Edward Bulwer-Lytton: "Die letzten Tage von Pompeji"


Der absolute Klassiker unter den historischen Romanen

"Die letzten Tage von Pompeji", das Buch der Bücher, was Historienschmöker anbetrifft, eines der ersten und bis heute auch unumstritten eines der erfolgreichsten und besten seines Genres. Edward Bulwer-Lytton (1803-1873), der Autor dieses hier neu aufgelegten Klassikers, war aber nicht nur Pionier des historischen Romans, sondern darüber hinaus ein äußerst vielseitiger Schriftsteller, der sich an den verschiedensten literarischen Formen versuchte. Und nebenbei betätigte er sich auch noch als Politiker und nahm bereits im Jahre 1831 einen Sitz im englischen Parlament ein, wo er es später bis zum Kolonialminister brachte. Zu Lebzeiten fast ebenso bekannt wie seine Zeit- und Zunftgenossen Walter Scott und Charles Dickens, kennt man ihn heute eigentlich nur noch als den Autor der "Letzten Tage von Pompeji". Freunden der fantastischen Literatur mag er vielleicht noch durch seine Romane "Zanoni", "Eine seltsame Geschichte" und "Das kommende Geschlecht" ein Begriff sein, Werke, die immerhin bewirkt haben, dass sich Edgar Allan Poe und Gustav Meyrink zu Bulwers Bewunderern gezählt haben. Ansonsten aber ist Bulwer-Lyttons umfangreiches Werk heute nahezu vergessen. Und nicht einmal sein Roman "Rienzi", den Richard Wagner als Vorlage für seine gleichnamige Oper wählte, ist heute noch außerhalb des Antiquariatsbuchhandels erhältlich, weder im deutsch- noch im englischsprachigen Raum. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn sich endlich einmal ein Verlag dieser quasi vergessenen Werke annähme, wobei es sich zum Teil um Werke handelt, die von vielen Kritikern als literarisch noch wertvoller eingestuft werden als die so erfolgreichen "Letzten Tage von Pompeji".

Dies soll und kann den Wert der vorliegenden, vorbildlich edierten Studienausgabe jedoch in keiner Weise schmälern. Umfangreiche Materialien wie das Vorwort der Erstausgabe, Tagebucheintragungen Bulwer-Lyttons sowie verschiedene Bild- und Textquellen, aus welchen der Autor seinerzeit geschöpft hat, finden sich im Anhang des Bandes. Dazu kommen die Anmerkungen zum Text und ein ausführliches, hervorragendes Nachwort von Günter Jürgensmeier. Die Fußnoten wurden in den Anmerkungen zusammengefasst und an den Schluss des Bandes gestellt, was sinnvoll erscheint, da sie nur selten von Bedeutung für die Handlung sind. Im Text selber finden sich noch zahlreiche zeitgenössische Abbildungen. Und dies alles, was sich auf immerhin 640 Seiten summiert, bekommt der Leser zu einem außerordentlich günstigen Preis.

Auf einer Italienreise hat es Edward Bulwer-Lytton unter Anderem auch nach Pompeji geführt. Und diese Ruinen von Pompeji und ihrer Nachbarstadt Herkulaneum waren sicherlich ein beflügelndes Terrain für einen fantasiebegabten Menschen wie Bulwer-Lytton. Im Vorwort der Erstausgabe schreibt er, dass in ihm "der Wunsch rege wurde, diese verlassenen Straßen noch einmal zu bevölkern, diese anmutigen Ruinen wieder aufzubauen, die Gebeine, die noch zu sehen waren, neu zu beseelen, den Abgrund von achtzehn Jahrhunderten zu überbrücken und zu einem zweiten Dasein zu erwecken: Die Stadt der Toten."

Unbedingt vermeiden wollte Bulwer-Lytton jedoch die Pedanterie der Schule, durch die er zuerst Bekanntschaft mit Pompeji geschlossen hatte, die ihm das Thema aber vollständig verleidet hatte, wie er uns in seinem Vorwort wissen lässt. Und Bulwer-Lytton gelingt es tatsächlich, eine lebendige, von allem Schulmuff befreite Erzählung aufs Papier zu bringen. Sehr anschaulich und überzeugend in jeder Hinsicht fängt er die Faszination vergangener Zeiten und Kulturen ein, um sie vor dem Auge des Lesers neu entstehen zu lassen. Der große gestalterische Atem des Autors haucht Personen und Geschehnissen Leben ein und die grellen Scheinwerfer der Fantasie verbinden sich auf beinahe ideale Weise mit dem ruhigen Licht des Historischen zu einer elektrisierenden Darstellung voller Verve und Dramatik. Und wie ein klassisches Drama ist der Roman mit seinen fünf Büchern auch konzipiert.

Dem Ausbruch menschlicher Leidenschaften, die natürlich in keinem dramatischen Geschehen fehlen dürfen, folgt schließlich dann als Höhepunkt der Ausbruch des Vesuvs. Und obwohl jedem Leser von vornherein bekannt sein dürfte, wie die Geschichte letztendlich ausgeht, vermag Bulwer-Lytton die Spannung im Buch doch von Anfang bis Ende aufrecht zu halten. Nebenbei behandelt der Roman auch noch die Rückzugsgefechte des untergehenden, aus Ägypten stammenden Isis-Kultes gegen das junge aufstrebende Christentum. Im Vertreter des Isis-Kultes, dem Ägypter Arbakes, haben wir denn auch den Schurken des Romans, einen finsteren Priester und Magier, den Günter Jürgensmeier in seinem Nachwort mit dem verbrecherischen Mönch Schedoni aus Ann Radcliffes Schauerroman "Der Italiener" vergleicht. Auch andere typische Elemente der "Gothic Novel" lassen sich, wie in den meisten Werken Bulwer-Lyttons, in den "Letzten Tagen von Pompeji" aufspüren.

Mehr als 2000 Jahre sind nun vergangen, seit die Städte Pompeji und Herkulaneum untergingen, fast 200 Jahre ist es her, seit Bulwer-Lyttons Roman zum ersten Mal erschienen ist. Trotzdem vermag er nach wie vor seine Leser zu begeistern, und der Staub der Vergessenheit wird ihm vermutlich auch in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten nichts anhaben können. Was den grandiosen Erfolg des Romans seinerzeit noch begünstigte, war der Ausbruch des Vesuvs Ende August 1834. Die Nachrichten darüber erreichten London etwa zu der Zeit, da gerade die Erstauflage erschienen war, eine ideale Voraussetzung für einen durchschlagenden Erfolg. Mit einem auf unsere aktuelle Gegenwart bezogenen Zitat aus dem Roman möchte ich nun meine Betrachtungen schließen. Es bezieht sich hier auf das Schicksal überdimensional gewachsener Systeme und Staaten, speziell des Römischen Reiches und kann sehr wohl auch für unsere heutige Zeit Geltung beanspruchen. "Das Herz muss das Zentrum des Systems sein, frei muss der Blutkreislauf überallhin fließen, doch in großen Reichen erblickst du nur einen aufgedunsenen, schwächlichen Riesen, dessen Hirn schwach, dessen Glieder abgestorben sind, und der durch Kränklichkeit und Hinfälligkeit dafür büßt, die natürlichen Verhältnisse des gesunden Wachstums überschritten zu haben."

Nachdem Pompeji und Herkulaneum wenigstens zum Teil wieder ausgegraben wurden, sollte man das gleiche Schicksal nun auch einigen vergessenen Romanen Bulwer-Lyttons zuteil werden lassen, um sie den Lesern endlich neu zugänglich zu machen. Und mit diesem Wunsch steht der Rezensent bestimmt nicht alleine da.

(Werner Fletcher; 04/2009)


Edward Bulwer-Lytton: "Die letzten Tage von Pompeji"
(Originaltitel "The Last Days of Pompeii")
Mit zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen.
Deutsche Fassung auf der Grundlage mehrerer älterer Übersetzungen neu erstellt von Günter Jürgensmeier.
dtv, 2009. 640 Seiten.
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Earl Edward George Bulwer-Lytton, 1803 in London geboren, starb 1873 in Torquay. Nach dem Studium in Cambridge und Bonn schlug er eine diplomatische Laufbahn ein. Daneben schuf er ein vielseitiges literarisches Werk.

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