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Am Tag des Aufbruchs hatte ich mich nicht wohl gefühlt, denn ich hatte starke Bauchschmerzen. Der chinesische Führer bot mir eine Arznei aus Ginseng, Opium, Kolbengeweih und einen Sud aus Bärenknochen an. Ich nahm an, dass das Opium den Schmerz stillen werde, und erklärte mich bereit, ein paar Tropfen dieser Brühe zu trinken. Aber der Chinese redete mir zu, einen ganzen Löffel voll hinunterzuschlucken. Er sagte, es sei nur ganz wenig Opium in der Mischung, dagegen mehr von den anderen Kräutern. Er ging wohl von sich aus und war an Opium gewöhnt, aber für mich war auch diese kleine Dosis schon zu viel.

Bald nach dem Einnehmen der Medizin begann der Schmerz im Leib zu verstummen, aber gleichzeitig erfasste eine seltsame Müdigkeit meinen ganzen Körper. Ich legte mich an das Lagerfeuer und fiel in einen schweren, mehr einer Ohnmacht ähnelnden Schlaf. Nach einer halben Stunden wachte ich auf, wollte mich erheben, konnte aber nicht, wollte mich bewegen, konnte es nicht, wollte schreien, und konnte auch das nicht. Ich befand mich in einem seltsamen Zustand: Ich hatte jedes Gefühl verloren, sah nichts, hörte nichts, empfand nichts. Mit übermenschlicher Kraft gelang es mir, die Hand zu erheben und mein Gesicht zu berühren. Ich erschrak: Das waren nicht meine Hände, sondern fremde, und es war gar nicht mein Gesicht, sondern eine Maske. Furcht ergriff mich. Nach starker innerer Überwindung sprang ich auf und fiel sofort wieder um. Ich musste mich übergeben. Zu meinem Glück schlief Dersu noch nicht. Er brachte mir Wasser, ich schluckte etwas und kam wieder zu mir. Mir war so schwindelig, dass ich den Blick nicht auf eine bestimmte Stelle zu konzentrieren vermochte. Ich hatte mich offenbar vergiftet. Mehrere Male trank ich große Mengen Wasser und rief mit Absicht Erbrechen hervor. Nur das rettete mich. So quälte ich mich bis zum Morgen. Als es tagte, lief Dersu in den Wald und brachte irgendein Gras mit. Er befahl mir, es zu kauen und den Saft zu schlucken. Allmählich löste sich der Druck, Schwindel und Kopfschmerz verschwanden, dafür traten Schwächegefühl und heftiger Durst auf.

Abends hatte ich mich schon fast ganz erholt, konnte nur noch nichts essen - Brechreiz hinderte mich daran. Deshalb beschloss ich, früh schlafen zu gehen, in der Hoffnung, dass ich mich morgen besser fühlen würde. Um zwölf Uhr erwachte ich. Am Feuer saß der chinesische Führer und bewachte das Lager. In dieser stillen Mondnacht sah ich zum Himmel, der mir so seltsam, so flach gedrückt vorkam, als hätte er sich zur Erde gesenkt. Der Mond war von einem matten Fleck und einem in Regenbogenfarben schillernden Hof umgeben. Morgen wird es kräftigen Frost geben, dachte ich, hüllte mich in meine Decke, lehnte mich an den neben mir schlafenden Kosaken und fiel wieder in Schlaf.
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(Aus "Der Taigajäger Dersu Usala" von Wladimir Arsenjew; 1872-1930)