesen am Freitag und am Dienstag, meistens aus religiösen Gründen.
Eine Schwierigkeit, die oft auftritt, ist die Häufigkeit des Lesens für den Fragenden. Wenn wir es unter dem Aspekt Orakeldeutung betrachten, ist es nicht möglich, das Lesen in kurzen, aufeinanderfolgenden Zeitabständen zu betreiben. Man sollte es zwei- bis höchstens viermal im Jahr konsultieren und nicht öfter. Durch die Wiederholung wird keine Bestätigung des Gesagten eintreffen, vielmehr eher Verwirrung gestiftet. Wieder andere Leserinnen weigern sich, in die Tasse Familienangehöriger zu blicken. Das ist eher eine persönliche Sache, da man immer wieder auch Leserinnen findet, die diesen Geboten und Verboten keine Aufmerksamkeit schenken.


Zur Sache

Vermag man es, einen tadellosen Türkischen oder Griechischen Kaffee zu kochen, ist es endlich so weit. Alle Torturen sind bewältigt und der Kaffee genossen. Man kann sich also möglichst entspannt und unvoreingenommen der Sache widmen. Wenn man nämlich seine Alltagssorgen und Probleme mitnimmt, werden sie sich höchstwahrscheinlich auch in der Tasse wiederspiegeln. Darum soll für eine entspannte und ruhige Atmosphäre gesorgt werden. Und für das Wahrsagen allgemein gilt, dass je stärker und ernsthafter der Wunsch zu erfahren, desto größer die Erfahrung sein wird. Einige Leserinnen empfehlen dem Fragenden vor dem Lesen der Tasse, einen Wunsch beim Berühren des Tassenbodens mit dem Zeigefinger zu machen, der so leichter in Erfüllung gehen kann. Leserinnen aus der Türkei pflegen vor dem Deuten der Tasse den Satz "so wie deine Lage ist und so wie du dich fühlst, so wird dein Schicksal gedeutet" auszusprechen.


Muster, Zahlen und Buchstaben

Spricht man von der Kaffeewahrsagerei so ist immer die Rede von Mustern, Zahlen und Buchstaben. Bei ersteren handelt es sich um eine Fülle von Mustern, denen verschiedenen Bedeutungen zugeschrieben werden. Wir werden uns mit den wichtigsten von ihnen und ihrer Interpretation weiter unten beschäftigen. Einige Leserinnen, die sich als Profis in ihrem Fach verstehen, vermögen in der Tasse menschliche Gestalten (Figurinen) zu erkennen. Das ist natürlich eine komplizierte Angelegenheit, die vieler Erfahrung bedarf. Außerdem ist es relativ schwierig, diese Gestalten genauer zu definieren. Ist es aber der Fall, muss immer das Umfeld in die Tasse miteinbezogen werden, um mögliche Schlussfolgerungen daraus abzuleiten. Einfacher hingegen ist das Erkennen "starker" und "schwacher" Figuren. Wir haben in diesem Zusammenhang zwei Erklärungsvarianten:
Diese deuten auf die Haarfarbe und den Haupttyp hin. Ist eine Person eben blond mit einer hellen Hautfarbe, ist das Zeichen, das auf eine menschliche Gestalt hindeutet, dementsprechend schwach abgezeichnet. Ist die Person dunkelhäutig mit dunklen Haaren, dann ist auch das Zeichen dunkler.
Eine zweite Erklärung für das starke oder schwache Abbilden von Mustern, allgemein allerdings hier auf die Form des Zeichens bezogen, ist die Ungewissheit einer Situation und die damit verbundenen Zweifel. Ein unklar abgebildetes Muster verbirgt eben Unsicherheit in sich.
Je höher ein Zeichen in der Tasse vorkommt, desto sicherer ist auch sein Auftreten. Steht ein Zeichen auf dem Kopf, kann das Auswirkungen auf seine Deutung haben, d. h. konkret, die positive Deutung dieses Zeichens kann ins Negative rücken.

Bei den Zahlen haben wir es mit der Zeit zu tun. Es gibt zwei Deutungsvarianten, wobei die individuelle Situation immer mitberücksichtigt werden soll und natürlich auch der Zusammenhang in der Tasse. Mehrere Zahlen in der Tasse deuten auf die Erfüllung eines damit zusammenhängenden Ereignisses. Es kann sich dabei um Tage, Wochen oder Monate handeln. Eine gut zu erkennende Zahl weist auf Gewinnchancen bei einem Glücksspiel hin. Manche Leserinnen sind in diesem Fall jedenfalls fest überzeugt, dass der Fragende gute Chancen hat, die er nicht verpassen sollte!

Buchstaben stehen mit Personen in einem engen Zusammenhang. Es sind meistens die Anfangsbuchstaben von Bekanntennamen, Verwandten oder Personen, die wir kennenlernen und die in unserem Leben eine Rolle spielen werden.

Eins gilt für alle Zeichen: je höher auf der Tasse sie abgebildet sind, desto sicherer ist ihr Zutreffen.


Zeit- und Bezugszonen

Da es uns beim Kaffeesatzlesen hauptsächlich um die Zeit geht, zu der ein bestimmtes Ereignis eintrifft oder auch eingetroffen ist, werden wir eine imaginäre Teilung der Tasse in zwei verschiedenen Zeitdimensionen vornehmen, die ausschlaggebend für die Deutung sind. Unser Ausgangspunkt ist der Hänkel, der den Fragenden und sein Umfeld symbolisiert. Der Griff der Tasse unterteilt die Tasse in zwei Bereiche. Den Griff mit der rechten Hand haltend, wird dem Bereich rechts des Griffes die Zukunft des Fragenden zugeordnet, während der Bereich links des Griffes für die Vergangenheit steht. Die Gegenwart egibt sich durch den imaginären Berührungspunkt der zwei Zonen und befindet sich entlang des Tassenrandes.

Abgesehen von diesen Zeitzonen sorgt eine weitere Zeitunterteilung im Innern der Tasse für die Einordnung von Ereignissen in einem Zeitraum von zwei Jahren. Die Muster am Rand der Tasse sind für die Ereignisse, die in der Gegenwart passieren, jedoch in räumlicher Entfernung des Fragenden. Die am Boden der Tasse stehen für den Zeitraum der nächsten zwei Jahre. Eine Zeitskala dient der Orientierung bei der Errechnung eines Ereignisses. Wir können uns je nachdem, wie groß die Entfernung zwischen Tassenrand und Boden ist, eine ungefähre Vorstellung der Zeitdimension machen. Wenn man also die Höhe einer Kaffeetasse in vier Teile teilt, steht jeder Teil etwa für ein halbes Jahr.


Helle und dunkle Kaffeetassen

Noch ein wichtiger Tip für Einsteiger: professionelle Kaffeesatzleserinnen sprechen oft von "hellen" und "dunklen" oder "glücklichen" und "traurigen" Tassen. Je nach dem ersten Blick in die Tasse wirkt diese, wenn wenig Kaffeesatz zu sehen ist, für die Leserin hell, was mit der persönlichen Verfassung des Befragten in Verbindung gebracht werden kann. Er fühlt sich wohl, hat keine Sorgen, er hat eine Glückssträhne; also eine glückliche Tasse. Wenn sich auffällig viel Kaffeesatz in der Tasse befindet und der Boden richtig dick bedeckt bleibt, spricht man von einer dunklen Tasse. Der Befragte hat zur Zeit Sorgen, fühlt sich unwohl oder bedrückt. Das heißt natürlich nicht, dass das Ende nah ist! Auf keinen Fall. In so einer Tasse kann sich auch viel positives und erfreuliches verbergen. Außerdem ist es oft der Fall, dass die momentane psychische Verfassung im Kaffee wiedergespiegelt wird. Deshalb sollte man sich möglichst entspannt dem Lesen widmen.

Von verwirrten Tassen sprechen die Leserinnen, wenn beim ersten Blick die Kaffeetasse unklar und wirr ist. Konkret:: es sind keine Muster erkennbar, die Tasse ist entweder ganz hell, aber ohne Formen, oder ganz dunkel und ebenfalls so. Eine Erklärung dafür (obwohl es in diesem Bereich sicher schwierig ist, eine zu finden) sieht man in der psychologischen Verfassung sowohl der Leserin als auch des Befragten. Fühlt sich die Leserin an dem bestimmten Tag unwohl oder unsicher, also ist sie in keiner guten Verfassung, kann das Auswirkungen auf die zu lesende Tasse haben. Ist andererseits der Klient gefühlsmäßig blockiert und unsicher, ob er das alles auch hören will, kommt es vielleicht auch zu einer verwirrten Tasse. Meine Tante betont auch immer die Tatsache, dass so eine Tasse oft vorkommt, wenn sie für fremde Personen liest, wo keine Vertrauensbasis besteht, aber man doch neugierig ist, was die Zukunft bringt. Nach ihrer langjährigen Erfahrung hat sie gelernt, nein zur Kaffeetasse zu sagen, wenn sie merkt, dass es gefühlsmäßig nicht ganz passt.


Die Symbole

Schwarzer oder heller Boden

Eine Gefühlstrübung verrät uns die Tasse, wenn viel Kaffeesatz den gesamten Boden bedeckt. Im Gegensatz dazu deutet ein heller Boden, wo fast keine Kaffeereste vorhanden sind, auf das Sich-wohl-fühlen des Befragten hin. Wenn es allerdings so aussieht, als ob sich der Kaffeesatz langsam vom Grund entfernt, ist das ein Zeichen der Stabilisierung einer unangenehmen Situation.

Die Tränen

Findet man am Tassenrand (innen) viele einzelne Kaffeekörner, die sich auffällig nebeneinander reihen, deutet es auf den baldigen Eintritt von Trauer hin. Im Gegensatz dazu bedeuten Kaffeekörner in derselben Formation wie oben beschrieben, aber außerhalb der Tasse, Glückstränen. Eine Riesenfreude steht vor der Tür. Also nicht verzweifeln, sondern genau beobachten, wo sich welche außerhalb der Tasse ansammeln.

Kaffeestraßen

Kaffeestraßen (zwei parallele Linien) deuten meistens auf den persönlichen Fortschritt des Befragten hin. Das steht für die individuelle Entfaltung, für den beruflichen Erfolg, materielle Sicherheit und ein müheloses Vorankommen. Form und Länge der Kaffeestraßen sind wichtig. Ist eine Straße ganz klar und deutlich abgebildet, verläuft sie vom Tassengrund bis zum Tassenrand geradlinig hin, spricht man von einer erfolgsorientierten Lebensbahn. Es kann sich dabei um positive Entwicklungen im beruflichen oder privaten Bereich oder auch um den spirituellen Werdegang der Person handeln. Erscheint in der Tasse eine Kaffeestraße, die immer wieder unterbrochen wird und unklar abgebildet ist, symbolisiert dies Unsicherheit, ein hin und her Wanken, der Betroffene hat mit bevorstehenden Schwierigkeiten zu kämpfen. Seine Geduld und Ausdauer werden auf die Probe gestellt. Diese Kaffeestraßen erreichen meist eine Länge bis zur Mitte der Tasse vom Rand weg, oder sie sind sogar kürzer. Die Länge der Straße lässt uns also Schlüsse über die Realisierung unserer Ambitionen ziehen.

Kaffeestraßen können auch als Boten für Reisen interpretiert werden, z.B. eine Linie am Tassenboden, die vor den anderen Mustern ringsum deutlich hervortritt. Ist diese lang, steht eine längere Reise bevor. Wir können in der Tasse auch sehen, ob der geplante Urlaub positiv ausfallen wird oder nicht. Das Symbol der Palme bestätigt uns das!

Heiratspläne

Wie könnte es anders sein? Das Symbol für eine bevorstehende Heirat ist der Ring. Das Problem allerdings ist seine genaue Positionierung, da diese uns viel über die Dauer der Ehe besagt. Steht ein Symbol am oberen Tassenrand, deutet es auf eine glückliche Ehe hin. Die ungenaue Abbildung des Zeichens steht in Verbindung mit betrügerischen Absichten. Im Gegenteil dazu steht ein Ring am Boden der Tasse für das Gegenteil oder sogar für das Nichtstattfinden dieser. Meistens sucht die Wahrsagerin nach dem oben genannten Ring oder ringähnlichem Muster, der als mögliches Anzeichen für eine Heirat gilt. Findet man ihn nicht, dann geht die Suche weiter, und gar nicht schlecht wäre in diesem Fall ein kleines Quadrat. Dieses verrät eine glückliche Ehe. Die Wahrscheinlichkeit einen Adler in der Tasse zu finden, ist gering, aber falls es doch der Fall sein sollte, steht der für eine besonders schöne Braut oder Bräutigam.

Liebe

Wenn sich außerhalb der Tasse dem Rand entlang viele Kaffeestraßen befinden, also wenn es so aussieht, als ob der Kaffee übergelaufen ist, ist es ein Zeichen von Liebe, die dem Fragenden entgegenkommt. Ein bestimmtes Zeichen in der Tasse verrät uns eine leider hoffnungslose Liebe mit vielen Hindernissen. Es handelt sich dabei um eine Perlenreihe mit einem Dreieck am Ende. Taucht ein Turm auf, da ist in Sache Liebe Vorsicht geboten: die Person, mit der wir es zu tun haben, nimmt die Angelegenheit nicht sehr ernst!

Freundschaft

Hier kann man sich auf verschiedenen Zeichen verlassen. Wenn ein blattähnliches Zeichen auftritt, deutet das den Anfang einer neuen Freundschaft an, aber auch das Wiederauftauchen eines alten Freundes. Ein dritter Erklärungsversuch dafür ist ein sehr verlässlicher Freund im Umfeld des Befragten, der immer da ist, wenn man ihn braucht. Auch Gesichte in der Tasse stehen für Freundschaften, aber es ist nicht sehr häufig der Fall, dass wir solche Gesichte zu Gesicht bekommen.

Feinde und böse Zungen

Kleine Fische in der Tasse stehen für böse Zungen, die in der Umgebung des Befragten agieren, die sich aber auch als Feinde entlarven können. Das Motiv der Schlange in der Tasse verrät uns auch eine nicht gerade Zunge.

(Madame Dina)