Terry Pratchett: "Wachen! Wachen!"

In diese Nachtwache, die einen sehr schlechten Ruf in der Stadt hat, tritt eines Tages ein Mensch ein, der bei den Zwergen aufgewachsen ist, nämlich Carot Ironfounderson (Karotte Eisengiessersohn). Er hat gehört, dass die Stadtwache dazu dient, die Leute anzuhalten, die Regeln des Zusammenlebens einzuhalten, und mit einer alten Kopie des Stadtrechts und einem Schwert sowie einem stabilen Tiefschutz hat er sich hoffnungsfroh in die Stadt begeben, um ein Mann zu werden. Beim Zug durch die Stadt, auf der Suche nach einer Bleibe, rettet er eine junge Prostituierte vor einigen Räubern und bekommt ihre volle Dankbarkeit angeboten, die er allerdings in seiner jugendlichen Naivität, die auf seiner Erziehung durch Zwerge, die über Dinge der Fortpflanzung nie reden, beruht, nicht wirklich ausnutzt. Dieser Umstand bringt ihm ein Zimmer in einem Bordell in den "Schatten" ein, dem verrufensten Viertel der Stadt. Am nächsten Tag macht sich der junge Mann damit beliebt, dass er den Chef der Diebesgilde verhaftet und zusammengeschnürt vor den Palast des Patriziers legt, was in einigen Kreisen für Amüsement sorgt. Nachdem ein nicht ganz nüchterner Captain Vimes (Sam Mumm) vom Sekretär des Patriziers dafür abgekanzelt worden ist, erfährt er zu seinem Entsetzen bei der Rückkehr auf die Wache, dass der neue Rekrut mit einem der beiden anderen Nachtwächter unterwegs ist, um etwas zu lernen. Er hefet sich in der Hoffnung an die Fersen des Duos, dass Carot nicht besonders schnell lernen möge ...

Dieser hat zum Entsetzen seines Begleiters in der Zwischenzeit eine Massenschlägerei in einer Zwergenbar aufgelöst und befindet sich dann selber in einer Prügelei in der "Geflickten Trommel", die er - wenn auch leicht angeschlagen - gewinnt.

In der gleichen Nacht wird ein Straßenräuber in einer kleinen Gasse verbrannt. In der Nähe der Leiche finden sich seltsame Fußabdrücke, die von einem Drachen zu stammen scheinen. Dabei weiß natürlich jeder, dass Drachen nicht existieren und eigentlich auch nie existiert haben, außer in Legenden und Sagen. Weswegen der Patrizier auch jedes Gerede über Drachen in der Stadt untersagt. Doch Captain Vimes lässt die Sache keine Ruhe, und er wendet sich an Lady Sybil Rankin, die in Ankh-Morpork die amtierende Spezialistin für Sumpfdrachen ist, eine etwa hundegroße Rasse von Feuer speienden Reptilien, die allerdings nichts mit den legendären großen, Jungfrauen verschlingenden Drachen zu tun haben. Die Begegnung versetzt Captain Vimes in vielerlei Hinsicht in Unruhe, was nicht nur mit seinem neuen Einblick in das Wesen der Drachen zu tun hat. Wie oft begegnet man schon einer Frau, "deren Busen aufsteigt und fällt, wie ein Weltreich", und deren Kleidungsstoff "die Segel einer kleineren Flotte" stellen könnte. In diesem und in weiteren "Scheibenwelt"-Romanen werden wir noch einiges über Lady Sybil Rankin erfahren ...

Die Existenz des Drachens lässt sich nicht lange geheim halten, besonders, als dieser plötzlich am helllichten Tag über der Stadt erscheint und einige Häuser in Schutt und Asche legt. Und die Bevölkerung beginnt nach einem Helden und einem neuen König für die Stadt zu rufen, etwas, das Vimes in keinster Weise gut heißt. Als schließlich ein Held auftaucht und den Drachen besiegt, wird die Situation in der Stadt bald wesentlich unangenehmer, als man es sich vorher hätte vorstellen können.

Neue, alte Einblicke in die menschliche Natur und die Qualität von Heldenmut, magische Pfeile und Schwerter und Menschen, die von Metaphern getötet werden. Wie immer ein erzählerischer und intellektueller Genuss.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2003)