Eugen Drewermann: "Von Tieren und Menschen"


Mit seinem Roman über Giordano Bruno hat der wahrscheinlich beste Theologe deutscher Zunge schon vor Jahren seine Leserschaft überrascht. Er bewies damit, dass er sehr viel Gefühl für die Sprache hat, und nicht nur Vortragskunst und den theologischen Diskurs beherrscht. Die kurzen Erzählungen, die im nunmehr zu besprechenden Büchlein versammelt sind, verdeutlichen zum zweiten Male die Erzählkunst des bekennenden Vegetariers Eugen Drewermann.

Grob lassen sich die Geschichten in zwei Sparten unterteilen:
Zum einen gibt es jene, wo die Tiere symbolträchtig sind, um brennende Weltprobleme und Konflikte zu reflektieren. Die Auseinandersetzung mit den Tierfabriken, den Schlachthöfen, Tierversuchen, Zerstörung der Heimstätte von Tieren, dem Tier als reiner Kapitalanlage (also sozusagen "Nutztiere") und vielen anderen unerklärlichen Zuständen, die von Menschen geschaffen wurden, öffnen dem Leser die Augen darüber, wie grob fahrlässig gegenüber unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, umgegangen wird. Das Tier gilt nicht als gleichwertig, sondern dient nur dem Menschen, um seine scheinbar primären und sekundären Bedürfnisse zu befriedigen. Am gelungensten ist wohl die "Karpfengeschichte" zu nennen. Drewermann wurde einst dieser Fische ansichtig, als diese als "lebend" in Gemeinsamkeit mit Flusskrebsen den gewillten Essern in einem Restaurant angeboten wurden. In einem winzigen Territorium gefangen harrten sie ihrem Schicksal, das sie nicht wirklich begreifen mochten. Ist es wirklich nötig, so mit Tieren umzugehen? Wir Leser werden auf die Probe gestellt, und die Selbstverständlichkeit, mit der die Tiere als "Güter zum täglichen Gebrauch" abqualifiziert werden, macht wieder mal auf erschreckende Weise den Anthropozentrismus des nackten Affen sichtbar.

Zum anderen gibt es Geschichten, die Auseinandersetzungen zwischen Mensch und Tier auf erstaunliche Weise aufdecken. Es ist unglaublich viel Liebe und Achtung vor dem Tier zwischen den Zeilen versteckt, und die Protagonisten beweisen mit ihrer Tierliebe, wie wichtig es ist, von den Tieren zu lernen. Die persönliche Geschichte des Autors über seine Beziehung zu einem Grauohrsittich ist allerliebst, und von ebensolcher Würde, wie sie Tieren gebühren sollte, sind die Erzählungen durchleuchtet, die von einer Taube, einem Hund, einem Esel, von Eichhörnchen oder einer Feldmaus handeln.

Die persönliche Lieblingsgeschichte des Rezensenten ist jene, der die Bussarde in die Höhen des Himmels erhebt. Es ist ein großartiger Gedanke, sich in diese wunderbaren Vögel hineinzuversetzen, und zu verstehen zu versuchen, warum sich diese so gerne auf Flughäfen befinden? Der Grund ist schlicht der, dass diese Vögel beobachten, wie sich die Flugzeuge in die Lüfte bewegen bzw. wieder landen, ohne ihre Flügel zu bewegen. Noch nie hat ein solcher Riesenvogel es darauf abgesehen, auf Beutejagd zu gehen. Diese seltsamen Artverwandten unsereins (der Bussarde) müssen sich also auf ungewöhnliche Art und Weise ernähren; anders ist diese Verrücktheit nicht zu erklären...

Der Autor beweist insgesamt mit den vielen Geschichten über und um Tiere herum, wie sehr es ihm daran gelegen ist, diesen wertvollen Mitgeschöpfen ein Stück Würde zurückzugeben, und den Umgang mit ihnen neu zu überdenken. Es ist ein wertvolles Büchlein, das jedem Menschen, der bereit ist, Tieren überall hin zu folgen, wo sie auftreten mögen, anempfohlen sei.

(Jürgen Heimlich; Juli 02)


Eugen Drewermann: "Von Tieren und Menschen"
Patmos Vlg.
114 Seiten
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