Richard David Precht: "Warum gibt es alles und nicht nichts?"

Ein Ausflug in die Philosophie


Philosophische Streifzüge durch Berlin

"Warum gibt es alles und nicht nichts?" So lautet nicht nur der Titel dieses Buches, so lautet auch die letzte entscheidende Frage nach unserer eigenen Existenz. "Es ist die größte und schwerste philosophische Frage überhaupt", erklärt Richard David Precht seinem Sohn Oskar. Und natürlich weiß auch der Philosoph und Vater Precht keine befriedigende Antwort darauf zu geben. Dafür weiß er recht viel über Zoologie, über allerlei interessante und skurrile Lebewesen wie Zitteraale, Rüsselfische, Flughunde, Fingertiere oder Tamandua-Ameisenbären, aber auch über längst ausgestorbene Arten wie Saurier und Riesenalk. Sein Buch mutet denn streckenweise auch mehr wie ein Streifzug durch die wunderbare Welt der Tiere an als wie ein Lesebuch der Philosophie, besonders im ersten Drittel des Buches. Nun sind Tiere natürlich für kleine Jungen (und Mädchen) von ganz besonderem Interesse und üben eine seltsame Faszination auf die Heranwachsenden aus. Und wenn man Kindern komplizierte Sachverhalte wie zum Beispiel philosophische Fragen verständlich machen will, dann kommt man ihnen mit einer Geschichte oder mit einem Gleichnis. So verfährt auch Richard David Precht. Für den erwachsenen Leser ist dies nicht gerade anregend, bisweilen ganz interessant, aber es gibt kein reflexives Hinabtauchen auf den Grund der Dinge, Precht bleibt stets an der Oberfläche, ohne allerdings dabei oberflächlich zu wirken. Kinder mögen das mit anderen Augen sehen, und für die ist Prechts Buch ja auch gedacht.

Vater und Sohn Precht spazieren oder fahren also kreuz und quer durch Berlin, besuchen den Zoo, diverse Museen, den Plötzensee, Hauptbahnhof, Fernsehturm und andere Sehenswürdigkeiten und diskutieren über Fragen wie "Was ist Glück?", "Was ist Schönheit?", "Was ist gerecht?", "Was ist Freiheit?" Und da diese Spaziergänge oder Fahrten nun einmal in Berlin stattfinden, kommt bei der Frage "Was ist Freiheit?" auch die Berliner Mauer zur Sprache. "Meine Freiheit hört da auf, wo die Freiheit des anderen anfängt." Zu diesem Schluss kommen Richard und Oskar Precht nach ihrem Gespräch über die Freiheit. Am ausführlichsten aber diskutieren die beiden über die Frage "Darf man Tiere essen?", womit wir wieder bei den Tieren sind.

Am Ende eines jeden Kapitels kommen Oskar und sein Vater zu einer Einsicht, zu einer im Buch fettgedruckten Erkenntnis. Dabei handelt es sich aber mehr um herausgeputzte, philosophisch veredelte Gemeinplätze wie "Was andere Lebewesen fühlen und denken, können wir nur ahnen, aber nicht wissen." Oder: "Es gibt zwei verschiedene Gründe, warum man motiviert ist, etwas zu tun. Einmal, weil man es selbst will. Und ein anderes Mal, weil man dafür belohnt wird." Das sind Binsenweisheiten, vage Anvisierungen, die das Ziel, nämlich schlüssige Antworten auf wichtige philosophische Fragen zu geben, nur selten erreichen. Aus meiner Sicht ist das alles ein wenig zu dürftig.

(Werner Fletcher; 01/2012)


Richard David Precht: "Warum gibt es alles und nicht nichts? Ein Ausflug in die Philosophie"
Gebundene Ausgabe:
Goldmann, 2011. 208 Seiten. Ab 10 J.
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Hörbuchausgabe:
Gekürzte Lesung. Gesprochen von Richard David Precht, Caroline Mart.
Der Hörverlag, 2011. 6 Audio-CDs, Laufzeit: 420 Minuten.
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