Die Schöpfung

Vor dem Meer und der Erd' und dem allumschließenden Himmel,
War im ganzen Bezirk der Natur ein einziger Anblick,
Chaos genannt, ein roher und ungeordneter Klumpen:
Nichts mehr, als untätige Last, nur zusammengewirrte
Und mißhellige Samen der nicht einträchtigen Dinge.
Niemals kreisete jetzt ein welterleuchtender Titan,
Noch erneuerte Phöbe des Monds anwachsende Hörner.
Auch nicht schwebte die Erd' in rings umgossenen Lüften,
Wägend sich selbst durch eignes Gewicht; noch streckte die Arme
Weit um den Rand der Länder die mächtige Amphitrite.
Wo die Erde nun war, dort war auch Luft und Gewässer.
Nicht zum Stehn war jetzo das Land, noch die Woge zum Schwimmen,
Noch voll Lichtes die Luft: kein Ding hatt' eigne Gestalt noch.
Anderes war dem anderen feind: in dem selbigen Körper
Übete Kaltes den Kampf mit Hitzigem, Feuchtes mit Trocknem,
Weicheres rang mit Hartem, und Lastendes gegen das Leichte.

Solchen Streit hub endlich die beßre Natur und die Gottheit:
Welche vom Himmel das Land, von dem Land abtrennte die Wasser,
Und von der dunstigen Luft den gekläreten Himmel emporhub.
Dieses nunmehr entwickelt, und frei aus der blinden Verwirrung,
Schied sie in eigenen Räumen, und stiftete Frieden und Freundschaft.
Siehe die feurige Kraft des gewichtlos wölbenden Himmels
Schimmert' empor, und wählte den obersten Ort in den Höhen.
Ihm ist nahe die Luft, wie an Leichtigkeit, also an Wohnung.
Dichter denn beid' ist die Erd', und zog den gröberen Urstoff,
Niedergedrückt durch Schwere von sich; die umflutende Nässe
Nahm den äußersten Sitz, und band den gediegenen Erdkreis.
(...)


(aus den Metamorfosen des Ovid)
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