Dagmar Röhrlich: "Tiefsee"

Von schwarzen Rauchern und blinkenden Fischen


Eine spannende Reise durch die geheimnisvolle Welt der Ozeane

Lange Zeit galt die Tiefsee als eine tote Zone, dunkel und lebensfeindlich. Weder hatte man einen Eindruck von den tatsächlichen Tiefen, die an manchen Stellen erreicht werden, noch von den vielfältigen unterschiedlichen Lebensräumen, die die Tiefsee bereithält - und schon gar nicht von der Artenvielfalt, die diese ökologischen Nischen aufweisen.
Erst im 19. Jahrhundert setzte die Erkundung der Tiefsee ein, teils mit heute primitiv anmutenden Methoden.

Dagmar Röhrlich setzt allerdings im Jahr 1960 an, als die "Trieste", ein damals neuartiger Bathyskaph, also eine Art Tiefsee-U-Boot, auf Tauchfahrt ging mit allen erdenklichen Pannen und dann doch erstaunliche Ergebnisse aus über 11.000 Metern Tiefe zutage förderte. Die Expedition, die den Leser jedoch durch das ganze Buch begleitet, ist jene der "Challenger", die Ende 1872 in Portmouth begann und rund dreieinhalb Jahre später nach der Durchquerung und zum Teil gründlichen Erforschung sämtlicher Ozeane endete. Als roter Faden dienen die erhaltenen Briefe eines jungen Seemanns und die Aufzeichnungen der Wissenschaftler an Bord.

Der Leser lernt die Techniken kennen, mit denen die Wissenschaftler an Bord arbeiteten, all die Unwägbarkeiten und Entbehrungen, mit denen es damals auf einer Forschungsreise zu kämpfen galt. Mitarbeiter sterben oft unter dramatischen Umständen, und über viele hundert Meilen herrscht immer wieder Langeweile - an Bord, nicht bei der Lektüre. Dennoch kommt es nicht selten zu überraschenden Funden und Schlüsselerlebnissen - die auch heute noch die Ozeanografie und die Tiefseebiologie prägen.

Die Reise der "Challenger", auf die Dagmar Röhrlich den Leser mitnimmt, wird bisweilen unterbrochen durch Einschübe, die sich mit dem aktuellen Stand der Forschung befassen. Denn natürlich blieb den Wissenschaftlern auf der "Challenger" manches verborgen, zum Beispiel die "Schwarzen Raucher", die auf Vulkanismus beruhen und trotz eines sie umgebenden giftigen, heißen und ätzenden Chemikaliencocktails einer reichen Flora und Fauna eine Heimstatt bieten. Oder "Lost City", die Verlorene Stadt, deren Kalktürme in der Tat an eine untergegangene Residenz erinnern. Hier herrschen stark alkalische und ebenso lebensfeindlich wirkende Bedingungen, und doch ist auch "Lost City" dicht besiedelt.

Anschaulich und lebendig erzählt Dagmar Röhrlich die Reise der "Challenger" nach, und ebenso kurzweilig lesen sich die Berichte von neuen Erkenntnissen aus der Tiefseeforschung. Dies geht jedoch nicht zu Lasten des Informationsgehaltes: Das vorzüglich recherchierte Buch enthält eine Fülle an interessanten Fakten. Ergänzend findet man oft Infokästen, die, wo nötig, auch mit Schemazeichnungen versehen sind. Auch Kartenmaterial wurde eingebunden.

Illustriert ist der eigentliche Text mit Grafiken von Walther-Maria Scheid, teils schwarz-weiß, teils koloriert, die auf ihre Weise von der Tiefsee erzählen. Mancher Leser dürfte sich in einem Sachbuch allerdings eher Fotos wünschen, deren Aussagekraft letztlich doch höher ist, und von denen es auch in Bezug auf die Tiefsee mittlerweile reichlich gibt.

Die erwähnte Orientierung an der Reise der "Challenger" mit passend angebrachten Ergänzungen und Einschüben aus späteren Missionen bietet Kontinuität und Abwechslung in Einem, wobei die Spannung immer erhalten bleibt. Das Buch schließt mit einer Betrachtung zu den Gefährdungen, denen die Tiefsee durch den Menschen durch brutale Fischfangmethoden und Umweltverschmutzung, nicht zuletzt durch Plastikabfälle, aber auch durch Klimaveränderungen ausgesetzt ist, und mit einem Glossar, in dem die wichtigsten Fachwörter aus dem Buch erläutert werden.

Ein spannendes Buch, dessen Lektüre sich auf jeden Fall lohnt!

(Regina Károlyi; 09/2010)


Dagmar Röhrlich: "Tiefsee. Von schwarzen Rauchern und blinkenden Fischen"
Marebuch, 2010. 320 Seiten, mit zahlreichen farbigen Illustrationen von Jan Feindt.
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