Ulrich Ritzel: "Uferwald"
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       Auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs 
      schlossen sich die Türen des ICE, fast unmerklich setzte sich der Zug in 
      Bewegung, Kriminalkommissarin Tamar Wegenast, eine groß gewachsene, 
      schlanke Frau, hob den Arm und winkte. Sie war noch jung und trug langes, 
      dunkles, hochgestecktes Haar.  | 
    
       Der alte, kantige und knorrige 
      Kommissar Hans Berndorf, sympathische Hauptfigur von Ulrichs Ritzels 
      ersten vier in gebundener Ausgabe beim kleinen aber feinen Libelle Verlag 
      erschienenen Romanen, tritt endgültig ab.  | 
Von wo man ihn ja auch bei Bedarf für 
kurze Einsätze wieder zurückholen kann, wenn man will. Im neuen, ersten Roman 
ohne Berndorf kommen seine beiden Kollegen, die man aus den ersten Büchern 
kennt, zweimal kurz in diese Versuchung, entscheiden sich dann aber 
dagegen.
Markus Kuttler und seine Kollegin Tamar Wegenast lassen in 
"Uferwald" den alten Mann nicht vermissen. Ulrich Ritzel setzt seine Tradition 
fort und lässt seine Polizisten immer auch etwas abseits der üblichen Dienstwege 
und jenseits der klassischen, durch Dienstvorschriften festgelegten Regeln 
ermitteln. So auch bei diesem Fall, der mit dem anfangs zitierten Anruf auf 
Tamar Wegenasts Handy beginnt.
Eine alte Frau ist tot in ihrer Wohnung 
aufgefunden worden. Kuttler und Wegenast klären die Zuständigkeit mit ihrem 
üblichen Schnipp-Schnapp-Schnupp, und wie meistens verliert Kuttler und beginnt 
zunächst alleine, sich um die Sache zu kümmern.
Die Tote, eine Charlotte 
Gossler, Mieterin einer Wohnung der Gemeinnützigen Heimstätten in Ulm, lag seit 
Monaten in der Wohnung, im Zimmer ihres vor Jahren bei einem ungeklärten Unfall 
ums Leben gekommenen Sohnes Tilman. Erst ein ungelenker Brief der Tochter eines 
türkischen Nachbarn an die Hausverwaltung, der von dieser aber wochenlang 
verschlampt wird, lenkt die Aufmerksamkeit auf Charlotte Gossler.
Kuttler 
findet in Tilmans Zimmer ein Tagebuch, in dem Tilman Gossler von einer Clique 
erzählt, zu der auch Luzie Haltermann gehörte, jetzige Assistentin der 
Geschäftsleitung der Gemeinnützigen Heimstätten, die sich für das Versagen ihrer 
Kollegin verantwortlich fühlt und die Beerdigung von Charlotte Gossler 
organisiert.
Und nun gerät Kuttler und später auch Tamar Wegenast, die 
ihren Kollegen zunächst mit der Lektüre des Gosslerschen Tagebuchs auf illegalen 
Abwegen wähnte, in eine Geschichte einer Clique, eine Geschichte von 
schwierigen, konfliktbeladenen Beziehungen, die ihre Wirkung bis in die 
Gegenwart zeigen.
Hier erinnert die Konstruktion des Romans den 
Rezensenten an Anne Chaplets gleichzeitig entstandenes, hervorragendes neues 
Buch "Sauberer 
Abgang", worin auch eine alte Clique in mysteriöse Todesfälle verwickelt 
ist. Bei Chaplet liegen über zwanzig Jahre dazwischen, hier bei Ritzel nur etwa 
fünf.
Um die Spannung dieses herausragenden Buches von Ulrich Ritzel 
nicht aufzulösen, soll der Handlungsfaden nicht weiter beschrieben werden. 
Dem 1940 in Pforzheim geborenen Autor Ulrich Ritzel ist es gelungen, Menschen zu beschreiben, ihre Schicksale zu 
dokumentieren und zu zeigen, dass die Vergangenheit eben nicht vergeht, sondern 
mit einem Mal, durch Zufall, durch die Entdeckung eines unbekannten Tagebuchs, 
Dinge und Vorgänge ans Licht kommen, die sonst für immer unentdeckt geblieben 
wären, so auch die wahren Umstände des Unfalls von Tilman Gossler.
Für 
alle, die auch an der "privaten Geschichte" von Kuttler und Wegenast Interesse 
haben, sei erwähnt, dass sie am Ende beide neue Liebes- und Beziehungsfäden 
knüpfen. Kuttler freundet sich mit einer Frau aus der ehemaligen Clique an, und 
Tamar trifft ihre alte Freundin und große Liebe wieder. Wie es weitergeht?
Warten wir mit Spannung und Vorfreude auf das nächste Buch.
(Winfried Stanzick; 03/2006)
Ulrich Ritzel: "Uferwald"
btb Verlag, 2006. 
384 Seiten.
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Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Schlangenkopf"
Eine Frühlingsnacht in Berlin. Ein junger Mann geht am Alten 
Garnisonsfriedhof vorbei, ein Landrover lauert im Dunkel und nimmt 
langsam Fahrt auf, am Ende liegt ein Toter auf der Straße - und Ex-Kommissar 
Hans Berndorf, mittlerweile Fachmann für private Ermittlungen, scheint als 
Einziger an der Auflösung dieses Verbrechens interessiert. Besonders brisant: 
der Tote war vermutlich Opfer einer Verwechslung, die eigentliche Zielperson 
schwebt immer noch in höchster Gefahr. Als Berndorf dies begreift, ist er selbst 
schon ins Visier von Leuten geraten, die drei Nummern zu groß für ihn sind. Die 
es nicht zulassen, dass die lukrative Endabwicklung der glänzenden Geschäfte, 
die sie im zurückliegenden jugoslawischen Bürgerkrieg getätigt haben, von einem 
ausgedienten Polizisten durchkreuzt wird.
Doch manchmal scheitern die Mächtigen an Dingen, die zu unbedeutend sind, als 
dass sie sie ins Kalkül gezogen hätten. Ein 
Politiker gerät in die Verlegenheit, 
sich nicht mehr groß äußern zu können. André, ein halbwüchsiger Taschendieb, 
erbeutet einen Rechner mit verfänglichen Informationen. Ein kleiner Betrüger 
wittert die Chance zum großen Betrug. Eine geschwätzige alte Dame hat einen 
verfänglichen Zeitungsausschnitt aufbewahrt. Und Berndorf lernt, was für ein 
nützliches Gerät ein Spaten sein kann. Aber wird er damit durchkommen? (btb)
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"Forellenquintett"
Spätsommer in Katowitz. Ein Mann irrt durch die Straßen, eine grell
bedruckte Plastiktüte in der Hand, im leeren Beichtstuhl einer katholischen
Kirche gelingt es ihm schließlich, sie zu entsorgen. Am gleichen Vormittag
begibt sich in Ulm Kriminalkommissarin Tamar Wegenast ins Büro. Auch sie ist in
einer angespannten Verfassung. Seit Wochen wird sie mit Anrufen und Drohbriefen
belästigt, als dessen Verfasser ein Kai Habrecht firmiert. Aber der ist tot,
sie selbst hat ihn vor Jahren erschossen. Abends erreicht sie der Hilferuf einer
in Krakau lebenden Freundin, einer Malerin, in deren Wohnung die enthauptete
Leiche einer Frau gefunden wurde - den Kopf findet man später in einem
Beichtstuhl in Katowitz ... Die Spur führt nach Berlin, wo ein Mann ohne Gedächtnis
Ärzte und Pressevertreter narrt, was ein älteres Ehepaar vom Bodensee nicht
davon abhält, ihn als ihren seit Jahrzehnten verschollenen Sohn Bastian zu
identifizieren, der einst im Alter von dreizehn Jahren spurlos verschwand. Tamar
Wegenast glaubt nicht an die glückliche Rückkehr des verlorenen Sohnes. Sie
ist sich sicher, dass der Mann etwas mit dem Mord in Krakau zu tun hat. Doch als
sie die Ermittlungen im Vermisstenfall von damals wieder aufnimmt, bringt sie
sich selbst in tödliche Gefahr ... (btb)
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"Der Schatten des 
Schwans"
Jänner 1998: In einem verschneiten Steinbruch bei Ulm wird die 
Leiche eines Arbeitslosen gefunden. Was hat den Mann aus Görlitz hierher 
geführt, und wer hat ihn mit Psychopharmaka voll gepumpt? Doch das ist nicht das 
einzige Problem, mit dem Kommissar Berndorf und seine Kollegin Tamar Wegenast 
sich herumschlagen müssen. Zugleich werden sie vom spektakulären Ausbruch eines 
"Lebenslänglichen" in Atem gehalten: Der Rasiermesser-Mörder nimmt blutige Rache 
an den Juristen, die ihn vor Jahren verurteilt haben. In einer atemberaubenden 
Handlung zwischen der Schwäbischen Alb, Görlitz und Tel Aviv wird eine Spur 
sichtbar, die zurückführt in die düsteren Kapitel medizinischer Forschung in der 
NS-Zeit. Als Berndorf dabei den Schonraum eines schwäbischen Klüngels aus Polit- 
und Wirtschaftsprominenz verletzt, wird er von einer Stuttgarter 
Sonderkommission suspendiert.
Doch Berndorf, zwischen 
Montaigne-Lektüre, 
nächtlichen Ferngesprächen mit seiner Liebsten und maßvollem Whiskygenuss 
unbeirrbar an jener Aufklärung interessiert, die in der Nachkriegszeit 
verhindert wurde, lässt sich nicht einschüchtern und ermittelt heimlich weiter. 
Mit von der Partie ist dabei seine Assistentin Tamar, die ihrem (kritisch 
verehrten) Chef gegen den Druck des Apparats unerschrocken beisteht, obwohl sie 
mit der Tochter des Mörders in eine Serie verwirrender Begegnungen 
gerät.
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"Schwemmholz"
Für seinen 
zweiten Berndorf-Krimi "Schwemmholz" wurde Ulrich Ritzel mit dem Deutschen 
Krimipreis ausgezeichnet und für den Glauserpreis nominiert.
Beim 
Frühjahrshochwasser wird in Ulm nicht nur "Schwemmholz" angetrieben - in einem 
überfluteten Neubau taucht eine 
Leiche auf. Kommissar Berndorf und seine 
Assistentin Tamara Wegenast auf den Spuren eines groß angelegten Komplotts um 
Gelder, Großaufträge und Gefälligkeiten, in das mehr als nur ein Würdenträger 
verwickelt ist und das Berndorf fast das Leben kostet ...
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"Die schwarzen Ränder der 
Glut"
Es ist ein heißer Sommer, als Kommissar Berndorf sein Rentnerdasein 
beginnt. Doch der Brief eines Selbstmörders zwingt ihn nicht nur, Ermittlungen 
in einem weit zurückliegenden Todesfall aufzunehmen, sondern sich auch der 
eigenen Vergangenheit zu stellen. Widerwillig erinnert sich Berndorf an das Jahr 
1972, als die RAF-Hysterie nicht nur die Polizei elektrisierte und zu 
überstürzten Handlungen trieb. Schließlich greift er die Lebensfäden einer Hand 
voll Menschen auf, die sich in jener Zeit unter dramatischen Umständen mit 
Berndorfs Biografie verknüpften. Dabei gerät er in eine lebensgefährliche 
politische Intrige.
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"Der Hund des 
Propheten"
Eigentlich will Ex-Kommissar Berndorf seinen wohlverdienten 
Ruhestand genießen. Doch dann kommt alles ganz anders: Ein Journalist stellt zu 
viele Fragen nach Nazigold in jenen Bombenkratern, die zu stillen Waldteichen 
voll gelaufen sind. Und nach "Mobbing" in 
pazifistischen Kirchenkreisen. Als ein junger Sinti beschuldigt wird, den 
Lokalreporter und heimlichen Sexfotografen Hollerbach umgebracht zu haben, gerät 
Berndorf in ein explosives Geschiebe aus Waffenhändlern, alten 
Stasi-Seilschaften und behördlich abgesegneter US-Spionage.
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"Halders Ruh"
Der Mann, der 
sich im "IC Alpenland" um Kopf und Kragen redet und eingeholt wird von einer 
alten Schuld. Die reizende Schwiegermutter, die anhebt, ihren Sohn zu 
verteidigen, und fast wider Willen ein grässliches Geschehnis offenbart. Der von 
der Vergangenheit gequälte Inhaber der Pension "Halders Ruh", einst 
Dienststellenleiter im Jugendamt und Liebhaber von Modelleisenbahnen. Sie alle 
tragen Geheimnisse in sich, die sie lieber verdrängen und über die sie 
schließlich stolpern. Ulrich Ritzels Erzählungen sind wie kleine Krimis, die 
noch lange nachwirken, nachdem man sie zu Ende gelesen hat.
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"Trotzkis Narr" zur Rezension ...