Die Einwohner des Mondes

 

Die Mägdchen die in sechzehn Jahren
Noch nicht das leckre Glück erfahren,
Wozu sie ihre Mütter sparen;
Das Stutzerchen, das was gelernt;
Das Weib, das nie sich aus den Schranken
Der ehelichen Pflicht entfernt,
Und um den Mann die Welt vergißt;
Der Bettler, der bei dem Bedanken
So höflich wie beim Bitten ist;
Der Dichter, welcher nie gelogen,
Dem stets der Reim, und niemals er,
Dem lieben Reime nachgezogen;
Der Pfaffe, der stolz auf sein Amt,
Um Kleinigkeiten nicht verdammt,
Und weiß durch Taten zu ermahnen;
Der Edle, der von seinen Ahnen
In unzertrennter Ordnung stammt,
Ohn daß ein wackrer Bauerknecht
Nicht oft das Heldenblut geschwächt;
Ein Arzt, der keinen tot gemacht;
Der Krieger, der mehr kämpft als fluchet;
Der Hagestolz, der in der Nacht,
Was er am Tage flieht, nicht suchet;
Das fromme Weib, das nie geschmält;
Der reiche Greis, dem nichts gefehlt;
Und hundert andre schöne Sachen,
Die unsern Zeiten Ehre machen:
Wo trifft man die? - - Vielleicht im Mond,
Wo jedes Hirngespinste wohnt.


 

(von Gotthold Ephraim Lessing)