Silke Urbanski: "Störtebekers Henker"

Ein Krimi aus dem Mittelalter


Eine große Intrige wird aufgedeckt

Es ist das Jahr 1400, und über viele Umwege kommt der ehemalige Deutschordenritter Richard von Hardin als Leibeskorte eines Viehtriebs nach Hamburg. Er musste diesen Auftrag annehmen, um sich auf dem letzten Stück seiner Reise finanziell über Wasser zu halten, aber wegen Unstimmigkeiten mit seinem einstweiligen Arbeitgeber landet er in Hamburg zunächst vor dem Schnellgericht und dann für einen Tag am Pranger. Ausgerechnet dort bekommt er eine neue Beschäftigung angeboten.

In Hamburg gibt es viel zu tun, weil es der Verbund der Englandfahrer nach einigen Mühen geschafft hat, den berüchtigten Claus Störtebeker und seine Mannschaft festzusetzen. Die Gefangenen sitzen nun in der Fronerey, erdulden das peinliche Verhör und warten auf die wohl nicht zu vermeidende Hinrichtung. Aber die kann rechtmäßig nur nach einem Geständnis der zu Verurteilenden stattfinden. Diese zeigen sich jedoch der Folter gegenüber als erstaunlich resistent, so dass von 70 Verhafteten viele sterben, ohne dass auch nur ein einziges Zugeständnis vorgelegen hat.
Der Mythos um die Figur Störtebekers lässt immer mehr Unruhe unter den einfachen Leuten der Stadt und im Umland aufkommen, welche die Vitalienbrüder lieber wieder auf freiem Fuß sehen würden. Oder zumindest das Gold, das sich an Bord von Störtebekers Schiff befunden haben soll, unter sich verteilt sehen.

In dieser Situation wäre es ungünstig, die Hinrichtungen zu lange aufzuschieben und auch, wenn es bei den Hinrichtungen ein Debakel geben sollte, wofür die eher unruhige Schwerthand des amtierenden Frons geradezu eine Garantie darstellt. Es wird also dringend Ersatz gesucht.
Da hat Geseke Cletzen, die sehr robust denkende und handelnde Tochter eines Ratsherrn einen überzeugenden Einfall nach dem anderen; zuerst, um ein schnelles Urteil zu erreichen und dann, um die Hinrichtungen möglichst reibungslos ablaufen zu lassen. Sehr zum Entsetzen ihrer guten Freundin, der Begine Elisabeth, setzt sie ihre Vorstellungen konsequent um.

Elisabeth hat aber in ihrem Amt in der Stadt genug zu tun, auch weil der Hauptverantwortliche für Störtebekers Verhaftung schwer erkrankt ist und beinahe so wirkt, als ob er die Hinrichtungen nicht mehr erleben könnte. Um dies zu verhindern, befindet sich die heilkundige Begine in einem Fachstreit mit dem städtischen Arzt, der durchaus andere Vorstellungen von der richtigen Behandlung des Patienten hat. Als sich herausstellt, dass der Patient mit Quecksilber vergiftet wird, wird die Sache für die Frau sehr gefährlich, denn nun tut sich die Möglichkeit eines Hexereiverdachtes auf.

"Störtebekers Henker" bietet eine ebenso komplexe wie interessante Geschichte, die sich wohl aus Silke Urbanskis Auseinandersetzung mit der historischen Figur der Geseke Cletzen entwickelte, über die sie auch ein Sachbuch verfasst hat. Leben und gesellschaftliche Zusammenhänge, wie sie im Hamburg des beginnenden 15. Jahrhunderts gewesen sein könnten, sind überzeugend und nachvollziehbar dargestellt, und das Glossar im Anhang gibt nach dem selbstkritischen Nachwort noch einmal einen Überblick über die wichtigsten Figuren und auch über die damals typischen Begriffe, die uns heute eher nicht mehr geläufig sind.
Alles in allem ein lehrreiches Lesevergnügen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2009)


Silke Urbanski: "Störtebekers Henker"
Emons Verlag, 2009. 382 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Silke Urbanski, geboren 1964 in Hamburg, ist promovierte Mittelalterhistorikerin mit den Schwerpunkten Kloster-, Hanse- und Wirtschaftsgeschichte.

Noch ein Buchtipp:

Hans G. Stelling: "Der Blutrichter. Ein Hanse-Roman"

Itzehoe, 1396. Als Hinrik vom Diek den Kopf aus der Bierlache hebt, ist das fatale Schriftstück unterzeichnet. Der Graf und sein größer Widersacher, Fernhandelskaufmann Wilham von Cronen, haben ihn betrunken gemacht und um Haus und Hof gebracht, weil er ihnen schon lange ein Dorn im Auge ist. Von dem Gedanken nach Rache erfüllt, treibt es den Ritter nach Hamburg. Am Hafen schlägt er sich schlecht und recht durch, bis eines Tages der Freibeuterkapitän Störtebeker eine Karavelle kapert. Sie gehört Gerhard Astmann, nach von Cronen Hamburgs wichtigstem Handelsherrn. Empört fordert die Kaufmannschaft die Hanse auf, endlich etwas gegen den berüchtigten Seeräuber zu unternehmen. Ist Hinriks Stunde der Rache gekommen? Er ist sich sicher, dass von Cronen Störtebeker verraten hat, welchen Kurs das Schiff nehmen würde, denn er hat ein nächtliches Gespräch belauscht. (dtv)
Buch bei amazon.de bestellen