John F. Kennedy: "Unter Deutschen"
Reisetagebücher und Briefe 1937-1945
Der 
Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Lubrich, der aus Berlin stammt und 
auch dort wohnt, lehrt am Institut für Germanistik in Bern. Nach so bedeutenden 
Editionen wie den Reiseberichten Alexander von Humboldts zusammen mit Ottmar 
Ette und, besonders im Zusammenhang mit einem seiner Forschungsschwerpunkte über 
"Internationale Zeugen in Nazi-Deutschland", den 
"Reisen ins Reich 1933 bis 
1945" sowie der "Berichte aus der Abwurfzone. 
Ausländer erleben den Bombenkrieg 
in Deutschland 1939 bis 1945" schließen sich jetzt nahtlos die Reisetagebücher 
und Briefe von "John F. Kennedy. Unter Deutschen" an. Der Herausgeber, als der 
er sich vorstellt, nimmt sich allzusehr zurück, ist selbst auf dem Bucheinband 
nicht präsent, hebt sich dadurch aber gleichzeitig angenehm von Anderen ab.
Nach einem kurzen Vorwort des engsten Beraters von Willy Brandt, Egon Bahr, der 
sich nur darin irrt, dass die Kennedys eben nicht "zu den alten, reichen, weißen 
Ostküstenfamilien" gehörten, sondern aus bitterster Armut in drei Generation 
ihren ganz speziellen us-amerikanischen Traum verwirklichten, führt der 
Herausgeber in die drei Komplexe des Buches ein: die "Grand Tour" von 1937 des 
jungen Harvard-Studenten John F. Kennedy in Begleitung seines engsten Freundes 
durch Europa, wobei er auch Deutschland besuchte, wenn auch sein Hauptaugenmerk 
Frankreich und Italien galt; die Reisebriefe von 1939, unmittelbar am Vorabend 
des Zweiten Weltkriegs, in einer Mission des Verlegers Randolph Hearst und auf 
Betreiben seines Vaters Joseph Patrick, der inzwischen US-Botschafter in London 
geworden war; und letztlich als Attaché des US-Marineministers James V. 
Forrestal im Sommer 1945, als im Pazifik die Kämpfe noch voller Heftigkeit 
tobten.
Die spätere "Senior Thesis" des 
Politologie-Studenten aus Harvard über das Münchener Abkommen unter dem vielsagenden 
Titel und abgewandelten Churchill-Wort "Why England Slept", galt nach 
einem damaligen bekannten Witz - "While Daddy Slept" - bald als politische 
Abkehr vom Vater Joseph Patrick, der zu den Isolationisten und Befürwortern der 
britischen Appeasement-Politik unter Neville Chamberlain gehörte.
Die rhetorische Frage Lubrichs, ob der legendäre Satz Kennedys anlässlich seines 
Deutschlandbesuches von 1963 "Ich bin ein Berliner" ohne die Erfahrungen seiner 
drei Besuche möglich gewesen wäre, kann nur vorbehaltlos bestätigt werden. Es 
ist wohl dieses Faszinosum auch deshalb ein ganz besonderes gewesen, weil sich 
hier eine noch außerordentlich unsichere Nachkriegsgesellschaft unvermittelt von 
Einem verstanden fühlte, von dessen früheren Besuchen und Erkenntnissen sie 
keinen Schimmer hatte.
Während Kennedy und sein Freund Billings 1937 noch wie die reichen, verwöhnten 
und spätpubertierenden Jungs (zu deren ersteren Billings allerdings eigentlich 
nicht gehörte) durch den alten Kontinent tourten, um Spannendes zu erleben, 
Kultur zu tanken und Mädchen aufzureißen, oft auch den Unmut düpierter Wirte und 
Hoteliers hinterlassend, merkt man schon in seinen Briefen von 1939, als er als 
eine Art "Beobachter" seines Vaters unterwegs war und durchaus nicht ganz 
Ungefährliches wagte, wie zum Beispiel einen Besuch im besetzten Prag, dass er 
in diesen zwei Jahren gereift war und 1937 noch freimütig geäußerte Fragen und 
Unsicherheiten im eigenen Urteil schon zu beantworten oder beseitigen zu können 
wusste. Ein Jammer, dass von 1939 nur wenig Material übrig ist und viele Briefe 
gestohlen oder vernichtet wurden.
So schimmert in den wenigen erhaltenen 
und zugänglichen Exemplaren immerhin eine zunehmende Klarheit des politischen 
und gesellschaftskritischen Blicks hindurch, wo zwei Jahre zuvor noch 
jungenhafte Leichtigkeit und trotz aller Beobachtungsgabe häufig eine ehrlich 
eingestandene Verwirrung vorherrschte. Zur jugendlich-übermütigen Art 
gehörte allerdings auch eine leichte 
Ironie, wie zum Beispiel bei der Erwähnung eines Besuches in Lourdes, was 
besonders wegen der dezidierten Katholizität der Familie Kennedy und auch John 
Fitzgeralds selbst beeindruckt.
Von anderen Besuchen heiliger Stätten zeigte er sich hingegen durchaus berührt 
und beeindruckt. Doch seine anfangs noch große politische Unsicherheit, wie sie 
einem Zwanzigjährigen auch heute noch ansteht, in eine Neigung des Autors zum 
Faschismus umzudeuten, wie mancherorts geschehen, ist nicht nur naiver als die 
Kennedy vorgeworfene Naivität, sondern auch völlig unhistorisch und nur der 
grassierenden wohlfeilen sogenannten politischen Korrektheit zu verdanken, 
welche der Politikwissenschaftler Kenneth Minogue als Beispiel für die 
Entmündigung des Bürgers durch den Überstaat angeprangerte. Auch entspricht eine 
Art von Katastrophen-Tourismus, wie man der Beiden Besuche an der spanischen 
Grenze deuten könnte, wo sie die Ergebnisse des republikanischen Gegenterrors 
aus der Ferne beobachten können, einem allgemeinen Bedürfnis der Menschen, wie 
man es bei jedem Autobahnunfall auf der Gegenfahrbahn feststellen kann und wie 
es einen fast magischen Abwehrmechanismus atavistischer Art ausmacht.
Als Kennedy im Sommer 1945 im 
Gefolge des Marineministers Forrestal das zerstörte Deutschland besuchte, sah er 
sich mit der überwiegenden Meinung der besiegten Deuten konfrontiert, die sich 
zu seinem Erstaunen bereits dem neuen Konflikt zwischen den Alliierten 
zuwandten, während die Westalliierten noch mit der Tagespolitik beschäftigt 
waren und Kennedy hellsichtig bemerkt, wie effektiv die Sowjetunion nach dem 
anfänglichen Chaos reagierte und sich merkbar auf Dauer in ihrer Besatzungszone 
einzurichten begann. Brillant dabei auch Kennedys Fazit zum Effekt des 
Bombenkrieges, der "die deutsche Rüstungsproduktion nicht [habe] aufhalten 
können", was erst sehr viel später ins Bewusstsein der Verantwortlichen drang, 
und seine pessimistische Prognose, dass Berlin "eine ruinierte, unproduktive 
Stadt bleiben" dürfte, eine Einschätzung, der man sich auch fast 70 Jahre nach 
Kriegsende trotz allen Glamours nicht entziehen kann. Hieran hat auch die 
Wiedervereinigung und die Hochblüte des Bauwesens der nachfolgenden Jahre nichts 
ändern können. Sehr kritisch äußert er sich auch über die "Managerqualitäten" würde man heute sagen, sogar 
von Mitgliedern eines Kongress-Ausschusses, die sich nur für zwei Dinge 
interessiert hätten: Pistolen der Marke "Luger", auch unter den Bezeichnungen 
"08" oder "Parabellum" bekannt, und Kameras. Vermutlich müsste man noch 
"Mädchen" hinzusetzen, die sich, wie Kennedy schreibt, in recht unwürdiger Weise 
den us-amerikanischen Soldaten an den Hals würfen.
Beeindruckend ist Kennedys Aufmerksamkeit auch und gerade für wirtschaftliche 
Angelegenheiten. So berechnete er, dass die Steuereinnahmen der Monate April bis 
Juni 1945 noch 8 Prozent des Vorjahresbetrages betrügen, die Finanzverwaltung 
aber schon wieder in fast alter Effizienz funktioniert. Und zu solchen 
bemerkenswerten Einsichten gehörte auch sein Erstaunen über die Aufforstung der 
Wälder, die er seinen Landsleuten anempfiehlt und deren Regulierung durch die 
Obrigkeit in Deutschland bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Wie sehr dieser 
Eindruck sich auch in praktischer Besatzungspolitik äußerte, erlebte er in 
Bremen, wo die Engländer komplette, in Norwegen gefangengenommene 
Schiffsbesatzungen einschließlich des Kapitäns in die Pflicht nahmen, um 
Beuteschiffe nach Amerika zu überführen, wo sie neuen Zwecken zugeführt wurden. 
Ein fachmännisches Staunen überkam Kennedy hingegen bei der Besichtigung der 
U-Boot-Fertigungsanlagen, der Boote selbst und der Schnellboote, deren eines er 
ja selbst befehligt hatte, weil er fast emotionslos deren technische 
Überlegenheit beschrieb.
Während seines Besuches in der alpenländischen Festung Hitlers bemühte sich 
Kennedy, hinter die Faszination des Diktators zu kommen. Dies löste in manchen 
Kommentaren ein Befremden über dieses sogenannte Faszinosum aus  - ein Wort, an dessen 
Verwendung der ehrbare, aber ungeschickt agierende Bundestagspräsident Jenninger 
einst politisch scheiterte, weil die bundesdeutsche Betroffenheitskultur noch 
lange nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte und bevor nicht nur internationale, 
sondern zunehmend auch deutsche - und österreichische, zwischenzeitlich "entopferte" 
- nachdenkliche Menschen keine Damnatio memoriae mehr fürchten müssen, wenn sie 
diesem unzweifelhaften Zug des Diktators nachgehen. Dazu ist keine Magie des 
Ortes wie des Berghofes in Berchtesgaden erforderlich, gerade für Kennedy nicht, 
der trotz seines noch sehr jungen Alters erstaunlich nüchtern reagierte.
Zum Schluss sei noch auf das beeindruckende und reichhaltige Bildmaterial in 
grafisch hervorragender Präsentation hingewiesen, wie sie auch die ganze Ausgabe 
auszeichnet.
(Horst Boxler; 07/2013)
John F. Kennedy: "Unter Deutschen. 
Reisetagebücher und Briefe 1937-1945"
Übersetzt von Carina Tessari.
Aufbau Verlag, 2013. 256 Seiten.
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