Wolfgang Behringer: "Kulturgeschichte des Klimas"

Von der Eiszeit zur globalen Erwärmung


Ein Appell zu größerer Besonnenheit

Nach zahlreichen Publikationen zum Thema Klima und Klimawandel, vorwiegend von Autoren, die sich in die immer größer werdende Gilde der Schwarzmaler einreihen und eine oft radikale Umkehr, eine ökologische Revolution fordern, (man denke nur an James Lovelocks utopistischen Vorschlag, landwirtschaftlich genutzte Flächen der Natur zurück zu geben und die Menschheit mit synthetisch hergestellten Nahrungsmitteln zu versorgen) erhebt nun Wolfgang Behringer seine Stimme, um zu etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit diesem heißen Thema zu mahnen. Und sein Beitrag zu einem kontrovers diskutierten und zudem mit Emotionen behafteten Thema hält tatsächlich eine gesunde Distanz zu radikalen Positionen. Behringer beschönigt zwar nichts, malt aber auch den Teufel nicht an die Wand. Schon im Vorwort gibt er zu bedenken, Vorhersagen zum Klima als das zu betrachten, was sie sind, nämlich Prognosen, und über die Zuverlässigkeit naturwissenschaftlicher Prognosen sollte man sich Behringer zufolge keinen Illusionen hingeben. Noch in den 1960er Jahren sahen Klimaforscher eine neue Eiszeit heraufdämmern und diskutierten über Abwehrmaßnahmen, die uns aus heutiger Sicht völlig absurd erscheinen müssen.

Wolfgang Behringer ist in seinen Betrachtungen zur Geschichte des Klimas immer um Sachlichkeit bemüht, auch wenn ihm gelegentliche Fehlinterpretationen unterlaufen. Es trifft beispielsweise nicht zu, dass Ortsnamen mit den Silben -loh oder -bronn am Wortende auf eine Brandrodung hinweisen, -bronn leitet sich ab von Brunnen und Loh ist ein altes deutsches Wort für Hain oder Wald, in manchen Gegenden bezeichnet es auch eine Sumpfwiese. Und auch Pieter Breughels "Heimkehr der Jäger", das den Buchumschlag als Titelbild ziert, scheint mir keine apokalyptische Drohkulisse darzustellen, wie der Autor meint, der die Menschen dort als "finstere Silhouetten, ihrem eigenen Schatten ähnlich" wahrnimmt. Ich sehe dort neben den heimkehrenden Jägern vor allem auch Kinder und Erwachsene, die sich auf dem zugefrorenen Dorfteich mit Wintersport vergnügen. Bei der Fülle an Daten, Fakten und Spekulationen aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten, die Wolfgang Behringer seinen Lesern kredenzt, sind solch geringfügige Unstimmigkeiten natürlich verzeihlich.

Akribisch pflügt Behringer sich durch die Geschichte der Erde, des Klimas, des Lebens auf dieser Erde und als Teil davon, der Menschheitsgeschichte. Durch seinen ansprechenden, flüssigen Stil, der Informationen zudem noch spannend vermitteln kann, hält er seine Leser in der Spur. Präzise zeigt er die Zusammenhänge zwischen klimatischer und kultureller Entwicklung auf und gibt zu bedenken, dass die gegenwärtige Erwärmung nicht nur Gefahren, sondern auch Möglichkeiten bergen kann. Wobei mir allerdings das Maß, in dem laut Behringer das Klima Einfluss auf die Weltgeschichte genommen hat, etwas übertrieben scheint. Aufstieg und Zerfall des römischen Reiches, der Untergang der mittel- und südamerikanischen Maya- und Moche-Hochkulturen, der 30jährige Krieg, die Französische Revolution, Judenpogrome und Hexenwahn ... alles Auswirkungen einer Veränderung der klimatischen Bedingungen? Das fällt doch irgendwie schwer, zu glauben. Lyndal Roper schreibt zu dem Thema in ihrer erst kürzlich erschienen, umfangreichen Studie über den Hexenwahn: "Das Motiv des Wettermachens spielte keine zentrale Rolle, wenngleich es gelegentlich vorkommt."

Einen breiten Raum in Behringers "Kulturgeschichte des Klimas" nimmt die globale Abkühlung während der kleinen Eiszeit ein, darunter versteht man die Zeit vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. Dazu liefert Behringer eine Fülle von Daten und auch Beispiele der verschiedenartigsten Naturkatastrophen, denen die Menschen während dieser Kälteperiode ausgeliefert waren. Aber auch da scheint mir einiges übertrieben oder auch unglaubwürdig. Man muss sich die Frage stellen, wie zuverlässig die Berichte der von Behringer zitierten mittelalterlichen Chronisten überhaupt sind. Immerhin ist es tröstlich, zu wissen, dass eine globale Abkühlung vermutlich weit verheerendere Konsequenzen nach sich zöge als die globale Erwärmung, mit er wir uns in der Jetztzeit konfrontiert sehen. Eine Klimaerwärmung bewirkte häufig eine kulturelle Blüte, eine Abkühlung hingegen fast immer schwere Erschütterungen. Und die zur Zeit gemessene Erwärmung liegt immer noch deutlich unter dem Temperaturanstieg während des sogenannten Atlantikums, einer Wärmezeit circa 6000 bis 3000 v. Chr., die der Entwicklung der menschlichen Kultur angeblich in besonderem Maße förderlich war. Ist also alles gar nicht so dramatisch, wie es den Anschein hat, oder wie uns die Pessimisten glauben machen wollen? Dabei wäre allerdings noch zu bedenken, und Wolfgang Behringer spricht dies auch an: gäbe es nicht die vom Menschen verursachte Luftverschmutzung durch kleine und kleinste Teilchen, die sogenannten Aerosole, die für einen Abkühlungseffekt sorgen, dann wäre die globale Erwärmung vermutlich deutlich höher.

Wolfgang Behringer resümiert: "Das Klima war in den letzten fünf Milliarden Jahren - seit Entstehung der Erde - immer im Wandel und wird es auch in Zukunft sein." Vorstellungen, die beispielsweise die Erde als einen fiebernden Patienten sehen, mögen manchmal das Verständnis erleichtern, doch die Realität ist stets weit komplexer, als es eine Metapher auszudrücken vermag. Und aus Sicht der Natur sind veränderte klimatische Bedingungen vollkommen neutral. Der einen Spezies bringen sie Schaden, der anderen hingegen Nutzen. Also, folgert Behringer, ist der Naturschutz im Grunde eine Art von Konservativismus, dem es weniger um die Natur an sich, als vielmehr um die Erhaltung des Bestehenden geht, um die Erhaltung der uns genehmen und vertrauten Natur. Damit möchte er die Notwendigkeit von Natur- und Artenschutz keinesfalls in Frage stellen. Der Autor appelliert sogar an jeden Einzelnen, seinen ganz persönlichen Beitrag zum Naturschutz zu leisten, denn dies ist in vielen Fällen tatsächlich auch auf lokaler Ebene möglich.

Als Quintessenz dieses lesenswerten Buches könnte man formulieren, dass weder Verharmlosung noch Panikmache angesagt sind, sondern einfach etwas mehr Gelassenheit. Die Erde wird sich vermutlich weiter erwärmen, und wir müssen uns irgendwie den veränderten Gegebenheiten anpassen. Während ich diese Zeilen schreibe, bekomme ich einen Zeitungsartikel in die Hand, der den Befürchtungen der Apokalyptiker, wie Behringer die Pessimisten unter den Klimaforschern nennt, neue Nahrung gibt. Das Eis am Nordpol ist in einem Maße zurück gegangen, wie man es sich noch vor einem Monat nicht hat vorstellen können. Eigil Kaas, Meteorologe: "Was wir da erleben ist krass. Es bestätigt die schlimmsten Prognosen."

(Werner Fletcher; 09/2007)


Wolfgang Behringer: "Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit zur globalen Erwärmung"
Gebundene Ausgabe:
C.H. Beck, 2007. 352 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2011. 352 Seiten.
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Wolfgang Behringer, geboren 1956, lehrt als o. Professor Geschichte, Lehrstuhl Frühe Neuzeit, an der Universität des Saarlandes.

Noch ein Buchtipp:

Hans von Storch, Werner Krauß: "Die Klimafalle. Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung"

Die Klimagipfel scheitern und bleiben folgenlos, obwohl die Emissionen immer weiter steigen. Der Klimaforscher Hans von Storch und der Ethnologe Werner Krauß erklären, wie wir in der Klimafalle gelandet sind - und wie wir ihr entkommen können. Die inflationäre Ankündigung der Klimakatastrophe hat zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit von Wissenschaft geführt. Dabei ist der Klimawandel keine wissenschaftliche Frage, sondern eine gesellschaftliche. Er muss in regionaler Kultur, Alltag und Politik verankert werden. Die Weltgesellschaft braucht keine politisierte Wissenschaft, die das 2-Grad-Ziel ausruft, sondern eine, die die Bedingungen für einen pragmatischen Umgang mit dem Klimawandel auslotet. (Hanser)
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