Anne von Canal: "Mein Gotland"

Erzählungen von Wind, Zeit und Einsamkeit


Eine traumhafte Liebeserklärung an die Insel: Das Meer, das Land und die Menschen - und Selbsterkenntnisse

Gotland, die größte schwedische Ostseeinsel (mitsamt der kleinen Nachbarinsel Fårö), steht im Mittelpunkt der Erzählungen der 1973 geborenen Autorin Anne von Canal. Sie beschreibt ihre "Winterinsel" und nimmt den Leser gewissermaßen auf eine inspirierende Reise mit, die mittels Gegenwärtigem und Vergangenem, Wirklichkeiten und Fantasien höchstpersönliche Eindrücke umfasst und Ereignisschilderungen bietet.

"Gotland ist meine Winterinsel.
Sie ist wild und seltsam, verschwiegen und oft undurchsichtig, aber auch freundlich und großzügig, wie eine kluge Dame, die alles gesehen und nichts versäumt hat, nicht gefallen will und keine Erwartungen erfüllen muss."
(S. 9)

In zehn Kapiteln, mit eingestreuten reflektierenden Passagen zwischendurch, (es handelt sich um literarisch-philosophische Einsprengsel, blasser gedruckt als die anderen Textpassagen), bringt Anne von Canal dem Leser nahe, was sie an Gotland schätzt, und man lernt auch Gemütslage und Temperament der Schriftstellerin kennen. "Mein Gotland" ist freilich kein Reiseführer, es handelt sich schließlich um Erzählungen, sodass sich neben bisweilen verfremdeten Elementen einer klassischen Reisereportage auch rein Erdachtes findet.
Sei es, dass sie anhand einer Fotografie der Mannschaft des anno 1969 auf Grund gelaufenen Frachtschiffs "Fortuna" nachspürt, in der Nähe der Hauptstadt Visby Pippi Langstrumpfs in einen Freizeitpark umgezogene "Villa Villekulla" besucht und dort einige Überraschungen erlebt, auf der kleinen Nachbarinsel Fårö den Spuren des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman (1918-2007), der mehr oder weniger leibhaftig auf der Bildfläche erscheint und Lebensweisheiten oder auch Banales absondert, folgt.
Auf der Suche nach einer Tankstelle verschlägt es Anne von Canal zu einem aus der Zeit gefallenen Lokal, wo Thomas "Kuten" Lindholm in seinem kuriosen "Phantasmoversum" haust. Sie beschreibt Alltagserlebnisse im "zweiten Arbeitszimmer", einer Konditorei nämlich, und bietet einen Rückblick auf ein Fußballspiel im Jahr 1958, besichtigt die Reste des anno 1945 von Kriegsflüchtlingen geschaffenen Sportplatzes und Theaters "Lagerlingen", entdeckt im Wald von Follingbo die Ruinen des einstigen Anwesens des wirtschaftlich ungeheuer erfolgreichen, privat jedoch nicht eben vom Glück verfolgten Handelsmanns Jacob Dubbe und erzählt seine Geschichte.
Eine zufällig aufgeschnappte romantische Liebesgeschichte aus vergangenen Zeiten führt die Autorin nach Fridhem, in das 1861 erbaute ehemalige Pensionat, das einst einer außergewöhnlichen Prinzessin als Sommerfrische diente. Daraus entwickelt Anne von Canal eine bezaubernde Geschichte auf mehreren Ebenen.
Ein Besuch beim Baldnichtmehrwinzer Lauri bringt unerwartete Erkenntnisse, bevor von jenem denkwürdigen 8. Juni 2013 berichtet wird, als ab 11 Uhr alle Kirchenglocken der Insel (es gibt übrigens fast einhundert Kirchen auf Gotland) ein extra komponiertes Stück läuteten, das im Radio übertragen wurde.

Inseln sind besondere Sehnsuchtsorte, voller einzigartiger Geschichten und Einwohner. Die ebenso neugierige wie sensible Autorin hat Gotland mit dem Auto und zu Fuß erkundet, ist in allerlei trefflich geschilderte Wetterlagen geraten und außergewöhnlichen Zeitgenossen begegnet. Und selbstverständlich ist das Meer omnipräsent, Anne von Canal nennt die Landschaft folglich auch "Meerschaft".
Indem sie nicht nur äußere Eindrücke und Inselgeschichten festhält, sondern auch ihre Gedankengänge und Assoziationen beisteuert, entsteht ein lebendiges Bild von Land und Leuten vor dem inneren Auge des Lesers.

(kre; 10/2020)


Anne von Canal: "Mein Gotland. Erzählungen von Wind, Zeit und Einsamkeit"
mare, 2020. 144 Seiten.
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Anne von Canal war nach dem Studium der Skandinavistik und Germanistik zehn Jahre lang im Verlagswesen und als Übersetzerin tätig, bevor sie sich selbst dem Schreiben widmete. Sie lebt an Elbe und Mosel.

Netzseite für Besucher Gotlands: https://gotland.com/

Weitere Bücher der Autorin und Buchtipps:

Anne von Canal: "Der Grund"

Wie oft kann ein Mensch von vorn beginnen?
Ein reicher Stockholmer Vorort in den 1960er-Jahren: Laurits liebt das Spielen mit seinem besten Freund, das Schwimmen und Tauchen am Sommerhäuschen und vor allem die Klavierstunden bei Fräulein Andersson. Überall fühlt er sich wohler als in Gegenwart seiner überspannten Mutter und des dominanten Vaters, der für seinen Sohn eine Zukunft als Mediziner vorsieht. Doch als Laurits 18 wird, ist eine Karriere als Konzertpianist zum Greifen nah, und er spielt um sein Leben. Dann kommt alles anders als gedacht; Laurits findet seine Bestimmung als Arzt - und mit seiner großen Liebe Silja und der gemeinsamen Tochter Liis das Glück. Bis er Jahre später bei einem Familienfest erfahren muss, dass sein Leben auf Sand gebaut ist. Er trifft eine folgenschwere Entscheidung.
"Der Grund" erzählt die Geschichte eines Mannes, der immer wieder gezwungen ist, sich neu zu erfinden - und entwickelt dabei einen atmosphärischen Sog, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Mit allen Sinnen erlebt man zusammen mit Laurits Licht und Schatten im großbürgerlichen Elternhaus zwischen Pflichterfüllung und Freiheitsdrang und begleitet ihn auf seiner Suche nach Aussöhnung, die ihn um die ganze Welt führt. (mare)
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Anne von Canal: "Whiteout"
Was bleibt, wenn ein Mensch wortlos geht?
Es ist ein E-Mail mit nur einer Zeile, die Hannas Welt ins Wanken bringt: Durch ihren Bruder Jan erfährt sie vom Tod ihrer besten Jugendfreundin Fido. Die Nachricht erreicht Hanna ausgerechnet während einer wichtigen Antarktisexpedition, von der die Glaziologin neue Erkenntnisse über das Klima der Vergangenheit erwartet. Seit Fido vor zwanzig Jahren ohne Erklärung den Kontakt abbrach und damit alle gemeinsamen Zukunftspläne verriet, hat Hanna versucht, die einst so Vertraute aus ihrem Kopf zu verbannen. Doch jetzt, in der endlosen Weite des Eises, lassen die Erinnerungen und ungeklärten Fragen sie immer mehr die Kontrolle verlieren. Als die Spannungen in Hannas kleinem Forscherteam zunehmen und dann auch noch ein Schneesturm den Erfolg ihres Projekts gefährdet, wird die Zeit im Eis endgültig zur Zerreißprobe. (mare)
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Antje Rávik Strubel: "Gebrauchsanweisung für Schweden"
Pippi Langstrumpf, Männer mit Kinderwagen und leuchtend rote Holzhäuser - die Autorin spürt ihrer Sehnsucht nach und verrät, wie Wintersport in Schweden zum Volksfest wurde und womit Köttbullar und Safrankuchen am besten schmecken. Weshalb es hier kaum "Ikea"-, aber so viele Antikmärkte gibt. Was Gotland zum Paradies für Alleinreisende macht und was bei dreimonatiger Dunkelheit gegen Schwermut hilft. Wieso der Wodkagürtel so locker sitzt und der Polarkreis gleichzeitig in zwei Richtungen wandert. Dass bei den Schweden schon die Nationalhymne von der Liebe der Natur erzählt. Wie es wirklich um die supersoziale Marktwirtschaft bestellt ist. Und was Sie tun sollten, wenn Sie beim Himbeerpflücken von einem Elch überrascht werden. (Piper)
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Rasso Knoller: "Lesereise Schweden. Nils Holgersson und die Dame von der Post"
Ein Himmel in einem Blau, wie es allenfalls Verliebte in den Augen ihrer Angebeteten erblicken, und dazu saftiggelbe Herbstwiesen - die schwedischen Nationalfarben lachen Rasso Knoller im Land der Elche bereits aus der Natur zu. Auf dem Fahrrad, einem selbst gebauten Floß oder dem Hundeschlitten führt diese Lesereise durch das Land, in dem man besonders gern den Spuren der riesigen Hirsche folgt und in die Fußstapfen Astrid Lindgrens tritt.
Knoller bereist, was man gemeinhin mit Schweden assoziiert: die "Villa Kunterbunt", die Produktionsstätte des Dalarna-Pferdes, des aus Holz geschnitzten Nationalsymbols, und das Städtchen Ystad, in dem Kommissar Wallander auf Verbrecherjagd geht. Zum unvergesslichen Erlebnis werden die einzelnen Stationen aber durch die Zeitgenossen, denen der Autor begegnet und die ihm Orte abseits der gängigen Touristenpfade zeigen. So besucht er etwa eine Bibliothek, in der man anstelle von Büchern Menschen ausleihen kann. Rasso Knollers Routen führen durch einen weiten Teil Schwedens und tief in die Seele der Nation. (Picus)
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Rasso Knoller: "Gotland. Handbuch für individuelles Entdecken"
Die Ostseeinsel Gotland ist ein echter Geheimtipp! Vieles hat sie zu bieten, was den Reiz Schwedens ausmacht: nette Menschen, unberührte Natur, die "Villa Kunterbunt" von Pippi Langstrumpf und mit Visby eine Stadt, in der an jeder Ecke die Spuren von Wikingern und den Kaufleuten der Hanse zu finden sind. Nicht zuletzt ist das Klima hier besonders mild und eignet sich hervorragend zum Badeurlaub, der an der 800 Kilometer langen Küste gut möglich ist. Die vielen kleinen Orte vermitteln ländliches Flair, und wer vor dem Trubel der Großstadt fliehen und sich entspannen möchte, wird auf Gotland viele schöne Plätze dafür finden.
Dieser kompakte Reiseführer beschreibt alle interessanten Orte auf Gotland und garantiert durch seinen Aufbau eine gute und rasche Orientierung. Jedes Kapitel beginnt mit einer Doppelseite, auf der die Inhalte mit einer Übersichtskarte der Region, Besonderheiten und Seitenverweisen vorgestellt werden. Farblich auf die Kapitel abgestimmte Seitenzahlkästchen erleichtern die Orientierung im Buch. Eine verbesserte Kartengrafik trägt zusätzlich zur vereinfachten und gezielten Handhabung bei.
Natürlich enthält der Reiseführer die bewährten und praktischen Tipps zu Reisefragen von A bis Z. Viele spezielle Informationen, beispielsweise zu Strandvergnügen, Radausflügen und unterhaltsame Exkurse zu Land und Leuten zeichnen diesen aktuellen Reiseführer aus. Eine kleine Sprachhilfe Schwedisch enthält die wichtigsten Ausdrücke für unterwegs. (Reise Know-How Verlag Peter Rump GmbH)
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