Pitigrilli: "Betrüge
mich gut"
Nichts für junge, brave Mädchen!
..."Die
Liebe, mit Raserei, mit Fieber,
mit tollem
Leiden gefeiert, ist immer schön, selbst wenn sie eine Tragödie
verursachen
sollte." (Pitigrilli)
Wann
immer der Herbst im Lande Einkehr hält, scheint ein erster
literarischer Frühlingsgruß angebracht zu sein. Angenehm leicht
aromatisiert ist das Frühwerk von Dino Segre, der sich Pitigrilli
nannte. Segre tat auch gut daran ein Pseudonym zu wählen, zumal die
zwanziger Jahre noch nicht reif für seine skandalösen Schilderungen
waren. Egal ob er die Kokainsucht (in "Kokain") beschreibt oder die völlig,
vor rasender Leidenschaft, blinde Mesalliance zwischen einer
Zirkusartistin und einem Richter, der alles erfolgreiche in seinem
Leben hinter sich lässt und sich dem Zirkus als ziemlich erfolgloser
Clown anschließt, - Pitigrillis Geschichten sind allesamt skandalös,
weil schonungslos.
Dem
Basilisken
der scheinmoralischen Gesellschaft wurde damals von Pitigrilli ein
Spiegel vorgehalten, dessen Verzerrungen die Betrachter zunächst zu
ungestümem
Lachen bewegte, doch nach und nach sich aus diesen lächerlichen
Zerrbildern die
schreckliche Gewissheit herauskristallisierte, dass diese entstellten
Bilder
dem eigenen hässlichen Ich der Betrachter noch schmeicheln. Pitigrilli
ist in
allem maßlos. Sein Metier sind die Leidenschaften, denen er sich wohl
nicht nur
schreibend widmete, sondern die er nur allzu gut aus eigener, gelebter
Erfahrung kannte und deshalb auch so treffend zu beschreiben wusste.
Pitigrillis
Erzählungen
"Betrüge mich gut" setzen sich mit dem Begriff der Treue
auseinander, dem der Autor zu einem neuen Verständnis jenseits der
bürgerlichen
Moralvorstellungen verhelfen will. Dazu bedient sich Pitigrilli einer
locker-zynischen, alle Normen mit gekonnter Bösartigkeit auflösenden
Sprache.
Was dem Leser zunächst noch vernünftig und deshalb harmlos erscheint,
endet jedoch
zumeist in Kaskaden dreister Schlußfolgerungen des Autors.
Nachdem
1939 auch in Italien die Rassengesetze in Kraft traten, musste der
Autor jüdischer Herkunft vor diesem Wahnsinn über die Schweiz nach Argentinien flüchten. Wohl unter
dem Eindruck dieser bedrückenden Erlebnisse und vor allem aber nach
den jahrelangen Exzessen an zynischen Bosheiten in seinen Werken nimmt
es nicht weiter wunder, dass Pitigrilli nach seiner Rückkehr nach
Italien, - seinem Naturell gemäß - in das andere Extrem verfiel und
sein Heil in der Hinwendung zum Moralismus und letztlich im
Katholizismus suchte.
In
Erinnerung
blieben jedoch nur seine skandalumwitterten Frühwerke, die, wie es
meine Buchhändlerin audrückte, nichts für junge, brave Mädchen wären.
(tosch)
Pitigrilli: "Betrüge mich
gut"
Taschenbuch: Rowohlt, 1987.
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