"Lucas Cranach"
Hrsg. Bodo Brinkmann, Text von Bodo Brinkmann, Mark Evans, Dieter Koepplin, Joseph Koerner, Werner Schade, Andreas Tacke u.A.


Cranach konzentriert und intensiv

Dr. Bodo Brinkmann ist Kurator für altniederländische und altdeutsche Gemälde des Städel Museums. Er brachte 2002 den vielgerühmten zweibändigen Bestandskatalog des Frankfurter Städel Museums heraus. Er ist Kurator der aktuellen Cranach Ausstellung bei Städel.

Lange Zeit verehrten die Deutschen Lucas Cranach so sehr, dass sie sein Bildnis eines bartlosen jungen Mannes ständig mit sich herumtrugen. Doch hätte man auf der Straße jemandem einen Zehn-Mark-Schein angeboten, wenn er wisse, wer Lucas Cranach war, so hätte man den Zehn-Mark-Schein vermutlich behalten können, diesen Zehn-Mark-Schein mit dem Bildnis eines bartlosen jungen Mannes, das um 1500 von Lucas Cranach gemalt worden war.

Das Buch
In dem ersten von sieben Essays wird der Mensch, Maler, Familienvater, Kommunalpolitiker und Unternehmer Lucas Cranach von dem Kurator selbst vorgestellt. 1472 im oberfränkischen Kronach geboren, wurde er von seinem Vater als Maler ausgebildet und ging dann auf Wanderschaft. Biografisch fassbar wird er um 1500 wieder in Wien, an deren Universität er einige Humanisten als Kunden gewinnen kann. 1505 wird er Hofmaler bei Friedrich dem Weisen in Wittenberg, wo er sich niederlässt und 56 Jahre lang seine großen Spuren hinterlassen wird.

Dem lutherschen Thesenanschlag von 1517 folgend stellt sich Cranach schnell in den Dienst der neuen Bewegung und illustriert einige derer Publikationen. Cranach und seine Werkstattmitarbeiter produzierten auch Tausende von Luther-Bildnissen, die zur Grundausstattung protestantischer Haushalte gehörten. Er hatte bald ein persönliches Verhältnis zu Luther, und man stand sich auch gegenseitig Pate. Cranach war auch Herausgeber und Financier der 1522 erschienenen ersten Auflage der Luther-Bibel. 1528 ließ er sich aus dem profitablen Unternehmen auszahlen und widmete sich dem Vertrieb.

Seine Werkstatt arbeitete trotz Cranachs engen Verhältnisses zur Keimzelle des Protestantismus auch noch für katholische Würdenträger und gestaltete deren Altäre mit antilutherischen Sujets. Doch auch Cranach selbst porträtierte in dieser Zeit den Kardinal Albrecht von Brandenburg. Es wird für möglich gehalten, dass Cranach gewissermaßen in diplomatischer Mission zwischen den Lagern wirkte, denn seine Tätigkeit für den Kardinal betrübte offensichtlich weder Luther noch seinen Fürsten.

Cranach ist auch der Begründer einer lebendigen und einflussreichen Dynastie der Cranachiden, die sich bis in unsere Tage erhalten hat und der u. a. auch Goethe entstammte. Die künstlerische Bedeutung der Nachkommen Cranachs setzte sich noch unter Lucas Cranach dem Jüngeren fort, doch danach sinkt sie unter die Nachweisgrenze.

Im zweiten Essay wirft der Restaurator Gunnar Heydenreich ein Licht auf Cranachs Formate und Materialien sowie seine Maltechniken. In dem dritten, von Mark Evans verfassten, Essay geht es um die humanistischen Sujets Cranachs, wohinter sich primär leicht oder kaum bekleidete Damen der griechischen Antike verbergen. Der vom Autor einleitend präsentierten Ausbreitungstheorie des Humanismus in Deutschland konnte sich der Rezensent allerdings nicht vollständig anschließen, da er nicht der Überzeugung ist, dass der Humanismus in Deutschland durch in Italien ausgebildete Wanderredner eingeführt wurde (obwohl man das vielfach so lesen kann). Das passt wohl er zum Deutschlandbild eines Tacitus, den Evans eingangs auch zitiert. Der vierte von Dieter Koepplin geschriebene, Essay untersucht die von Cranach oft gemalten Caritas-Motive, die in ihrer Freizügigkeit der protestantischen Strenge etwas entgegenstehen. Andreas Tacke präsentiert die Rolle Cranachs in der katholischen Kunst zur Zeit der Reformation in Essay Nummer fünf. Es folgt eine Analyse der Auswirkungen von Cranachs Holland-Reise aus der Feder von Werner Schade. Den Abschluss bildet ein Beitrag von Elke Anna Werner, der sich mit den Venus-Akten Cranachs beschäftigt.

Es folgen 270 Seiten eines chronologisch-thematisch gegliederten exzellenten Ausstellungskatalogs mit Werken Cranachs und seiner beiden Söhne. Jedes Werk wird in Text und Bild präsentiert, oft ganzseitig, oft mit Ausschnittsvergrößerungen.

Die Ausstellung
Vorbereitet durch das Buch besuchte der Rezensent die Ausstellung im Frankfurter Städel Museum. Die Ausstellung zeigt in zwei Etagen in je mehreren Räumen die in dem Buch vorgestellten Werke, sehr schön präsentiert, mit separaten Tafeln zu Epoche und Sujet, jedes Werk mit einer eigenen Hinweistafel, wie das auch so üblich ist.

Das Gefühl des Überwältigtseins stellte sich trotz der geballten Crananch-Kunst nicht ein, die man wohl selten zusammen wird wieder sehen können. Denn irgendwie wirkten die Gemälde vertraut, obwohl es von einer Ausnahme abgesehen der erste visuelle Kontakt des Rezensenten mit Cranachs Opus war. Der Grund dafür liegt aber ganz einfach in der außergewöhnlich hohen Qualität der Abbildungen des Ausstellungsbandes begründet. Denn wenn man sich damit intensiv beschäftigt, so werden die Abbildungen früher oder später vertraut. Das spricht natürlich keineswegs gegen die Ausstellung, sondern für den Ausstellungsband.

Aber natürlich lohnt der Besuch im Städel Museum dennoch, das schließlich einen der bedeutendsten europäischen Kunstschätze birgt. Man kann Cranach dann in die Kunst seiner Zeit einordnen, denn Städel ist bestens sortiert.

Fazit
Cranach lebt in dem Ruf, bis 1505 kraftvoll und innovativ gewesen zu sein, um dann für nahezu 50 Jahre "leidenschaftslos auszurinnen". Vielleicht ist diese Entwicklung einer formalen Standardisierung der Fertigungsprozesse geschuldet, die eine enorme Nachfrage auslöste. Doch ökonomisch ausgerichtete und durchrationalisierte Werkstätten sind nicht ein Monopol Cranachs, auch Andere arbeiteten so. Er verband Produktivität mit Qualität und bahnte dem wirtschaftlichen Erfolg den sonst so steinigen Weg zur Kunst.

Die Ausstellung verspricht einen lohnenden Besuch, und zwar nicht nur für D-Mark-Nostalgiker. Und dieser Ausstellungsband ist die ideale Vorbereitung eines solchen Besuches und gleichzeitig ein prächtiges Andenken. Man muss der Gerechtigkeit halber sagen, dass dieser prachtvolle Bildband dank der Förderung der Sponsoren dieser Ausstellung zu einem Bruchteil des Wertes angeboten wird, was alleine schon den Kauf rechtfertigen würde. Eine weitere Wertsteigerung erhält er als Vor- und Nachbereitung einer außergewöhnlichen Ausstellung.

(Klaus Prinz; 12/2007)


"Lucas Cranach"
Hrsg. Bodo Brinkmann, Text von Bodo Brinkmann, Mark Evans,
Dieter Koepplin, Joseph Koerner, Werner Schade, Andreas Tacke u.A.

Hatje Cantz Verlag, 2007. 400 Seiten, ca. 155 farbige Abbildungen.
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Weitere Buchtipps:

Berthold Hinz: "Lucas Cranach d. Ä."

Lucas Cranach d.Ä. ist neben Albrecht Dürer und Matthias Grünewald der dritte im Dreigestirn der großen deutschen Maler um 1500. Als Freund und Mitstreiter Martin Luthers begründete er die protestantische Bilderwelt. In der Werkstatt des unternehmerisch begabten Bürgers von Wittenberg entstanden genau charakterisierende Porträts und religiöse Bilderwerke, vor allem aber in Mengen perfekt gemalte erotische Darstellungen, die seinen Ruhm als Meister profaner Sujets festigten. (Rowohlt)
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"Lucas Cranach. Glaube, Mythologie und Moderne"
Bereits Cranachs Zeitgenossen konnten sich dem Zauber seiner Bilder nicht entziehen, und auch Künstler des 20. Jahrhunderts waren von seinem Werk fasziniert, was etwa die Cranach-Paraphrasen von Pablo Picasso und Ernst Ludwig Kirchner belegen.
Nördlich der Alpen hat sich kein anderer Maler der Epoche intensiver mythologischen Darstellungen zugewandt. Darin übertrifft er auch Albrecht Dürer, den wichtigsten deutschen Maler neben ihm. Der Künstler traf in Wittenberg auf einen Kreis von humanistischen Philosophen, die die heidnische, antike Geschichte und Götterwelt studierten und neu deuteten. Sie regten Cranach dazu an, die traditionellen religiösen Bildthemen wie beispielsweise Adam und Eva in ein neues, der Antikenmode der Zeit verpflichtetes Gewand zu kleiden und als Venus und Amor - Cranach hat als erster Künstler außerhalb Italiens einen Frauenakt gemalt - neu zu präsentieren.
Die Publikation führt mit Beiträgen von international ausgewiesenen Cranach-Kennern diesen Schwerpunkt seines Spätwerks aus der Zeit von 1506 bis kurz vor seinem Tod sachkundig vor Augen. (Hatje Cantz Verlag)
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