Michal Viewegh: "Der Fall untreue Klára"


"Ich bin nur einer Ihrer üblichen eifersüchtigen Klienten, ich behaupte nicht, anders zu sein als die anderen", sagte er etwa eine Woche später zu mir; ich hatte den Eindruck, als ob er etwas zitiert hätte, und später fand ich diesen Satz tatsächlich in einem Roman von Graham Greene wieder. (Aus dem Roman)

Denis Pravda hat in den letzten Jahren in Prag eine recht erfolgreiche Privatdetektei aufgebaut. Er beschäftigt drei Mitarbeiter, die er hauptsächlich mit Observationsaufgaben betraut. Denn Denis Pravdas Spezialgebiet ist es, im Auftrag von sich hintergangen fühlenden Eheleuten, in der Mehrzahl sind es Ehefrauen, den anderen Partner bei einem Seitensprung zu beobachten und durch entsprechendes Bildmaterial der Auftraggeberin den Beweis für die Untreue des Partners zu liefern.
Seine Dienste werden gut bezahlt, und in den meisten Fällen liefert er schnell und zuverlässig die entsprechenden Unterlagen. Schwierig wird es nur, wenn er trotz ausgiebiger Recherche seiner Auftaggeberin nur mitteilen kann, dass er nichts gefunden hat. Diese Frauen muss er mühsam davon überzeugen, dass die angebliche Untreue ihrer Männer nur ihrer Fantasie entsprungen ist.

In seiner eigenen Beziehung mit seiner Frau Ruth hat er das Problem elegant geregelt. Eifersucht ist für die beiden ein Fremdwort geworden. Körperliche und sexuelle Beziehungen mit anderen Partnern sind für sie normal, und sie tauschen sich auch regelmäßig darüber aus. Ihrem gemeinsamen lebendigen und leidenschaftlichen Sexualleben tut das nach einem Beziehungsjahrzehnt keinen Abbruch - ganz im Gegenteil.

Eines Tages kommt der berühmte Schriftsteller Norbert Cerný in Pravdas Kanzlei. Er gibt an, für ein eigenes Romanprojekt zum Thema Eifersucht Pravdas fachmännische Beratung zu benötigen. Er habe ihn, Pravda, ausgewählt, weil sich die anderen Detekteien am Telefon mitunter sehr despektierlich, immer jedoch negativ, über seine Detektei geäußert hätten, was ihn, Cerný, zu der sicheren Annahme veranlasse, dass Pravda eben der Beste sei.

Pravda fühlt sich geschmeichelt und erzählt aus seiner Praxis. Norbert Cerný fragt nach und notiert sich eifrig die gehörten Informationen und Details. Langsam jedoch kommt er mit seinem eigentlichen Anliegen heraus. Er will herausfinden lassen, ob ihn Klára, eine um zwanzig Jahre jüngere Sinologiestudentin, mit der Cerný zusammenlebt, betrügt.

Pravda nimmt den gut dotierten Auftrag an, doch eine lange Rund-um-die-Uhr-Beschattung zeigt, dass Klára ihrem Partner absolut treu ist. Schon während der Beschattung beginnt sich allerdings Denis Pravda auch in anderer Hinsicht für Klara zu interessieren. Sie bestimmt mehr und mehr seine Fantasien. Norbert Cerný, beruhigt aufgrund der Ergebnisse der Beschattung, von denen er seine Entscheidung abhängig macht, ob er Klára heiratet, schenkt Klára eine Chinareise, die sie glaubt, alleine antreten zu können. Um seine letzten Zweifel aber auszuschließen, soll Denis im selben Flieger nach China reisen, um Klára dort vor Ort zu beschatten. Täglich erwartet Norbert von ihm einen telefonischen Bericht, denn Denis soll versuchen, Klára in China anzubaggern. Norbert will währenddessen in Ruhe zu Hause an seinen Roman arbeiten, was er auch ausführlich tut, wie er erstaunte Leser am Ende realisiert. Doch aus der von Norbert geplanten Beschattung wird mehr, noch ist es eine Rechnung ohne den Wirt.

Nach der Rückkehr aus China komplettiert ein furioses Finale einen perfekt angelegten Roman, den Viewegh zwischendrin in Kursivschrift in Auszügen dokumentiert.

"Der Fall untreue Klára" ist ein köstlicher Roman mit viel Witz und Gespür für Komik; ein lustiges Verwirrspiel sowie eine unterhaltsame Lektüre über die Facetten und Abgründe menschlicher Leidenschaften und die Fallen der Sexualität.

(Winfried Stanzick; 10/2007)


Michal Viewegh: "Der Fall untreue Klára"
Übersetzt aus dem Tschechischen von Eva Profousová.
Gebundene Ausgabe:
Deuticke, 2007. 207 Seiten.
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