Frank Stefan Becker: „Der Abend des Adlers“


„Der lange Tag der antiken Welt neigt sich dem Abend zu, die Nacht der Barbarei wirft ihre Schatten voraus.“

Mit dieser Metapher charakterisiert der Autor im Nachwort das späte 3. Jh. n. Chr., in dem sein Roman spielt: Das Römische Reich wankt unter dem Ansturm seiner Feinde, während im Inneren ehrgeizige Generäle um die Macht kämpfen. Dazwischen versuchen die einfachen Menschen, ihr kleines Glück zu finden oder auch nur zu überleben. Einer davon ist der junge Römer Flavius, der auf dem Landgut seines Onkels bei Trier aufwächst, heimgesucht von Albträumen, die aus seiner verdrängten Vergangenheit aufsteigen. Als er den Grund erfährt, bricht er in das von den Germanen überrannte Gebiet östlich des Rheines auf, um einen Schatz zu heben, der im Herrschaftsbereich eines verbitterten, einst in Carnuntum schwer verletzten Gladiators liegt. Begleitet wird er von Ulixes Gabinius Aquila, einem undurchsichtigen reisenden Händler, der in Wirklichkeit ein Geheimagent des Kaisers in Rom ist. Doch das Schicksal entscheidet anders, wirbelt die Pläne der beiden Freunde durcheinander, lässt sie über Rom bis nach Palmyra (Syrien) gelangen. Dort beginnt das größte Abenteuer, denn Flavius lernt eine faszinierende Frau kennen, erfährt aber auch, dass sein verschollener Vater in persischer Gefangenschaft lebt. Und so reist er weiter, über Babylon nach Persien. Wo manches nicht so ist, wie Flavius glauben möchte…

Ein fesselndes Buch, das die ausgetretenen Pfade der Römerromane verlässt, die kohortenweise den Zeitraum von 50 v. Chr. bis 100 n. Chr. besetzen (wo man als Autor nur brav in Tacitus, Sueton und Cassius Dio nachlesen muss). An die Zeit der Soldatenkaiser im 3.Jh. hat sich dagegen bisher kaum jemand gewagt, und schon gar nicht mit dem Hintergrundwissen, den Verbindungsbogen von den Ereignissen im heutigen deutschen Sprachraum über Rom und Syrien bis nach Persien zu schlagen. Fundierte Recherche zeichnet das Buch genau so aus wie bildhafte Sprache, Liebe zum Detail, originelle Figuren und zahlreiche Spannungselemente. Besonders gelungen ist, wie in unaufdringlicher Weise eine Menge ungewöhnlicher Fakten über die Antike vermittelt werden, die man selbst in den meisten Sachbüchern nicht findet. Die wichtigsten werden im Nachwort erläutert, teilweise sogar mit Abbildungen dokumentiert (!). Ein Buch, das spannend unterhält, den Horizont wie kaum ein zweiter Antikenroman erweitert und zeigt, wie sehr römische Geschichte zugleich unsere eigene ist - Roman und Sachbuch in einem!

(Julia; 07/2005)


Dr. Frank S. Becker, geboren 1952, studierte Physik und war lange in der Kommunikationsabteilung eines großen Unternehmens tätig, wo er heute das Referat Bildungspolitik leitet. Sein Interesse an der römischen Kaiserzeit und an der Archäologie ließ ihn zahlreiche Reisen in den Mittelmeerraum und den Nahen Osten unternehmen. Zu seinen Hobbys gehört neben dem Schreiben auch die Fotografie. Der Autor lebt mit seiner Familie in München.

Frank Stefan Becker: "Der Abend des Adlers"
Herbig, 2004
456 Seiten, zwei Landkarten, Zeittabelle, Glossar, Nachwort mit Fotos
ISBN 3-7766-2387-X
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