Dagmar Röhrlich: "Die Spur des Menschen"

Oder was die Erde alles aushalten muss


Eine Spur der Verwüstung

Es ist eine Spur der Verwüstung, die unsere menschliche Zivilisationskarre in die Erde gefurcht hat. Den Versuch, diese Spur nachzuzeichnen und ihre fatale Richtung aufzuzeigen, das hat Dagmar Röhrlich mit ihrem Buch "Die Spur des Menschen" unternommen. Sie bedient sich dabei lobenswerterweise eines lockeren Plaudertones, trockene und schulbuchhafte Systematik bleibt weitgehend außen vor.

Zu Anfang ihres interessanten und aufrüttelnden Sachbuches lässt Dagmar Röhrlich die Mondlandung sowie die Umstände, die damals dazu geführt haben, noch einmal Revue passieren. Im letzten Kapitel greift sie das Thema Mondlandung dann noch ein weiteres Mal auf und stellt der damaligen Herausforderung "Flug zum Mond" die Herausforderungen gegenüber, mit denen sich die Menschen heute konfrontiert sehen, um schließlich festzustellen, dass die Herausforderungen an unsere heutige sowie an die nachfolgenden Generationen doch gigantisch scheinen im Vergleich zu dem astronautischen Abenteuer Mondlandung. Dennoch stimmt Frau Röhrlich nicht in die Kassandrarufe des Untergangs ein. Auch das ist lobenswert.

Dagmar Röhrlichs Buch vermittelt eine Fülle an Informationen, an Zahlen, Daten, Fakten und Namen aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten. Diese Fülle macht das Buch nicht gerade einfach zu lesen. Und komplizierte Zusammenhänge, die selbst von den Fachwissenschaftlern in ihren Einzelheiten immer noch nicht ganz verstanden werden, jedem verständlich und plausibel zu machen, das ist gewiss keine leichte Aufgabe. So würde ich dieses Buch denn auch als Jugendsachbuch und als Buch für Erwachsene einstufen, als Lektüre für Kinder unter zwölf Jahren hingegen scheint es mir kaum geeignet. Besonders die ersten vier Kapitel, in denen es um das Funktionieren des Systems Erde geht, stellen doch hohe Ansprüche, und gewiss nicht nur an das Verständnis des jungen Lesers.

Der Entstehung des Menschen widmet sich das fünfte Kapitel, während das sechste die Frage aufwirft und zu beantworten sucht, warum wir so viele geworden sind. Dabei lässt die Autorin es jedes Mal spannend angehen zu Beginn eines Kapitels. Fesselnd und beinahe im Stile eines Abenteuerromans führt sie ihre Leser ein in das nicht weniger spannende Abenteuer Wissenschaft. Dazu wird der Text immer wieder mit Anekdoten aufgelockert, kleinen Geschichten am Rande, wie beispielsweise der, dass die Entstehung von Mary Shelleys Roman "Frankenstein" in gewisser Hinsicht auf den Ausbruch des Vulkans Tambora zurückzuführen ist.

Mit Beginn des siebten Kapitels kommt die Autorin dann zu ihrem eigentlichen Thema, nämlich wie wir Menschen die Erde verändert haben und immer stärker verändern. Und da legt sie ihren Zeigefinger vornehmlich auf die Wunde, die die intensiv betriebene Landwirtschaft der Erde zufügt, ein Thema, das sonst gern unter den Teppich des Verschweigens gekehrt wird. Die Landwirtschaft, die nicht nur für ein Fünftel des weltweit ausgestoßenen Kohlendioxids sorgt, sondern auch noch gewaltige Mengen der weitaus gefährlicheren Treibhausgase Methan und Lachgas in die Atmosphäre pustet. Ähnlich steht es mit dem Wasserverbrauch, auch da liegt die Landwirtschaft weit vorne. Allein für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch, so Dagmar Röhrlich, werden 15.000 Liter Wasser verbraucht.

Selbstverständlich kann man nun der Landwirtschaft nicht allein den Schwarzen Peter zuschieben, und das beabsichtigt die Autorin auch gar nicht. Da gibt es auch noch die Industrie, den expandierenden Verkehr, den Städtebau, der die Landschaft mit Beton versiegelt und so weiter. Im Grunde sind wir alle verantwortlich, jeder Einzelne von uns ist gefordert, etwas zu tun, etwa unsere Ansprüche zurückzuschrauben, verantwortungsvoller mit den Ressourcen dieser Erde umzugehen, wie beispielsweise mit dem Wasser. Dagmar Röhrlich versucht, ihren Lesern klar zu machen, dass das Grundwasser ebenso begrenzt ist wie die Ölvorräte und ebenfalls oft fossilen Ursprungs ist, und dass wir mit diesen Vorräten nicht so sorglos umgehen sollten, wie wir das zur Zeit noch tun.

Die Plünderung der Ozeane ist ein weiteres Thema. Mit beeindruckend wie gleichermaßen erschreckend wirkenden Zahlen wartet die Autorin hier auf. Unter anderem mit der geradezu unglaublich anmutenden Zahl von 3.340.000 Stück Plastikmüll, die pro Quadratkilometer im Nordpazifischen Meereswirbel schwimmen sollen. Der Leser erfährt von Geisternetzen, die herrenlos durch die Ozeane treiben und auf völlig sinnlose Weise dazu beitragen, die Fischbestände zu dezimieren. Und die die Meere durchpflügenden Schiffe der Fischereiflotten bezeichnet Dagmar Röhrlich ganz treffend als "die Heuschreckenschwärme der Meere". Dagegen nehmen sich die - wenn auch spektakulären - Tankerhavarien noch vergleichsweise harmlos aus.

In den Kapiteln 11 bis 14 kommt dann die Artenvielfalt auf dieser Erde zur Sprache, und wie wir im Begriff stehen, diese Vielfalt immer weiter zu reduzieren. Und dies geschieht, seit der Mensch den Schauplatz der Geschichte betreten hat. Dagmar Röhrlich bezeichnet es als "romantische Illusion, zu glauben, dass die Menschen jemals in Harmonie mit der Natur gelebt haben". Da mag sie recht haben. Und auch hier ist wieder die vom Menschen betriebene Landwirtschaft Vorreiterin der drohenden Apokalypse. Besonders heftig geißelt Frau Röhrlich den Wahnsinn der Biospritproduktion, und da steht sie sicher nicht allein da unter den Experten.

Kapitel 15 rückt die großen Megastädte in den Blickpunkt und zeigt auf, wie und in welchem Maße sie auf die Umwelt einwirken. Im Kapitel 16 schließlich werden Konzepte vorgestellt, wie man künftig vielleicht vernünftiger und schonender mit unserer Erde, ihren tierischen und pflanzlichen Bewohnern und ihren Ressourcen umgehen könnte. Doch hier muss die Autorin leider passen, alles dazu ist verschwommen und allgemein gehalten, wirkliche Lösungsvorschläge hat Dagmar Röhrlich nicht zu bieten. Sie fordert Anpassungsstrategien, neue Ideen und innovative Technologien, doch wie die im Einzelnen auszusehen haben, das erfahren wir nicht. "Eine grüne Revolution braucht die Welt", so lautet der letzte Untertitel des 16. Kapitels. Doch bleiben das alles Schlagworte, bestenfalls schwammige Visionen, die uns nicht weiterhelfen werden.

Um ein Bewusstsein für die Umweltprobleme, mit denen wir konfrontiert sind, zu entwickeln, und um dieses Bewusstsein zu schärfen, dazu kann uns dieses insgesamt als gelungen zu bezeichnende Buch aber schon verhelfen.

(Werner Fletcher; 02/2009)


Dagmar Röhrlich: "Die Spur des Menschen oder Was die Erde alles aushalten muss"
Bloomsbury, 2009. 288 Seiten. (Ab 12 J.)
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Dagmar Röhrlich studierte Geologie und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin. Für ihre Arbeiten im Rundfunk und in den Printmedien hat sie etliche renommierte Auszeichnungen erhalten, darunter den "Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus" (1999).

Weitere Bücher der Autorin:

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"Evolution auf der Achterbahn oder Warum wir Menschen unsere Existenz einem Vulkanausbruch verdanken"
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Dagmar Röhrlich nimmt den Leser mit auf eine faszinierende Entdeckungsreise zurück in wahrhaft turbulente ferne Zeiten. Und sie fragt, ob wir aus dieser Vergangenheit irgendwelche Lehren für unsere Zukunft und die unseres Planeten ziehen können. (Bloomsbury)
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