Mo Yan: "Wie das Blatt sich wendet"


Mo Yan erzählt von seiner Jugend

Mo Yan ist dafür bekannt, dass er meist seine Bücher in Gaomi spielen lässt, wo er geboren wurde und aufgewachsen ist. Das vorliegende kleine Bändchen aus der Reihe "What was Communism?" ist der fünfte Band in der Reihe und in erster Linie autobiografisch.

Mo Yan beschreibt, wie seine Schule in seiner Kindheit ausgesehen hat und warum er diese schon in sehr frühen Jahren verlassen musste. Danach wird aufgezeigt, wie er langsam immer mehr Literatur erfuhr und dann schließlich - als Schulabbrecher sonst chancenlos - Mitglied der Volksarmee wurde, wo er zunächst eine wenig prestigeträchtigen Stelle innehatte. Dabei spielte - genau wie in Teilen seiner Kindheit - ein alter Armeelastwagen eine überaus bedeutende Rolle.

Diese Stelle wandelte sich mit der Zeit aber, so dass Mo Yan zunächst indirekt eine weiterführende Schulbildung erhielt und schließlich sogar selbst lehrend tätig war. Und in dieser Zeit begann er dann, auch als Autor tätig zu werden.

 

"Ich wollte Lehrer Liu erklären, wie es sich wirklich zugetragen hatte, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen. Und so wurde der brave Junge - Mo Großmaul -, der für seinen Lehrer Liu Großmaul eine intime Zuneigung verspürte, der Schule verwiesen.
Meine Nichtswürdigkeit zeigte sich darin, dass ich immer noch weiter die Schule liebte, obschon doch mein Rausschmiss vor aller Augen, vor der gesamten Lehrerschaft und der gesamten Schülerschaft ausgerufen wurde, dass ich immer noch tagtäglich mit meinem kaputten Ranzen nach Gelegenheiten suchte, mich auf das Gelände zu stehlen.
Anfangs kam Lehrer Liu noch selber heraus und verscheuchte mich. Wenn ich trotzdem blieb, packte er mich an den Ohren oder zog mich an den Haaren aus der Schule hinaus. Aber noch bevor er im Lehrerzimmer verschwunden war, hatte ich mich wieder hineingeschlichen. Später ließ er ein paar große kräftige Schüler vor der Schule Wache stehen, damit sie mich vertrieben. Sie drehten mir die Arme um, griffen mich an den Beinen und schleppten mich vor das Schultor, wo sie mich auf die Straße warfen. Aber noch bevor sie sich im Klassenzimmer wieder auf ihren Platz gesetzt hatten, war ich schon auf dem Schulhof. Ich versteckte mich immer in einer Ecke, machte mich so klein wie möglich, um bloß kein Aufsehen zu erregen, sondern mich stattdessen bemitleiden zu lassen."
(Aus dem Buch)

Wer Mo Yans Werk kennt, wird in diesem Buch viele lieb gewonnene Ideen, Konzepte und Figuren als Archetypen wiederfinden können. Die Aufmachung des Buches selbst ist solide und zeigt ein typisch chinesisches Straßenbild, was leider etwas weniger originell ist als das Umschlagbild der englischsprachigen Ausgabe, das bewusst auf die Spannungen zwischen traditionellem sozialistischen und neo-kapitalistischen Denken anzuspielen scheint.

Fazit:
Ein interessantes kleines Büchlein, das den Leser das Lebensgefühl in einigen Teilen Chinas in den letzten Jahrzehnten gut nachempfinden lässt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2014)


Mo Yan: "Wie das Blatt sich wendet"
(Originaltitel "Change")
Übersetzt aus dem Chinesischen von Martina Hasse.
Hanser, 2014. 109 Seiten.
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