Lothar Kolmer: "Die Kunst der Manipulation"


Gegen unsere Entmündigung

Bereits 1976 stellte Joseph Kirschner in seinem Buch 'Manipulieren - aber richtig' die These auf: "Wir alle werden von Geburt an ständig manipuliert und wir alle versuchen täglich, unsere Mitmenschen zu unserem Vorteil zu beeinflussen." Im vorliegenden Buch untersucht Kolmer, der an der Universität Salzburg das Ressort Rhetorik mit den Schwerpunkten Manipulation, Propaganda, Persuasion und Eristik leitet, verschiedene Bereiche (Medien, Werbung, Politik), in denen unvermeidlich manipuliert wird. Außerdem stellt er diverse Methoden der Manipulation vor, und deutet zumindest kurz an, wie man sich dagegen verwehren könnte.

Manipulation ist ethisch nie einwandfrei und reicht manchmal bis an die Grenze des strafrechtlich Erlaubten. Kolmer definiert sie folgendermaßen: "... die bewusste Beeinflussung eines anderen Menschen, die diesem nicht bewusst ist." Jemand verfolgt egoistische Absichten und möchte das kritische Bewusstsein des anderen ausschalten. Entscheidungen müssen heute schnell getroffen werden, oft werden wir mit Informationen so überhäuft, dass wir keine Chance haben, das Wesentliche zu erkennen und zu reflektieren. Wer kann seine Bedürfnisse noch selbst steuern, wer ist vor Unzufriedenheit gefeit?! Die Medien schrauben ihr Niveau bewusst nach unten, Politiker inszenieren sich bei Festivitäten und Katastrophen, die Wirklichkeit wird gefiltert wiedergegeben und dramatisiert - alles wird zu einem Infotainment-Brei.

Schon Aristoteles und Platon wussten offensichtlich, dass Lügen und Täuschung zur Rhetorik bzw. zur Politik gehören. Werbung und Propaganda spielen mit unseren Emotionen, welche die Urteilskraft mindern und uns für simple Botschaften empfänglich machen. Es wird mit Generalisierungen gearbeitet, uns werden Autoritäten vorgegaukelt, Euphemismen werden kreiert, Konnotationen entwickeln eine eigene Dynamik. Die Welt ist komplex, Interessen werden mit Macht durchgesetzt - es wird öffentlich und offiziell gelogen, um Kampagnen durchzuziehen oder Kriege zu rechtfertigen. Da wir in einer Mediokratie leben, wird mit der öffentlichen Meinung gearbeitet - wir mutieren zu einer globalen Konsensgesellschaft.

Nein - ganz so schlimm ist es nicht: manche Lügen (vgl. die Begründung für den Irak-Krieg) werden auch aufgedeckt - und die Zahl der kritischen Verbraucher wächst. Und wenn man noch die 'Prüfliste für den Eigengebrauch' am Ende des Buches anwendet, dann hat Kolmer sein ziel erreicht und etwas zur Aufklärung gegen manipulative Strategien beigetragen. U.a. heißt es hier am Schluss: "Überlegen sie sich die Werte, nach denen Sie leben!" - "Überlegen Sie Alternativen!" - "Lernen Sie Nein zu sagen!" - "Seien Sie kritisch, gebrauchen Sie Ihren eigenen Verstand!" Womit wir bei Immanuel Kants zentralem Aufklärungsmotivationswahlspruch wären: "Sapere aude!" Und so ist dies vorliegende eines jener Bücher, die uns helfen, gegen unsere Entmündigung anzukämpfen.

(KS; 09/2006)


Lothar Kolmer: "Die Kunst der Manipulation"
Ecowin, 2006. 176 Seiten.
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Univ.-Prof. Dr. Lothar Kolmer, geboren 1948, studierte Germanistik, Geschichte, Soziologie und Politologie in Regensburg und Heidelberg. Seit 1992 ist er Professor an der Universität Salzburg für Mittelalterliche Geschichte und Kulturgeschichte. Darüber hinaus leitet er die "Rhetorik" an der Universität Salzburg, wo er sich auf die Lehre und Forschung der "klassischen" Rhetorik mit Schwerpunkt Manipulation, Propaganda, Persuasion und Eristik spezialisiert hat. In diesem Fachgebiet hat er bereits zahlreiche wissenschaftliche Bücher veröffentlicht und berät führende Unternehmen. Lothar Kolmer ist Mitglied im "Verband der Redenschreiber deutscher Sprache" und Beirat der "Stiftung Redekultur" Berlin.