Tahar Ben Jelloun: "Papa, was ist der Islam?"

(Hörspielrezension)


Tahar Ben Jelloun wurde 1944 in Fès, Marokko, geboren. Mit seiner Frau und seinen Kindern lebt er in Tanger und Paris. Er gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur des Maghreb und wurde 1987 mit dem Prix Goncourt für seinen Roman "Die Nacht der Unschuld" ausgezeichnet.

Einige Kritiker nennen seinen literarischen Erguss "Papa, was ist der Islam?" naiv bzw. vom Niveau her mit seinem Buch "Papa, was  ist ein Fremder?" kaum zu vergleichen. Dazu sollte angemerkt sein, dass dieses Hörspiel ganz offensichtlich als "Kinderbuch" für alt und jung gedacht ist und von daher seine unbedingte Berechtigung hat. Ob die vermutliche Zielgruppe der etwa zehn- bis vierzehnjährigen Kinder dem etwas verschult-pädagogischen Ansatz, der behandelte Themen stichwortartig abhakt, allerdings in der gewünschten Form folgt, sei dahingestellt. Selbst die musikalischen Sequenzen und kurzen Ausschnitte aus Radio- und Fernsehkommentaren zum Krieg im Irak oder den Attentaten vom 11. September 2001 lockern die Ausführungen nur eher dürftig auf.

Unter dem Schock der Bilder der Attentate auf die Twin Towers in New York und in Washington reagieren Ben Jellouns Kinder auf die ihnen gemäße Weise. Zufällig schnappt er Teile der Gespräche zwischen seiner siebenjährigen Tochter und dem fünfjährigen Sohn auf, in denen das Mädchen dem jüngeren Bruder erklärt, dass böse Moslems ganz viele Amerikaner getötet hätten. Sie beschließt für sich, dieser Religionsgemeinschaft ab sofort keinesfalls angehören zu wollen.

Um seine Kinder zu beruhigen, erklärt der Autor ihnen im Laufe vieler Gespräche durch einfache, klar verständliche Erläuterungen, was der Islam ist und warum er seiner Meinung nach nichts mit dem zu tun hat, was extreme Terroristen sich und der Welt angetan hätten. Auf Basis dieser Gespräche entstand einige Monate danach das gegenständliche Hörbuch, in dem Begriffe wie Fundamentalismus, Fatwa, Dschihad, Toleranz, Taliban, Märtyrer, Prophet und viele mehr in Form eines Dialogs zwischen Vater und Kindern ebenso erklärt werden wie historische Begebenheiten, die Entstehung des Islam im Mekka des 7. Jahrhunderts, die Geschichte Mohammeds, das große Zeitalter einer großen Kultur im Mittelalter, Erläuterungen zum historischen Kontext oder das Verhältnis des Islam zu  anderen Religionen und zu grundlegenden moralischen Werten.

Tahar Ben Jelloun erzählt ebenso von bedeutenden Bibliotheken in Bagdad und Cordoba und dem Wissensdrang der arabischen Herrscher bis zu den Errungenschaften in Astronomie, Medizin oder Philosophie, stellt die Relation zu europäischen Kulturen und Wertvorstellungen her und bleibt dabei leider immer wieder selbst moralisierend.

Der Autor macht sich zwar auch Gedanken zum Wandel dieser so bedeutenden Religion, zu den zahlreichen Missverständnissen und Problemen, die daraus resultieren; trotzdem sei an dieser Stelle angemerkt, dass das Niveau schlichten Allgemeinwissens nie wirklich verlassen wird und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den wesentlichen Fragen nicht stattfindet.

Tahar Ben Jelloun vertritt in diesem Hörspiel immer wieder die zu hinterfragende Meinung, dass vieles, was am modernen Islam problematisch sei, eigentlich gar nicht explizit islamisch sei. So liefert er als Erklärung für den islamischen Fundamentalismus die harmlose Antwort, es könne sich dabei nur um fanatisierte Ignoranten handeln.
Eine schlüssige These oder analytische Definition dessen, was den Islam nun tatsächlich ausmache, bleibt offen.

(Gabriele Klinger; 09/2004)


Tahar Ben Jelloun: "Papa, was ist der Islam?"
Hörspiel:
Audioverlag, 2004. 1 Audio-CD; Laufzeit 53 Minuten.
Sprecher: Dietmar Mues, Johanna Bergmann, Thomas Kleinke u.a.
Bearbeitung: Karlheinz Koinegg. Regie: Angeli Backhausen.
Produktion: Westdeutscher Rundfunk.
ISBN 3-89813-302-8.
ca. EUR 15,50.
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Buch:
Berlin Verlag. Aus dem Französischen von Christiane Kayser.
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"Papa, was ist ein Fremder?"
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