Bernard Lewis: "Die Araber"

Aufstieg und Niedergang eines Weltreichs

"Jemand, der sich selbst als Araber bezeichnet, kann seinem Pass zufolge Staatsangehöriger Saudi-Arabiens, des Jemen, des Irak, Kuwaits, Syriens, Jordaniens, des Sudan, Libyens, Tunesiens, Algeriens, Marokkos oder eines anderen jener Staaten sein, die sich als arabische Staaten verstehen."


Was ist also ein "Araber" oder was bedeutet "arabisch"? Dieser Frage wird nachgegangen, obwohl aufgrund der unterschiedlichen Nationalitäten eine Antwort schwerfallen wird. Das Arabertum hat bis dato keinen rechtlichen Status, doch dieses interessante Buch versucht dem Leser die Stellung der Araber in der Geschichte, ihre Identität, ihre Errungenschaften sowie die historische Entwicklung dieser Nation zu nahe zu bringen. Der Begriff "Araber" findet sich erstmals im neunten Jahrhundert v. Christus und bezeichnet Beduinen der nordarabischen Steppengebiete.

Arabien war seit je her ein Transitland zwischen den Mittelmeerländern und dem Osten. Die Problematik einer sicheren Handelsroute zwischen dem Persischen Golf und dem Mittelmeer war immer präsent. Bereits nach Christi Geburt war der Persische Golf aufgrund wirtschaftlicher Aspekte von strategischer Bedeutung.

Die arabische Nationaltradition unterteilt das arabische Volk in zwei Stammesgruppen, von denen eine im Süden, die andere im Norden angesiedelt war. Diese Unterscheidung äußert sich auch in verschiedenen Ausprägungen der arabischen Sprache, wobei sich jene Nordarabiens zum klassischen Arabisch weiterentwickelt hat.

Obwohl die Geschichte Mekkas im Dunkeln liegt, versucht der Autor dem Leser einige wichtige Details über diese für die Araber aus religiöser Sicht wichtige Stadt herauszuarbeiten.

Auch auf die Ursprünge des Islam wird eingegangen. Der einzige Bezug auf den Begründer, Muhammad, ist die Sira, eine traditionell muslimische Lebensgeschichte des Propheten. Darüber hinaus prägt nicht nur der Koran, das sogenannte Wort Gottes, die islamische Religion, sondern auch die Handlungen und Aussagen Muhammads, die in Form von Überlieferungen, arabisch Hadith genannt, geblieben sind. Gerade diese Überlieferungen unterlagen im Laufe der Zeit Verfälschungen und sind heute bei ihrer Anwendung zu prüfen und abzuwägen. Muhammad wanderte aufgrund feindlich gesinnter Mekkaner nach Medina aus. Diese Wanderung, Hedschra genannt, brachte im Zusammenhang mit dem Islam einen Wendepunkt. In Medina konnte der Prophet regieren und den Islam ausüben und nicht wie in Mekka nur predigen.

Bernard Lewis beschreibt anschaulich die Eroberungen und Kontroversen im Nahen und Mittleren Osten, verdeutlicht den wechselseitigen Einfluss, den die arabische und europäische Kultur jeweils ausüben. Der Autor erklärt die Entstehung verschiedener Konflikte, beginnend bei den Anfängen des arabischen Volkes über die arabischen-israelischen Kriege in den Jahren 1956, 1967, 1973 und 1982. Er nimmt auch Bezug auf den Golfkrieg und die Ereignisse unmittelbar danach bis ins 21. Jahrhundert und vermittelt dem Leser abschließend zwei miteinander konkurrierende Diagnosen über die Krankheit dieser Region und deren Heilung. Gerade die Frage, welche Art der Heilung bevorzugt wird, wird entscheidend sein für den zukünftigen Platz der Araber in der Geschichte.

Das Buch vermittelt sehr gut die arabische Geschichte, bringt alltäglich verwendete Begriffe im Zusammenhang mit dem Islam näher und beleuchtet die verschiedenen Konflikte und ihre Ursachen. Der Autor versteht es, durch eine Chronologie Zusammenhänge klar und verständlich zu machen und dem Leser einen sehr guten Einblick in die Welt der Araber zu vermitteln.

Bernard Lewis wurde 1916 in London geboren und war bis 1986 Professor für Nahost-Studien an der Princeton University. Er gilt als einer der besten Kenner des Nahen Ostens.

 (margarete; 01/2003)


Bernard Lewis: "Die Araber"
dtv, 2002. 288 Seiten. 
ISBN 3-423-30866-4.
ca. EUR 12,50.
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