(...)
Don Pedro
Schön; - jetzt
laß uns. - Kommt, Leonato, was erzähltet Ihr mir doch vorhin? Daß Eure Nichte
Beatrice in Benedikt
verliebt sei?
Claudio
(beiseite) O nur zu, nur zu, der Vogel sitzt. (Laut.) Ich hätte
nie geglaubt, daß das Fräulein einen Mann lieben könnte.
Leonato
Ich ebensowenig. Aber das ist eben das Wunderbarste, daß sie grade für den Benedikt
schwärmt, den sie dem äußern Schein nach bisher verabscheute.
Benedikt
Ist's möglich? bläst der Wind aus der Ecke?
Leonato
Auf mein Wort, gnädiger Herr, ich weiß nicht, was ich davon denken soll. Aber
sie liebt ihn mit einer rasenden Leidenschaft, es geht über alle Grenzen der Vorstellung.
Don Pedro
Vielleicht
ist's nur Verstellung.
Claudio
Das möcht ich auch glauben.
Leonato
O
Gott, Verstellung? Es ist wohl noch nie eine verstellte Leidenschaft der lebendigen
Leidenschaft so nahe gekommen, als sich's an ihr äußert.
Don
Pedro
Nun, und welche Symptome der Leidenschaft zeigt sie denn?
Claudio
(leise). Jetzt
ködert den Hamen, dieser Fisch wird anbeißen.
Leonato
Welche Symptome, gnädiger Herr? Sie sitzt Euch da,... nun, meine Tochter sagte
Euch ja, wie.
Claudio
Ja,
das tat sie.
Don Pedro
Wie
denn? Wie? Ihr setzt mich in Erstaunen. Ich hätte immer gedacht, ihr Herz sei
ganz unempfindlich gegen alle Angriffe der Liebe.
Leonato
Darauf
hätte ich auch geschworen, mein Fürst, und besonders gegen Benedikt.
Benedikt
(beiseite) Ich hielte es für eine Prellerei, wenn's der weißbärtige Kerl
nicht sagte. Spitzbüberei, meiner Seele, kann sich doch nicht hinter solcher Ehrwürdigkeit
verbergen.
Claudio
(beiseite). Jetzt hat's gefaßt, nur immer weiter.
Don
Pedro
Hat sie Benedikt ihre Neigung zu erkennen gegeben?
Leonato
Nein, sie schwört
auch, dies nie zu tun: das ist eben ihre Qual.
Claudio
Jawohl, darin liegt's. Das sagte mir auch Eure Tochter; «Soll ich», sagte sie,
«die ich ihm sooft mit Spott begegnet, ihm jetzt schreiben, daß ich ihn liebe?»
Leonato
Das
sagt sie, wenn sie grade einen Brief an ihn angefangen hat. Denn sie steht wohl
zwanzigmal in der Nacht auf, und da sitzt sie dann in ihrem Nachtkleide und schreibt
ganze Seiten voll - meine Tochter sagt uns alles. - - Und nachher zerreißt sie
den Brief in tausend Hellerstückchen, zankt mit sich selbst, daß sie sowenig Zurückhaltung
besitze, an jemand zu schreiben, von dem sie's doch wisse, er werde sie verhöhnen:
«Ich beurteile ihn», sagt sie, «nach meiner eigenen Sinnesart, denn ich würde
ihn verhöhnen, wenn er mir schriebe; ja, wie sehr ich ihn liebe, ich tät es doch».
Claudio
Dann
nieder auf die Knie stürzt sie, weint, seufzt, schlägt sich an die Brust, zerrauft
ihr Haar, betet, flucht: «O süßer Benedikt! Gott schenke mir Geduld!»
Leonato
Freilich, das tut sie, das sagt mir meine Tochter, ja, sie ist so außer sich in
ihrer Ekstase, daß meine Tochter zuweilen fürchtet, sie möchte in der Verzweiflung
sich ein Leids tun: das ist nur zu wahr.
Don
Pedro
Es wäre doch gut, wenn Benedikt es durch jemand anders erführe, da
sie es ihm nun einmal nicht entdecken wird.
Claudio
Wozu?
Er würde doch nur Scherz damit treiben und das arme Fräulein dafür ärger quälen.
Don Pedro
Wenn
er das täte, so wär's ein gutes Werk, ihn zu hängen. Sie ist ein vortreffliches,
liebes Fräulein und ihr guter Ruf über allen Verdacht erhaben.
Claudio
Dabei
ist sie ausgezeichnet verständig.
Don
Pedro
In allen andern Dingen, nur nicht darin, daß sie den Benedikt liebt.
Leonato
O gnädiger
Herr! wenn Verstand und Leidenschaft in einem so zarten Wesen miteinander kämpfen,
so haben wir zehn Beispiele für eines, daß die Leidenschaft den Sieg davonträgt.
Es tut mir leid um sie, und ich habe die gerechteste Ursache dazu, da ich ihr
Oheim und Vormund bin.
Don
Pedro
Ich wollte, sie hätte diese Entzückungen mir gegönnt; ich hätte alle
andern Rücksichten abgetan und sie zu meiner Hälfte gemacht. Ich bitte Euch, sagt
doch dem Benedikt von der Sache und hört, was er erwidern wird.
Leonato
Meint Ihr wirklich, daß es gut wäre?
Claudio
Hero ist überzeugt, es werde ihr Tod sein; denn sie sagt, sie sterbe, wenn er
sie nicht wiederliebe, und sie sterbe auch lieber, als daß sie ihm ihre Liebe
entdecke; und wenn er sich wirklich um sie bewirbt, so wird sie eher sterben wollen,
als das Geringste von ihrem gewohnten Widerspruchsgeist aufgeben.
Don
Pedro
Sie hat ganz recht; wenn sie ihm ihre Neigung merken ließe, so wär's
sehr möglich, daß er sie nur verlachte. Der Mann hat, wie ihr alle wißt, eine
sehr übermütige Gesinnung.
Claudio
Er ist sonst ein feiner Mann.
Don
Pedro
Er hat allerdings eine recht glückliche äußere Bildung.
Claudio
Ganz
gewiß, und wie mich dünkt, auch viel Verstand.
Don
Pedro
Es zeigen sich in der Tat mitunter Funken an ihm, welche wie Witz
aussehn.
Leonato
Und ich halte ihn auch für tapfer.
Don
Pedro
Wie Hektor,
das versichre ich Euch; und nach der Art, wie er mit Händeln umzugehn versteht,
muß man auch einräumen, daß er Klugheit besitzt. Denn entweder weicht er ihnen
mit großer Vorsicht aus, oder er unterzieht sich ihnen mit einer christlichen
Furcht.
Leonato
Wenn er Gott fürchtet, so muß er notwendig Frieden halten. Wenn er den
Frieden
bricht, kann's nicht anders sein, als daß er seine Händel mit Furcht und Zittern
anfängt.
Don Pedro
Und
so ist es auch. Denn der Mann fürchtet Gott, obgleich nach seinen derben Späßen
kein Mensch das von ihm glauben sollte. Mit alledem dauert mich Eure Nichte. Wollen
wir gehn und Benedikt aufsuchen und ihm von ihrer Liebe sagen?
Claudio
Nimmermehr, gnädigster Herr. Diese Schwachheit wird endlich verständigem Rate
weichen.
Leonato
Ach, das ist unmöglich. Eher wird ihr Leben von ihr weichen.
Don
Pedro
Nun, wir wollen hören, was Eure Tochter weiter davon sagt, und sich's
indes verkühlen lassen. Ich halte viel auf Benedikt und wünsche sehr, er möchte
sich einmal mit aller Bescheidenheit prüfen und einsehn, wie wenig er eine so
treffliche Dame zu besitzen verdient.
Leonato
Wollen
wir gehn, mein Fürst? Das Mittagessen
wird fertig sein.
Claudio
(beiseite). Wenn er sich hierauf nicht sterblich in sie verliebt, so will
ich nie wieder einer Wahrscheinlichkeit trauen.
Don
Pedro
(beiseite). Man muß jetzt das nämliche Netz für sie aufstellen,
und das laßt Eure Tochter und ihre Kammerfrau übernehmen. Der Spaß wird sein,
wenn jeder von ihnen sich von der Leidenschaft des andern überzeugt hält, und
ohne allen Grund. Das ist die Szene, die ich sehen möchte: es wird eine wahre
Pantomime sein. Wir wollen sie abschicken, um ihn zu Tische zu rufen.
(Don Pedro, Claudio und Leonato ab.)
Benedikt
(tritt hervor)
Das kann keine Schelmerei sein; das Gespräch war zu ernsthaft.
Sie haben die Gewißheit der Sache von Hero; sie scheinen das Fräulein zu bedauern:
es scheint, ihre Leidenschaft hat die höchste Spannung erreicht. - In mich verliebt?
Oh, das muß erwidert werden. Ich höre, wie man von mir denkt: sie sagen, ich werde
mich stolz gebärden, wenn ich merke, wie sie mich liebt. Sie sagen ferner, sie
werde eher sterben, als irgendein Zeichen ihrer Neigung geben. Ich dachte, nie
zu heiraten; aber man soll mich nicht für stolz halten. Glücklich sind, die erfahren,
was man an ihnen aussetzt, und sich danach bessern können. Sie sagen, das Fräulein
sei schön; ja, das ist eine Wahrheit, die ich bezeugen kann; und tugendhaft: -
allerdings, ich kann nichts dawider sagen; - und verständig, ausgenommen, daß
sie in mich verliebt sei: - nun - meiner Treu, das ist eben kein Zuwachs ihrer
Verständigkeit, aber doch kein großer Beweis ihrer Torheit, denn ich will mich
entsetzlich wieder in sie verlieben. - Ich wage es freilich drauf, daß man mir
etliche alberne Späße und Witzbrocken zuwirft, weil ich selbst so lange über das
Heiraten geschmäht habe; aber kann sich der Geschmack nicht ändern? Es liebt einer
in seiner
Jugend ein Gericht, das er im Alter nicht ausstehn kann - sollen wir
uns durch Sticheleien und Sentenzen und derlei papierene Kugeln des Gehirns aus
der rechten Bahn unsrer Laune schrecken lassen? Nein,
die
Welt muß bevölkert werden. Als ich sagte, ich wolle als Junggeselle
sterben, dacht ich es nicht zu erleben, daß ich noch eine Frau nehmen würde. Da
kommt Beatrice. Beim Sonnenlicht, sie ist schön! ich erspähe schon einige Zeichen
der Liebe an ihr.
Beatrice kommt.
Beatrice
Wider meinen Willen hat man mich abgeschickt, Euch zu Tische zu rufen.
Benedikt
Schöne Beatrice, ich danke Euch für Eure Mühe.
Beatrice
Ich gab mir nicht mehr Mühe, diesen Dank zu verdienen, als Ihr Euch bemüht, mir
zu danken. Wär es mühsam gewesen, so wär ich nicht gekommen.
Benedikt
Die
Bestellung machte Euch also Vergnügen?
Beatrice
Ja,
grade soviel, als Ihr auf einer Messerspitze nehmen könnt, um's einer Dohle beizubringen.
Ihr habt wohl keinen Appetit, Signor? So gehabt Euch wohl. (Ab.)
Benedikt
Ah, «wider meinen Willen hat man mich abgeschickt, Euch zu Tische zu rufen!»
Das kann zweierlei bedeuten: «es kostete mich nicht mehr Mühe, diesen Dank zu
verdienen, als Ihr Euch bemüht, mir zu danken»: das heißt soviel als: jede Mühe,
die ich für Euch unternehme, ist so leicht als ein Dank. Wenn ich nicht Mitleid
für sie fühle, so bin ich ein Schurke; wenn ich sie nicht liebe, so bin ich
ein Jude. Ich will gleich gehn und mir ihr
Bildnis verschaffen. (Ab)
(aus "Viel Lärm um Nichts" von William Shakespeare)