George Orwell: "Farm der Tiere"

Ein Märchen


Ein wundervolles Buch, sehr schön neu aufgelegt

Dass die Neuausgabe von George Orwells wunderbarer satirischer Fabel wiederum bei Diogenes geschieht, macht doppelt Freude, denn erstens ist es in der Tat ein Buch, das es verdient, immer wieder neu aufgelegt zu werden, und zweitens ist Diogenes seit jeher Garant für technisch qualitativ hochwertig produzierte Titel. Und so verhält es sich auch hier, das Buch ist - wie üblich - wunderschön gebunden, ordentlich gesetzt, enthält ein Lesebändchen und einen schönen Schutzumschlag und wurde erweitert um Zeichnungen von Friedrich K. Waechter.

Der 1903 geborene George Orwell verfasste "Farm der Tiere" 1943/44, das Buch wurde jedoch von den Verlagen abgewiesen - nicht weil es schlecht gewesen wäre, sondern weil es versteckt aber dennoch deutlich Kritik an der verbündeten Sowjetunion übte. Das Buch stellt de facto eine allegorische Nacherzählung der sowjetischen Politik und Geschichte ab 1917 dar.
Insbesondere Stalin und Trotzki sind ganz leicht zu identifizieren, und speziell Stalin wird als selbstgerechter Ausbeuter dargestellt. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch das - ebenfalls in diesem Buch abgedruckte - von Orwell selbst verfasste Nachwort, in dem er die nichtstaatliche Zensur der Intellektuellen deutlich herausstreicht und kritisiert. Das Buch erschien erst 1945, nachdem der einstige Verbündete nicht mehr so eng mit Großbritannien verbunden war.

Doch zum Inhalt: Auf der so genannten Herrenfarm tritt eines Tages das Schwein Old Major (Sinnbild für Marx und Lenin) auf und verkündet, dass er einen Traum gehabt hätte. Dieser Traum, so erzählt er, habe ihm eine Welt gezeigt, die wesentlich besser ist - die Tiere hätten die Herrschaft übernommen und es gäbe kein Leid und keinen Hunger mehr. Old Major initiiert damit eine Revolution, bei der die Menschen von der Farm vertrieben werden, und die Schweine übernehmen das Kommando. Er selbst jedoch soll den Erfolg nicht mehr miterleben dürfen, denn er stirbt noch ehe die Revolution ihren Lauf nimmt. Wo es zunächst noch so aussieht als ob Old Major Recht behalten sollte, wird es sehr bald klar, dass Macht korrumpiert.
Seine Nachfolger, Napoleon und Schneeball, beginnen schon sehr bald ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, aber erst als Napoleon (Sinnbild für Stalin) Schneeball (Trotzki) verjagt, beginnt der unaufhaltsame Abstieg in das vorrevolutionäre Verhaltensmuster. Das Buch endet damit, dass die Schweine sämtliche Regeln aushebeln und zu ihren eigenen Gunsten umschreiben. Schließlich wird aus "Alle Tiere sind gleich" das geflügelte Wort "Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher".
Am Ende des Buches verbündet sich Napoleon wieder mit den Menschen, und die übrigen Tiere die durch ein Fenster zusehen, können keinen Unterschied mehr zwischen Schweinen und Menschen erkennen.

(Reinhold Stansich; 10/2005)


George Orwell: "Farm der Tiere"
(Originaltitel "Animal Farm")
Mit Illustrationen von F.K. Waechter.
Aus dem Englischen von Michael Walter. Mit einem Nachwort des Autors.
Diogenes, 2005. 256 Seiten.
ISBN 3-257-05714-8.
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George Orwell wurde am 25. Juni 1903 in Bengalen (Nordostindien) geboren und starb am 21. Jänner 1950 in London.
Er diente in Burma bei der Polizei, kündigte dann, weil er schriftstellerische Pläne hegte, hauptsächlich aber weil er "auf keinen Fall länger einem Imperialismus dienen konnte", den er als "ziemlich großen Volksbetrug durchschaut hatte". Er arbeitete als Tellerwäscher und Hilfslehrer sowie als Buch- und Gemischtwarenhändler. Zur entscheidenden Erfahrung wurde sein Engagement in der kommunistischen Miliz im Spanischen Bürgerkrieg, in dem er schwer verwundet wurde. Nach einem Aufenthalt im Lazarett musste er sich mit einem Gewehr vor den eigenen Leuten schützen, da die Kommunisten nicht regimetreue Gruppen eliminierten. Er kehrte nach London zurück, und wurde Mitarbeiter der BBC wurde. Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte er als Korrespondent des "Observer" in Deutschland und Frankreich.

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):

"Mein Katalonien. Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg"

Ende 1936 kam Orwell als Zeitungsreporter nach Barcelona, um über den Bürgerkrieg zu berichten. Er schloss sich der Miliz P.O.U.M. an, der Arbeiterpartei der marxistischen Einigung, und kämpfte den Winter über an der Front in Aragonien. Als er wenig später mit ansehen musste, wie die Kommunisten bei der Ausschaltung der ihnen nicht genehmen Truppen Methoden der faschistischen Geheimpolizei anwandten, wurde er zu einem der erbittertsten Feinde des sowjetischen Totalitarismus. (Diogenes)
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"1984"
Orwells Roman über die Zerstörung des Menschen durch eine perfekte Staatsmaschinerie ist längst zu einer scheinbar nicht mehr erklärungsbedürftigen Metapher für totalitäre Verhältnisse geworden. Mit atemberaubender Unerbittlichkeit zeichnet der Autor das erschreckende Bild einer durch und durch totalitären Gesellschaft, die bis ins letzte Detail durchorganisierte Tyrannei einer absolut autoritären Staatsmacht. 
Im Orwell-Staat wird eine neue Sprache verordnet, das sogenannte "Neusprech". Zusammen mit dem sogenannten "Zwiedenk" soll den Menschen das Denken abgewöhnt werden. Orwell beschriebt eindrucksvoll, wie durch Veränderung der Sprache der Manipulation des Volkes durch die herrschende Klasse Tür und Tor geöffnet werden kann. Besonders deutlich wird das, wenn die unmenschlichsten Züge eines Systems mit wohllautenden Namen besetzt sind. So gibt es zum Beispiel ein "Liebesministerium". Es sorgt nicht etwa für den liebevollen Umgang der Menschen untereinander, sondern "lehrt" den Abtrünnigen und Andersdenkenden mittels grausamster Foltermethoden den "Großen Bruder" zu lieben. Im "Ministerium für Wahrheit" werden Geschichte und Gegenwart dem gegenwärtigen politischen System angepasst. Wahr ist, was der "Große Bruder" als wahr definiert. Dem Volk wird klargemacht, dass alles immer schon so war, wie es jetzt ist. Anderslautendes wird aus Zeitschriften und Büchern und damit aus dem Gedächtnis der Menschen systematisch entfernt. Das "Friedensministerium" hingegen plant "Friedensmissionen", die nichts Anderes sind als Kriegseinsätze. Wer wollte sich da noch wundern, dass sich hinter "Lustlagern" Zwangsarbeitslager der übelsten Art verbergen.
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"Der Weg nach Wigan Pier"
Im Jahr 1936 geht George Orwell in die Industriestädte Nordenglands, um an Ort und Stelle zu beobachten, wie Bergleute im Alltag arbeiten und wohnen. Er steigt mit in die Gruben hinunter und berichtet aufmerksam, sachlich, genau, mit Einfühlung und Gespür für die vielfachen Zusammenhänge. Diese Erfahrung führt zu Reflexionen über den Sozialismus als umsichtigen, schwierigen Weg zu Gerechtigkeit und Freiheit. (Diogenes)
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Zwei Buchtipps:

Michael Shelden: "George Orwell. Eine Biografie"

(Diogenes)
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Stefan Howald: "George Orwell"

George Orwell zählt zu den bedeutendsten politischen Schriftstellern und Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Sein Roman "1984", die Darstellung einer vom Großen Bruder überwachten totalitären Gesellschaft, ist zur Vision des Schreckens und zugleich zum Sinnbild einer ganzen Epoche geworden. Seine Fabel "Animal Farm" gilt als eine der eindringlichsten Abrechnungen mit den pervertierten Utopien unserer Zeit. (rororo Monografie)
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