Ernst-Peter Fischer: "Der Physiker"

Max Planck und das Zerfallen der Welt


Leben und Umfeld des Nobelpreisträgers

Der Nobelpreisträger Max Planck gehört zu den Persönlichkeiten, die wesentlichen Einfluss auf die Wissenschaftsgeschichte genommen haben. Zugleich war sein Leben häufig von tragischen Ereignissen überschattet.

In seiner Planck-Biografie zeichnet der Autor zunächst die Epoche nach, von der Planck geprägt wurde, und erläutert die physikalischen Prinzipien, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckt wurden und Plancks Arbeiten zugrunde liegen. Anschließend stellt er Plancks Leben vor.

1858 in Kiel geboren und 1867 nach München übersiedelt, wächst Max Planck in einer Zeit heran, in der die Naturwissenschaftler bahnbrechende Erfolge verzeichnen. Dem Schüler Planck erklärt der Münchner Ordinarius für Physik sinngemäß, in der Physik gäbe es nichts Nennenswertes mehr zu entdecken. Trotzdem entscheidet sich Planck für das Physikstudium, das er zunächst in München und Berlin absolviert. Promotion und Habilitation folgen rasch aufeinander. Über Kiel gelangt der inzwischen verheiratete Professor Boltzmann nach Berlin.

Die Forschung über die Schwarzkörperstrahlung führt ihn zur Entdeckung des so genannten Planckschen Wirkungsquantums, das die Geburt der Quantenphysik einläutet und der klassischen Physik Newtons zumindest im subatomaren Bereich den Todesstoß versetzt: ganz und gar gegen Plancks Willen, der sich, ähnlich wie Einstein, nie recht mit der Vorstellung anfreunden kann, dass physikalische Vorgänge nicht präzise messbar seien.

Planck, der vielen Gremien und unter anderem auch der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vorsitzt, muss viele private Schicksalsschläge hinnehmen, vor allem den Tod von Frau und Kindern. Als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, gerät Planck in eine schreckliche Zwickmühle, denn etliche seiner Mitarbeiter, darunter Einstein, den er selbst nach Berlin geholt hat, sind keine "Arier". Der Bombenkrieg kostet ihn sein Zuhause, dann wird auch noch sein jüngerer Sohn hingerichtet. Und als der Krieg vorbei ist, muss der weit über Achtzigjährige neuerlich für seine Wissenschaft kämpfen.

Der Autor legt die von Planck durchlebten Epochen, insbesondere das Kaiserreich und den Nationalsozialismus, so unkompliziert und schlicht dar, dass auch wenig geschichtsinteressierte Leser die Biografie leicht nachvollziehen können. Ebenso einfach stellt Fischer die naturwissenschaftlichen Entdeckungen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor; auch Laien und Jugendliche verstehen so das von Planck gelöste Problem der Schwarzkörperstrahlung.

Bedauerlicherweise findet sich allerdings ein Fehler in den physikalischen Erläuterungen, der naturwissenschaftlich interessierte Schüler irritieren dürfte, für die dieses Buch gerade wegen der keine besonderen Kenntnisse voraussetzenden Herausarbeitung des polit- und wissenschaftshistorischen Kontexts ansonsten gut geeignet wäre (fälschlicherweise soll Rutherford Goldfolie mit energiereichen Gamma- statt mit eher energiearmen Alphastrahlen beschossen haben).

Die Biografie selbst verläuft, von wenigen Vorausblenden mit längerer Verweildauer abgesehen, sinnvollerweise chronologisch und bleibt immer übersichtlich und sehr gut verständlich. Plancks Philosophie und seine tief sitzende Abneigung gegen die Konsequenzen seiner Arbeit, nämlich die Quantelung von Basisgrößen wie der Energie, werden gründlich erläutert. Plancks Charakter kommt darin deutlich zur Geltung, vor allem jedoch auch während des langen Abschnitts über Plancks umstrittenes Wirken während des Nationalsozialismus. Sein vorsichtiges Abwägen, gelegentliche, zumeist unspektakuläre Proteste können nur selten Diskriminierung und schließlich Flucht und Exil der jüdischen Kollegen und Mitarbeiter verhindern.

Während Plancks Physik und seine Aufgaben an der Universität und in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft recht ausführlich geschildert werden, schneidet Fischer die tiefen Tragödien in Plancks Privatleben zwar an, geht aber nur auf den Tod des hingerichteten Sohnes Erwin gründlicher ein.

Der Leser lernt die Physiker in Plancks Umfeld kennen und begreift den gewaltigen Sprung, den die Physik zu Anfang des 20. Jahrhunderts vollbrachte, vor allem aufgrund der Erkenntnisse von Planck und Einstein.

Es ist nicht leicht, Max Planck zu porträtieren, der so gern unpolitisch geblieben wäre und doch aufgrund seiner herausragenden Position immer mit der jeweiligen Macht in Kontakt stand, und den die Konsequenzen aus seiner großen Entdeckung so sehr bestürzten. Dieses Buch gibt einen spannend verfassten, sehr leicht verständlichen Einblick in ein außergewöhnliches Wissenschaftlerleben.

(Regina Károlyi; 09/2007)


Ernst-Peter Fischer: "Der Physiker. Max Planck und das Zerfallen der Welt"
Siedler, 2007. 352 Seiten.
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Ernst Peter Fischer wurde 1947 in Wuppertal geboren. Er studierte Mathematik und Physik in Köln, Biologie am California Institute of Technology in Pasadena (USA), war Habilitationsstipendiat der DFG im Bereich Wissenschaftsgeschichte und lehrt heute als Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Konstanz. Für seine Arbeit erhielt er mehrere Preise, u. a. den Sartorius-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Fischer ist Autor zahlreicher erfolgreicher Bücher, unter anderem "Die andere Bildung. Was man von der Naturwissenschaft wissen sollte" (2001), "Einstein für die Westentasche" (2005) und "Schrödingers Katze auf dem Mandelbrotbaum" (2006).