Bettina Galvagni: "Persona" 

Die Seele - eine brüchige Bühne


"Die erste menschliche Geste ist das Aufsetzen einer Maske. Es ist umstritten, ob das lateinische Wort persona von personare, durchtönen, kommt. Für die Griechen war Maske und Gesicht dasselbe Wort: Prosopon ist das, was angeschaut wird. Dementsprechend zeigt die Tragödie den Menschen, wie ihn andere sehen, und veröffentlicht ihn. Was also ist eine Person? Ein lebendiges Wesen und zugleich ein Phantom, das auf den Blick der anderen angewiesen ist, um dem Nichts immer wieder für einige Augenblicke zu entfliehen."

Loris Welt ist ein graue Welt, obwohl sie "mit einer unsicheren Gewissheit  alles liebt, was grün ist. Lori lässt das Leben an sich vorbeiziehen, beobachtet, ohne selbst richtig involviert zu sein. Es scheint, als hätte sie noch nicht zu leben begonnen. Kleinigkeiten, die andere womöglich gar nicht wahrnehmen, werden bewusst und wichtig. Manchmal vermischen sich Realität und Vorstellung. Die psychiatrische Anstalt erscheint wie eine grau getünchte Traumwelt, die verwirrend und anziehend zugleich ist. Die Psychiaterin wird zur bewunderten, geliebten, aber auch distanzierten und geheimnisvollen Frau stilisiert. Undurchschaubar und nicht richtig fassbar sind auch die Nebenpersonen des Romans, die da sind: Madame Elvira, die Französischlehrerin, Ulysses, der Lehrer aus Schultagen, Anne, die Ballerina und nicht zuletzt Loris Eltern, die in Form verblasster Erinnerungen aus melancholisch-frohen Kindheitstagen auftauchen.

Lori ist auf der Suche nach Antworten, nach Liebe, nach Glück und am meisten wohl nach sich selbst. Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie leben will oder doch lieber sterben, und verharrt fürs Erste in der Zuschauer-Position. Dass die nicht richtig glücklich macht, liegt auf der Hand. 

Der Roman ist ein wenig traurig, ein wenig bedrückend, ein wenig langweilig. Immer wieder treffen einen die dichten Bilder überraschend, wird man in diese triste, beinahe banale Welt hineingezogen, erkennt die eigene Suche nach Glück und nimmt wahr, wie fragil die Grenze zwischen Wirklichkeit und Illusion, zwischen Wachen und Traum ist. 
Ein poetischer Roman, der die Antwort, wie man das Glück findet, schuldig bleibt. 

Bettina Galvagni wurde 1976 in Bozen geboren. 1997 erhielt sie den Ernst-Willner-Preis und 1998 den Rauriser Literaturpreis. Sie lebt in Bozen und Wien.

(wm; 10/2002)


Bettina Galvagni: "Persona" 
Luchterhand, 2002. 192 Seiten.
ISBN 3-630-87129-1.
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