Ito Romo: "Der Duft der Maulbeeren"


Von den weitreichenden Folgen angebrannter Bohnen

Der Originaltitel "El Puente/The Bridge" zollt der eigentlichen Hauptdarstellerin Respekt: Stellt sie doch als statisches Element in diesem Roman die "Bühne" für menschliche Tragödien, eitle Wichtigtuerei, Hoffnungen und Träume dar.

Die Brücke wird zum Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte, die aus flüchtigen Momentaufnahmen aus dem Leben einiger Anwohnerinnen zusammengesetzt ist: So werden die Ereignisse aus unterschiedlichsten Perspektiven wahrgenommen, sie verdichten sich immer mehr, und der Leser dringt mit jedem Kapitel tiefer in die schweißtreibende, gewitterschwüle Atmosphäre ein.

Ein bisschen Klatsch, ein wenig Tratsch, gipfelnd in der Aufstöberung eines vermeintlichen Sündenbocks: In 14 Kapiteln stellt Ito Romo dem Leser ebensoviele weibliche, mehr oder weniger detailliert ausgearbeitete Figuren samt ihrer Lebenssituationen (Stichwort "verkrachte Existenzen") im us-amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet von Südtexas vor, die - jede auf ihre Weise - durch die turbulenten Vorgänge rund um die, vorerst rätselhafte, Verfärbung des Rio Grande betroffen sind.

Denn eines Tages sind die Fluten des Flusses blutrot und verströmen intensiven Maulbeerduft, was umgehend zu einem regelrechten Aufmarsch sensationslüsterner Fernsehreporter, einem wilden Ansturm Neugieriger und einem unbeschreiblichen Verkehrschaos, das von Polizisten und Soldaten mehr beaufsichtigt denn geregelt wird, führt.

Man erhält den Eindruck, das Auftreten der roten Wassermassen wirke wie ein Katalysator, denn mit einem Mal kommt Bewegung in die verschlafene Grenzregion, und über lange Zeit hinweg aufgestaute Gefühle brechen ungehemmt hervor, mit allen Konsequenzen, gerade als ob viele der Einheimischen nur auf "ein Zeichen" gewartet hätten.

Das Bemühen des Autors um Authentizität hinsichtlich der weiblichen Charaktere ist durchaus spürbar, dennoch bleiben es klischeehafte Frauenfiguren, deren Daseinswirren nur angedeutet werden.

Das Interessante an diesem Roman ist, wie sich die Szenen im Verlauf der Lektüre zu einem lebendigen Mosaik fügen und man in jedem Kapitel Personen und Situationen "wiedererkennt", nur eben jeweils aus einem anderen Blickwinkel.

Besonders hervorgehoben sei abschließend das traumhaft schöne Umschlagfoto von Hiroshi Hara, das eine Wasserfläche, verziert mit konzentrischen Kreisen (aufgrund des "Einschlags" eines Tropfens?) in berauschenden Rottönen zeigt.

(kre; 02/2001)


Ito Romo: "Der Duft der Maulbeeren"
Europa Verlag. 205 Seiten.
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