Harro Zimmer: "Saturn"

Der Aufbruch zum Herrn der Ringe


Die Erkundung des wohl rätselhaftesten Planetensystems unserer Sonne

Ohne Zweifel gehört Saturn zu den eigenartigsten Objekten im Sonnensystem. Der mächtige Gasplanet mit seinen kompliziert aufgebauten Ringen und der Vielzahl an höchst unterschiedlichen Monden gibt den Astronomen und Astrophysikern seit Jahrhunderten Rätsel auf, und auch aus der sehr erfolgreichen Cassini-Huygens-Mission der letzten Jahre entsprangen wohl mehr neue Fragen als Antworten.

Harro Zimmer zieht in seinem Buch eine Bilanz aus den Ergebnissen der "klassischen" Astrophysik und der bisherigen Saturnprojekte.

Zunächst erhält der Leser einen Abriss der Saturnbeobachtungen seit der Antike, worin Christiaan Huygens natürlich besonders gewürdigt wird, der als Erster die Saturnringe als solche erkannte. Das nächste Kapitel ist dem Saturn im Raumfahrtzeitalter gewidmet, als leistungsstärkere Teleskope, vor allem aber Raumsonden wie Pioneer 11 und Voyager ein vielseitiges Bild vom Saturn, seinen Ringen und seinen Monden lieferten; dazu gehören unter anderem die Stürme und sonstigen ausgeprägten Strukturen auf der Planetenoberfläche und die innere Differenzierung sowie die sonderbaren "Speichen" der Ringe.

1997 startete das internationale Projekt Cassini-Huygens. Die NASA-Sonde Cassini setzte die kleine ESA-Sonde Huygens Anfang 2005 auf dem Saturn-Mond Titan ab. Bis dahin hatten die beiden jedoch einen langen Weg mit vielen sensationellen Erkenntnissen zurückzulegen. Das Buch informiert detailliert über die Abläufe der einzelnen Schritte der Mission, über den Aufbau der Sonden und die unterschiedlichen Messungen und Experimente, die mithilfe der beiden durchgeführt werden konnten. War der Weg zum Saturn schon voller interessanter Stationen, so kam es zu äußerst spannenden Aufnahmen und Analysen, als Cassini-Huygens sich dem Saturn näherte. Die Sonde durchquerte unbeschadet das Ringsystem und lieferte wunderbar scharfe Bilder von den Monden, die kaum minder eigentümlich erscheinen als der Planet selbst. Cassini untersuchte überdies weitere Phänomene wie das verzerrt wirkende Magnetfeld des Saturn.

Zu den Höhepunkten der Mission und des Buchs zählt die erfolgreiche Landung der Sonde Huygens auf dem von allen Saturntrabanten erdähnlichsten Mond Titan, ein riskantes Unterfangen, weil Titans Oberflächenbeschaffenheit zu dieser Zeit nicht bekannt war. Der mit rund -180°C recht frisch temperierte Himmelskörper hat eine ziemlich dichte Atmosphäre aus Stickstoff sowie wenig Methan und Spuren anderer Gase. Offensichtlich gab oder gibt es auf der Oberfläche Erosion durch flüssiges Methan. Und durch photochemische Prozesse entstehen auf Titan die unterschiedlichsten, vielfach hochkomplexen organischen Verbindungen. Titan, das vermittelt dieses Buch hervorragend, steckt voller Überraschungen - eine Gemeinsamkeit mit seinem Planeten. Daher endet das Buch mit einem Ausblick auf die künftige Saturnforschung, soweit diese abzusehen ist.

In diesem ebenso packend wie informativ verfassten Buch wechseln sich Texte mit hochwertigen, aussagekräftigen Bildern ab. Tabellen vermitteln in kompakter Form Basisdaten, Infokästen enthalten Kurzbiografien bedeutender Größen der Saturnforschung, und der Leser kann anhand detaillierter Protokolle die entscheidenden und kritischen Augenblicke der Cassini-Huygens-Mission beinahe unmittelbar miterleben. Sogar die Leiter der verschiedenen Projektteile werden namentlich vorgestellt.

Vorkenntnisse sind für die Lektüre nicht zwingend notwendig, denn der Autor weiß auch komplizierte Analysenmethoden und astrophysikalische Phänomene anschaulich zu erklären. Dennoch dringt er so tief in die Materie ein, dass auch jene Leser auf ihre Kosten kommen, die sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben.

Die Aufmachung lässt nichts zu wünschen übrig; das Papier hat durchaus Bildband-Qualität, bemerkenswert für ein Sachbuch.

Es macht also wirklich Spaß, dieses Buch zu lesen: Man lässt sich in fremdartige Welten entführen und bleibt sich doch immer der Tatsache bewusst, dass all dies keine Science-Fiction ist, sondern spannende Realität, gut eine Milliarde Kilometer von uns entfernt. Vor allem erlebt man jedoch die Höhen und Tiefen einer der bedeutendsten Weltraummissionen mit - und bekommt Lust auf mehr.

(Regina Károlyi; 05/2006)


Harro Zimmer: "Saturn"
Primus Verlag, 2006. 144 Seiten, mit ca. 100 meist farbigen Abbildungen.
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Harro Zimmer, geboren 1935, ist Wissenschaftsjournalist und freier Publizist. Für "ZDF", "SAT 1" und "n-tv" kommentiert er regelmäßig live aktuelle Weltraumereignisse, ebenso im Hörfunk beim "Deutschlandradio" und bei "ARD"-Anstalten. Seit über 30 Jahren ist er ständiger Kolumnist und Autor der "Berliner Morgenpost"; zahlreiche Publikationen.

Noch ein Buchtipp:

Dirk H. Lorenzen: "Mission: Saturn. Die Raumsonde Cassini erforscht den Ringplaneten"

Nach über siebenjähriger Reise quer durch das Sonnensystem ist im Juli 2004 die Raumsonde Cassini bei Saturn angekommen. Ihre Kameras lassen den Ringplaneten in einem völlig neuen Licht erscheinen. Mit an Bord ist die Tochtersonde Huygens, die auf dem geheimnisvollen Mond Titan landen soll, dessen Atmosphäre der unserer "Ur-Erde" gleicht - finden sich dort Hinweise auf die Entstehung des Lebens? "Mission: Saturn" schildert die aufregende Reise von Cassini, fasst die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen und zeigt die besten Saturnbilder in erstklassiger Qualität. (Kosmos)
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