Ulrike Dembski, Christiane Mühlegger-Henhapel (Hrsg.): "Hans Moser 1880-1964"

"Ich nuschel nicht"
Komödiant und Menschendarsteller


Das österreichische Theatermuseum widmet Hans Moser anlässlich des 40. Todestages (gestorben am 19. Juni 1964) eine Ausstellung. In diesem Zusammenhang ist das nunmehr vorliegende Buch entstanden, das sich als "Monographie" versteht.

Georg Markus ist der Biograf Mosers, der seinerzeit eine Unmenge von Material zur Verfügung gestellt bekam, um aus dem Vollen schöpfen zu können. Er hatte das Vergnügen, ein Jahr lang Paul Hörbiger zuzuhören, der über seinen Freund Moser freilich jede Menge zu berichten wusste. Die Initiative zu den "Memoiren" ging übrigens von Paul Hörbiger höchstselbst aus. Schon bevor das "perfekte Paar " (Moser/Hörbiger) einander kennen lernte, erkannte Hörbiger, dass "der Moser der begnadetste Komödiant überhaupt ist. Ich habe noch den Girardi auf der Bühne gesehen, aber ich kann mich nicht erinnern, über ihn so gelacht zu haben wie über den Moser. Er war ein genialer Menschendarsteller."

Die Kernstücke des Buches sind jene Essays, die sich mit "Hans Mosers Veräußerung und Rettung - Vom Typendarsteller zum Charakterschauspieler", mit der "Gunst der zweiten Chance - Hans Moser am Theater in der Josefstadt (1925-1939) und mit "Pathos/Farce - Zur Kinoarbeit des Wiener Komödianten Hans Moser" beschäftigen. Hierbei offenbaren sich nämlich Eigenheiten bzw. Lebensvollzüge des begnadeten Komödianten, die in dieser Form wohl noch nie - oder aber höchstens ansatzweise - rezepiert wurden.

Julia Danielczyk und Claudia Weinhapl beschäftigen sich mit dem Werdegang von Hans Moser und verdeutlichen die Schwierigkeiten, welche er hatte, um als Schauspieler Anerkennung zu finden. 1902 beginnt er in Wien im Theater in der Josefstadt unter Josef Jarno. Bis 1907 ist er hier engagiert, reüssiert allerdings erst in den späten 10er Jahren als Komiker und spielt ab 1925 bei Max Reinhardt. Durch die Zusammenarbeit mit Reinhardt eröffnet sich ihm nicht nur der Weg an große Bühnen, sondern vor allem zum Film.
Hans Moser spielt 1911 im Kabarett Max und Moritz, bereichert das "Budapester Orpheum", das sich nach mehrfachem Ortswechsel 1913 in der Praterstraße 25 im zweiten Wiener Gemeindebezirk etabliert. Es wurde eine Mischung von Einaktern, Possen, Burleseken, Soloszenen und Liedvorträgen aufgeführt. Das bekannteste Stück des "Orpheums" war die Klabriaspartie von Adolf Bergmann. In dieser Posse wurde im Zuge eines traditionellen polnischen Kartenspiels vom Schicksal des kleinen Mannes erzählt. Hier wagte man zum ersten Male, jüdische Ausdrücke auf die Bühne zu bringen. Hans Moser verkörperte hierbei die Rolle des Prokop Janitschek.
Bis zu seinem Kriegsdienst ab 1915 spielte Hans Moser im "Orpheum" Rollen, die manches verbindet: Sie sind allesamt dem Handwerks- und Dienstleistungsmilieu zuzuordnen. Er trat u.a. als Fiaker, Speisenträger, Diener, Hotelportier, Schneider und Uhrmacher auf. Ein Rezensent vermerkte etwas, das genau so auf die meisten Filmrollen von Hans Moser passen wird: "Hans Moser ist ein Charakterdarsteller bester Art. Viel zu gut für diese mehr oder weniger albernen Possen und Schwänke, in denen er jahrein, jahraus zu spielen verdammt ist ..."
Mosers Paraderolle mag Der Hausmeister gewesen sein. Moser ironisierte diese "Typenfigur", indem er etwa schon beim ersten Auftritt seinen Beruf als außergewöhnlich artikuliert. Der Hausmeister (einziger Nichtjude in einem sonst nur von Juden bewohnten Haus) wurde zu einer Identifikationsfigur für die vielen eingewanderten galizischen Juden, die sich als Handwerker, Händler, Tagelöhner und Hausierer verdingten.
"Für die assimilierten Juden waren sie eine Peinlichkeit, für die Antisemiten ein beliebtes Angriffsziel."
Hans Moser spielte ab 1919 auch in Revuen, wobei er wiederum ungewöhnliche Berufe aus dem Dienstleistungsbereich auf der Bühne nachzeichnete. Er spielte den Wärter in einer Nervenheilanstalt, den Quargelfabrikanten Sami Krautkopf usw.
Nach vielen kleinen Erfolgen, die seine finanzielle Lage keineswegs besonders aufbesserten, entdeckte ihn also 1925 Max Reinhardt. Ulrike Dembski widmet dem Engagement von Hans Moser im Theater in der Josefstadt einen hochinteressanten Beitrag.
Dass Hans Moser seinem Freund Max Reinhardt sehr verbunden war, verdeutlichte sich daran, dass ein Porträt von Reinhardt mit Widmung in Mosers Wohnung immer einen Ehrenplatz hatte. Nunmehr war es Moser vergönnt, aus den "ewig gleichen" Typen auszubrechen und Charaktere zu spielen, die seine schauspielerischen Qualitäten erst so richtig zur Geltung bringen konnten. Er spielte schon 1925 in einer Inszenierung des Salzburger Großen Welttheaters den Vorwitz. 1927 verkörperte er den Zettel in Shakespeares Sommernachtstraum. 1929 brillierte er als Frosch in der Fledermaus. Moser nahm außerdem an den Reinhardt-Gastspielen 1927 in New York teil.

Die künstlerischen Möglichkeiten sollten sich als einzigartig herausstellen. Moser arbeitete nicht nur mit erstklassigen Schauspielern, sondern ebenso mit renommierten Regisseuren. Hervorzuheben seien an dieser Stelle neben Max Reinhardt: Otto Ludwig Preminger und Emil Geyer. Moser hätte sich wohl nie träumen lassen, ausgerechnet im Theater in der Josefstadt Erfolge feiern zu dürfen, das er 18 Jahre zuvor aufgrund großer Enttäuschungen verlassen hatte.
Die früheren Engagements als "Dritter-Akt-Komiker" begeisterten das Publikum, weil Moser bestimmte stehende Typen so genial verkörperte. Doch jetzt bot sich ihm eine Vielfalt an Rollen und Stücken, die ihn in kein Muster zwängten, sondern ihm die ganze Bandbreite schauspielerischer Verwandlungsmöglichkeiten eröffneten. Er legte während seiner Tätigkeit in der Josefstadt jene künstlerischen Grundlagen für eine Vielzahl von Figuren, mit denen er später auch in seinen Filmen weltbekannt werden sollte.
Hervorzuheben ist seine Darstellung des Dieners Ossip in der sozialkritischen Satire Der Revisor von Nikolai Gogol. Ihm wurde nachgesagt, dass er auch "im russischen Gewand wienerisch behäbiges Gehaben zeige."
Die Dienerrollen sollten Moser zu Nestroy führen. Er interpretierte 1934 den Melchior in Einen Jux will er sich machen. Bemerkenswert dabei ist, dass dieses Stück unter der Leitung von Otto Ludwig Preminger inszeniert wurde, der sich in der Josefstadt seine ersten Regieerfahrungen holte und später in den U.S.A. ein bekannter Filmregisseur wurde.
Otto Premingers Verdienst war es, Moser für Nestroy-Rollen entdeckt zu haben:
"Und was für eine längst fällige Entdeckung ist der Nestroy-Komiker Hans Moser. Er braucht nur hereinzukommen als Hausknecht Melchior und man lacht schon über sein Aussehen, seine Miene; ein sonderbar altväterisches, halb bäurisches, halb provinzielles Wesen, mit dem ganz eindringlichen Eigensinn pfiffiger Beschränktheit ausgestattet."

Hans Moser hatte viele entbehrungsreiche Jahre an den verschiedensten Schmierenbühnen durchzustehen, ehe er den Aufstieg über Kabaretts und Kleinbühnen zum anerkannten Schauspieler meisterte. Seinen Durchbruch am Theater hat er zweifellos Max Reinhardt zu verdanken, der sein spezifisches Genie erkannte und zielführend förderte.

Die Kinoarbeit von Hans Moser ist also das dritte Kernstück des vorliegenden Buches. Es ist besonders schwierig, die vielen Facetten zu definieren, welche zu jenem "Mythos" führten, der rund um seine Person geschaffen wurde. Stefan Grissemann versucht sich daran.
Mosers erste Filmrolle war witzigerweise die eines "Babys" in einem Kurzfilm von Hans Karl Breslauer, der freilich Das Baby betitelt war. 1924 verkörperte Moser in der Verfilmung des Hugo-Bettauer-Romans Die Stadt ohne Juden einen antisemitischen Parlamentarier. Diese (letztgenannte) Rolle sollte eine Ausnahme bleiben. Diener, Kassiere und Kofferträger gehörten zu seinem "Standardrepertoire". Einer seiner ersten Filmdienstmänner, jene Rolle also, die ihn schon auf der Bühne populär machte, war 1927 in Max Neufelds Die Familie Moral verewigt worden.
Mit Willi Forst und Werner Hochbaum fand Hans Moser schon in den 1930er Jahren seine wohl besten, verständigsten Regisseure. Er spielt 1933 die Rolle eines Pfandleihers im Schubert-Drama Leise flehen meine Lieder (Regisseur Willi Forst), und 1935 wird Hans Moser durch Werner Hochbaum mit einer seiner unfreundlichsten Rollen versorgt. Er spielt in Vorstadtvarieté den ordnungsfanatischen Vater eines Mädchens.

Wofür Hans Moser "berühmt" sein mag, ergab sich bei ihm dann, wenn seine Sprache in Krisensituationen (neben seinen Bewegungen) außer Kontrolle geriet. Die Stimme überschlägt sich, kippt nach oben, wird zu einem verzweifelten, anklagenden Japsen und Stottern. Mosers kunstvoll gesetzte Versprecher und Verbalentgleisungen sind als komische Attraktionen ein wesentlicher Nebeneffekt. Er kultiviert sozusagen das alte "Grantscherbenwienerisch" in einer eigenartigen Variante: Der Kinodenker Georg Seeßlen notierte eine "Reanimalisierung des Sprachlichen".
Während des Zweiten Weltkrieges sollte er laut "NS-Kino" sein Wienerisch untergraben, was ihm freilich nur ansatzweise gelang. Tatsächlich ist Hans Moser ohne Wiener Dialekt kaum denkbar.
Das "mosersche Wienerisch" wurde also zu einer richtiggehenden "Kunstform" ("mosern"), die bis in unsere Tage anhält. Zahlreiche Kabarettisten haben sich an Imitationen versucht; einige übrigens noch zu Mosers Lebzeiten, was er nicht wirklich "lustig" fand.

1957 spielt er mit seinem Freund Paul Hörbiger zusammen in Ober, zahlen. Er ist - sozusagen stellvertretend für sein Publikum - ein Bewahrer des Sentimentalen, ein Träumer von den guten, alten Zeiten, unaufgeschlossen gegenüber den Zumutungen des Modernen.
Moser spielt ebenso wie Hörbiger einen Kellner: Der betagte Kaffeehauskellner demonstriert eine tiefe Abneigung gegen das neumodische Espresso mit seiner "Damenbedienung", seiner musikalischen Berieselung und seiner Barbestuhlung.

Hans Moser ist hauptsächlich in Rollen zu sehen, wo er sich in einer Welt zurecht zu finden versucht, die von Doktoren, Vorgesetzten, Hofräten und Direktoren wimmelt. Er ist in ein Netzwerk von Hierarchien verstrickt, woraus sich seine Unfreiheit ergibt. Er ist süßlich nach oben und sauer nach unten ...

In über 140 Filmen wirkte er mit. Der junge Filmemacher Axel Corti verpflichtet Hans Moser schließlich für einen letzten Film, die Herzmanovsky-Orlando-Adaption Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter (1963). Er spielt einen alten Bahnwärter in den Kulissen einer Theaterproduktion.

Ein Merkmal lässt sich insbesondere aus den drei Kernstücken ersehen: Hans Moser wurde jahrelang unterschätzt und konnte seine schauspielerischen Qualitäten erst ab Mitte 40 umsetzen. Seine Kinoarbeiten strotzen nur so von harmlosen Filmchen, wobei ihm teilweise anzusehen ist, dass er mit seinen Rollen und der ganzen Konzeption nicht zufrieden ist. Ohne Hans Moser wären diese Filmchen elementare Flops geworden.

Hier schließt sich irgendwie auch der Kreis: Schon als "jüngerer" Schauspieler in künstlerisch wertlosen Stücken oder Possen eingesetzt, war es seine Präsenz und Genialität allein, die den grundsätzlichen Nonsens veredelten. Wenn wir Zuschauer heute seine Filme sehen, so tun wir es tatsächlich, weil HANS MOSER mitspielt. Es gibt wohl keine größere Ehre, die einem Schauspieler zukommen kann.

Die vorliegende "Monographie" ist absolut lesenswert und hat so manches kleine Geheimnis parat, das an dieser Stelle nicht verraten wird.
Nun gut; eines will ich doch anmerken (ist aber vielleicht gar kein "Geheimnis"): Mosers Geiz ist keineswegs als schlechte Charaktereigenschaft zu sehen. Er war viele Jahre dazu verurteilt, in ärmlichsten Verhältnissen zu leben, ehe er seinen schauspielerischen Durchbruch erlebte. Nunmehr konnte er es sich nicht mehr abgewöhnen, "jeden Schilling umzudrehen".

Einige Erinnerungen von Zeitgenossen (u.a. etwa von Paul Hörbiger, Franz Antel und Gunther Philipp) mögen dem Leser ein Schmunzeln entlocken.

Mosers Jahre als Soldat im Ersten Weltkrieg sind nur eine Randnotiz. Die jahrelange, schmerzhafte Trennung von seiner Frau (sie war Jüdin) und das schlechte Verhältnis, das seine Tochter zu seiner Frau hatte (die Tochter bekam erst 25 Jahre nach dem Tode von Hans Moser ihr Erbe zugesprochen und starb, bevor sie darüber verfügen konnte), haben dem einmaligen Komödianten sicher stark zugesetzt. Im Kontext des Buches sind diese Faktoren nicht wegzudenken.

Was wäre ein Buch über Hans Moser ohne Fotos von ihm, die ja in Hülle und Fülle existieren. Dadurch wird es zu einem Prachtband, der sich bestens als "Geschenkbuch" eignet.

(Jürgen Heimlich; 11/2004)


Ulrike Dembski, Christiane Mühlegger-Henhapel (Hrsg.): "Hans Moser 1880-1964"
Christian Brandstätter, 2004. 160 Seiten, mit etwa 150 Abbildungen.
Mit Beiträgen von Julia Danielczyk, Ulrike Dembski, Stefan Grissemann,
Georg Markus, Christiane Mühlegger-Henhapel, Gertraud Schaller-Pressler.
ISBN 3-85498-361-1.
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